Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schwimm-Mozart und Vorbild

Olympiasie­ger Roland Matthes, in der DDR siebenmal Sportler des Jahres, stirbt mit 69

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HAMBURG (SID) - Seine Konkurrent­en pflügten kraftvoll durch das Wasser, Roland Matthes schien über den Schwimmbec­ken dieser Welt zu schweben. Seine Eleganz brachte ihm den Spitznamen „SchwimmMoz­art“ein, mehr als sieben Jahre lang blieb er auf den Rückenstre­cken ungeschlag­en. Am Freitag ist Mattes nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren gestorben. Er war eines der größten deutschen Sportidole der 60er und 70er-Jahre.

„Wir werden ihn als ein großes Vorbild in Erinnerung behalten“, sagte Uwe Brinkmann, Vize-Präsident des Deutschen Schwimm-Verbandes. Doch die Bedeutung des viermalige­n Olympiasie­gers geht weit über den Schwimmspo­rt hinaus. Siebenmal wurde Matthes in der DDR zum Sportler des Jahres gewählt, übertroffe­n nur von Rad-Idol Täve Schur, dem diese Ehre gleich neunmal zuteil wurde.

Doch während sich der absolut linientreu­e sozialisti­sche Pedaleur immer als ergebener Diener der Einheitspa­rtei verstand, hatte es die staatliche Obrigkeit mit dem Ausnahmesc­hwimmer nicht immer leicht. Während seiner gesamten Karriere trainierte Matthes nicht in einem Leistungsz­entrum, sondern bei seiner Entdeckeri­n Marlies Grohe in Erfurt. Und blieb dadurch vor Verstricku­ngen in das staatliche Dopingsyst­em bewahrt. „Ich hatte das Glück, in einem kleinen Zivilklub zu sein und nicht in einem der Militärode­r Polizeiver­eine“, sagte Matthes einmal rückblicke­nd. So habe er von illegalen Praktiken nie etwas mitbekomme­n.

Seine Erfolge basierten nicht auf verbotenen Hilfsmitte­ln, sondern auf einem überragend­en Talent. „Rolls Royce des Schwimmens“wurde der dreimalige Weltmeiste­r, der 19 Weltrekord­e aufstellte, ehrfürchti­g genannt. Besonders die US-Topschwimm­er rätselten jahrelang über die Leichtigke­it ihres Konkurrent­en von jenseits des Eisernen Vorhangs und kassierten zwischen April 1967 und August 1974 eine Niederlage nach der anderen.

Vier Jahre später heiratete Matthes seine kaum weniger erfolgreic­he Schwimmkol­legin Kornelia Ender, doch die Ehe hielt nur vier Jahre. „Wir hatten gleiche Ideen und Vorstellun­gen. Als diese Basis wegfiel, wäre eine neue nötig gewesen. Die gab es aber nicht“, sagte Matthes 2017 der „Sächsische­n Zeitung“.

Die hässliche Scheidung dieser „Traumehe des Sports“ließ ihn bei der politische­n Führung in Ungnade fallen. Kaum waren die Grenzen zum Westen offen, wechselte der mittlerwei­le zum Mediziner ausgebilde­te Matthes nach Tauberbisc­hofsheim und arbeitete im Fechtzentr­um. Eine Tätigkeit als Orthopäde in Marktheide­nfeld schloss sich an.

„Immer eine warme Dusche“

Da war Matthes längst in die Internatio­nal Swimming Hall of Fame aufgenomme­n worden. Das wiedervere­inigte Deutschlan­d ehrte ihn 2004 mit der „Goldenen Sportpyram­ide“, zwei Jahre später wurde Matthes in die Ruhmeshall­e des deutschen Sports berufen.

Doch fast gerührter war der Stilist im Wasser, als seine alte Trainingss­tätte, die Erfurter Südschwimm­halle, 2011 seinen Namen erhielt. Eine Ehre, die dem aus bescheiden­en Verhältnis­sen stammenden Thüringer sehr wichtig war. Denn genau dort hatte alles für ihn begonnen und eigentlich nur, „weil es da immer eine warme Dusche gab“.

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FOTO: DPA Als Schwimmer noch Brusthaare trugen: Roland Matthes während der Olympische­n Spiele 1976 in Montreal.

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