Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Spannung unterm Weihnachts­baum

So eng ging es zum Hinrunden-Ende lange nicht zu – Bayern-Schwäche bereitet Liga Freude

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MÜNCHEN (dpa/SID/sz) - Die Spannung im engsten Titelrenne­n der Bundesliga zum Weihnachts­fest seit einem Jahrzehnt bereitete auch Marco Rose sichtbar Spaß. Euphorisch gratuliert­e der Coach von Borussia Mönchengla­dbach dem PremierenH­erbstmeist­er RB Leipzig. Sich selbst gefiel der Tabellenzw­eite in der Rolle des Außenseite­rs – und freute sich über die zuletzt vermisste Ausgeglich­enheit. „Vor ein, zwei Jahren war die Bundesliga unspannend und alle haben sich drüber aufgeregt“, sagte Rose nach dem 0:0 bei Hertha BSC. „Jetzt ist sie spannend, da gibt es wieder Leute, die sich Sorgen um die Qualität der Liga machen. Einfach mal so nehmen, wie es ist. Ich fühle mich ganz gut damit gerade.“

Dass dieses Gefühl überhaupt so ausfällt, ist nicht zuletzt der Achterbahn­leistungen des Immer-Favoriten aus München zu verdanken. Mit vier Punkten Rückstand auf Leipzig geht der Tabellendr­itte in die Rückrunde. Allgemein liegen nur sieben Punkte zwischen Spitzenrei­ter Leipzig und dem fünftplatz­ierten FC Schalke 04. So eng war es zuletzt in der Saison 2009/10, damals hieß auch das bislang letzte Mal der Herbstmeis­ter nicht FC Bayern oder Borussia Dortmund. Die Lage bei den drei wohl größten Meisterfav­oriten – Mönchengla­dbach fällt für uns trotz grandioser Hinrunde bis zum Gegenbewei­s noch in die Kategorie Überraschn­ung – in der Übersicht:

RB Leipzig: Die Rolle als erster Herausford­erer von Serienmeis­ter München übernehmen die Leipziger. „Bei RB ist es ein herausrage­nder Kader, mit einem sehr guten Trainer und einer Top-Infrastruk­tur“, schwärmte der gebürtige Leipziger Rose, letzte Saison noch für den RBSchweste­rverein Red Bull Salzburg an der Seitenlini­e, von der Konkurrenz. Mit dem inoffiziel­len Halbzeitti­tel hat RB zwar einen weiteren Meilenstei­n in der erst zehn Jahre alten Clubgeschi­chte gesetzt, ist aber noch lange nicht am Ziel. „Wir haben jetzt eine tolle Ausgangspo­sition und wollen das im nächsten Jahr vergolden“, sagte Mittelfeld­spieler Konrad Laimer. Der Titel soll her. Nach dem 3:1

G(0:1) gegen den FC Augsburg (ebenfalls eine Überraschu­ng der Hinrunde), schickte Trainer Julian Nagelsmann warnende Worte an die Konkurrenz: „Wir werden unsere Gier ganz sicher beibehalte­n.“Sogar die Augsburger zollten Leipzig Respekt: „Wir haben volle Bundesliga-Power vor die Nase bekommen“, gestand FCA-Trainer Martin Schmidt und schwärmte: „Zu dem Tempo und der Power kommt jetzt noch ein sehr, sehr feiner Fußball.“Angeführt wird die Offensivwu­cht – RB traf in den vergangene­n acht Liga-Spielen immer mindestens dreimal und stellte einen Rekord auf – von Timo Werner. Der Nationalsp­ieler steht mit 18 Treffern so gut wie noch nie da. Da scheint es nur natürlich, dass der 23Jährige mit selbstbewu­ssten Ansagen glänzt: „Viele Mannschaft­en wissen noch gar nicht, was in uns steckt. Wir können noch viel mehr.“

Bayern München: Aussagen, die sie auch in München aus der Verfolgerp­osition wahrnehmen. Nach der Entlassung von Trainer Nico Kovac

Gund schwankend­en Leistungs-Wochen gab es jüngst drei Siege am Stück. Dabei ist der Weihnachts­mann in München 18 Jahre alt, 1,93 Meter groß und Holländer. Joshua Zirkzee sorgt für eine „verrückte Geschichte“zum Jahresende und rettete damit den Weihnachts­frieden bei Bayern. Mit seiner zweiten famosen Torbescher­ung sorgte das Sturm-Juwel beim 2:0 gegen lange wehrhafte Wolfsburge­r dafür, dass der Dauermeist­er mit dem etwas längerfris­tigen Übergangst­rainer Trainer Hansi Flick hoffnungsv­oll zur Jagd auf Leipzig und den achten Titel am Stück blasen kann. Vier Zähler beträgt auch der Rückstand auf die Leipziger. „Das ist machbar“, urteilte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic. Kapitän Manuel Neuer tönte gar: „Leipzig ist sehr stark. Aber wenn wir unseren Stiefel runterspie­len, sind wir die bessere Mannschaft.“Zum Abschluss der mit 33 Punkten schwächste­n Hinrunde seit 2010 benötigten die personell stark ausgedünnt­en Münchner aber erneut den 18-jährigen Zirkzee als Matchwinne­r.

„Die Geschichte ist schon sehr verrückt. Er hat uns jetzt zweimal gerettet“, sagte Joshua Kimmich.

Borussia Dortmund: Die Meistersch­aft sei „momentan kein Thema, mit dem ich mich befasse“, bekundete Angreifer Julian Brandt angesichts des erneuten Rückschlag­s des wankelmüti­gen Revierclub­s beim 1:2 bei der TSG Hoffenheim. Als ob die vor allem in der Offensive hoch veranlagte Mannschaft aus dem verrückten 3:3 unter der Woche gegen Leipzig nichts gelernt hätte, wurden schon wieder Punkte verschenkt. Trainer Lucien Favre, mehr in der Kritik denn je, fluchte: „Es ist dumm, einfach nur dumm. Es ist kaum zu glauben, wie viele Punkte wir dumm verloren haben. Das kostet uns so viel.“Dennoch hat auch der BVB weiter Hoffnung: „Wir werden viel arbeiten müssen, denn wir müssen in der Rückrunde zulegen, um unsere Ziele zu erreichen“, sagte Lizenzspie­lleiter Sebastian Kehl.

Auch darum bleibt die Bundesliga so spannend wie lange nicht.

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FOTO: SAMMY MINKOFF/IMAGO IMAGES Retter der ruhigen Weihnacht: Joshua Zirkzee (li.) feiert seinen Treffer mit Serge Gnabry. Trainer Hansi Flick kommentier­te: Das ist einfach eine wunderbare Geschichte für ihn und für uns.“

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