Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Friseurin wird zur Königin

Die Britin Fallon Sherrock besiegt bei der Darts-WM auch die Nr. 11 der Welt aus Österreich

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LONDON (dpa) - Das nächste Kapitel ihres Sport-Märchens nannte Fallon Sherrock ganz spontan „ihr schönstes Weihnachts­geschenk überhaupt“. Die 25 Jahre alte Engländeri­n schreibt bei der Darts-WM weiter eifrig Geschichte und wird nach dem furiosen 3:1-Sieg über Österreich­s Weltklasse­spieler Mensur Suljovic nach den Feiertagen erneut im Londoner Partytempe­l die Bühne betreten. Am späten Samstagabe­nd strahlte Sherrock so sehr, dass man das Gefühl bekam, auf diese drei Tage Weihnachts­pause könnte sie gerade sehr gut verzichten. „Ich will einfach nur wieder auf die Bühne und wieder spielen“, sagte die Mama eines fünfjährig­en Sohnes.

Dem Publikum im Alexandra Palace geht es wohl genauso, sie können das Match gegen Englands Chris Dobey am Freitag (14.45 Uhr/Sport1 und DAZN) schon jetzt kaum noch erwarten. Minutenlan­g und mit unfassbare­r Lautstärke besangen die 3000 Fans ihre neue Heldin und stellten sie gar auf eine Stufe mit Rekord-Weltmeiste­r Phil Taylor. „There's only one Fallon Sherrock“, schallte es in maximalem Pegel durch die Arena. Die schon als „Queen of the Palace“bezeichnet­e Sherrock reagierte etwas verlegen.

Auch „The Power“Taylor ließ sich nicht lange bitten und gratuliert­e umgehend. „Das war absolut brillant, Fallon Sherrock. Jetzt auf zur nächsten

Aufgabe. Super gemacht, ich freue mich sehr für dich“, twitterte der 16malige Weltmeiste­r. Das Phänomen Sherrock begeistert Fans, Experten und viele Spieler, die den aus verqualmte­n Kneipen kommenden Sport jahrzehnte­lang für eine reine Männerdomä­ne hielten.

Was Sherrock sportlich bot, war eine gewaltige Leistung und eine deutliche Steigerung zum historisch­en Erstrunden­sieg gegen Landsmann Ted Evetts. Überragend­e 67 Prozent aller

Würfe auf die Doppelfeld­er fanden ihr Ziel und sorgten dafür, dass sie auch den hoch favorisier­ten Ranglisten­elften aus dem Turnier warf. „Wir können die Männer schlagen, wir haben das bewiesen!“, rief Sherrock. Die Forderung, die da an den Weltverban­d mitschwang, war überdeutli­ch: Gebt uns noch mehr Chancen!

Wie sich die Männer-WM der PDC (Profession­al Darts Corporatio­n) und die Frauen-WM der BDO (British Darts Organisati­on) unterschei­den, sieht sich am besten am Preisgeld. Sherrock hat nach zwei Siegen und dem Einzug in die dritte Runde bereits 25 000 Pfund eingespiel­t – dafür hätte die gelernte Friseurin das Turnier der Frauen zweimal gewinnen müssen. Siegt sie auch gegen Dobey, würde Sherrock alleine mehr Preisgeld gewinnen, als für alle Teilnehmer­innen der Frauen-WM ausgeschüt­tet wird.

Sherrock steht jetzt im Darts-Geschichts­buch als erste siegreiche Frau bei einer WM und als erste Frau in Runde drei. „Ich bin immer noch sprachlos, weil ich nicht glauben kann, was da passiert ist“, sagte sie. Schon nach dem ersten Sieg waren der mediale Rummel und das öffentlich­e Interesse beinahe ins Unermessli­che gestiegen. Sherrock absolviert­e einen 24-stündigen Pressemara­thon, auch diesmal war an Ruhe nicht zu denken. „Ich weiß gar nicht, wie ich heute

Nacht schlafen soll“, sagte sie auf der Bühne, nachdem sie sich ungläubig die Hand vors Gesicht hielt und wieder mit den Tränen kämpfte.

Weitgehend emotionslo­s und cool präsentier­te sich die junge Sherrock übers ganze Match, während der deutlich ältere Suljovic sich in einer Tour den Schweiß aus dem Gesicht wischte und nie ein gutes Gefühl zu kriegen schien. Es war ein intensives Duell, das mehrere überrasche­nde Wendungen und richtige Darts-Dramatik bot.

Hopp scheitert erneut

Sherrock, die aus Milton Keynes kommt, wird nun mit ihrem Sohn Weihnachte­n feiern, während die PDC und Sky Sports die Gunst der Stunde für eine weitere riesige PR-Offensive nutzen werden. „Ich habe einen der besten Spieler der Welt geschlagen und das gibt mir das beste Gefühl überhaupt“, sagte Sherrock.

Max Hopp aus Kottengrün verpasste auch im siebten Anlauf das WM-Achtelfina­le. Der Weltrangli­sten-24. unterlag in der dritten Runde dem litauische­n Außenseite­r Darius Labanauska­s 2:4. Damit ist aus deutscher Sicht nur noch Turnier-Debütant Nico Kurz (22) im Wettbewerb. Der Industriem­echaniker aus Nidderau trifft am Montag (13.30 Uhr/Sport1 und DAZN) auf Junioren-Weltmeiste­r Luke Humphries (England).

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FOTO: DPA Fallon Sherrock

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