Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
RB und das Problem mit der Anerkennung
Aber der Fußball ist doch toll!“, heißt es oft in Diskussionen mit Fußballkennern, die nicht verstehen können, wieso einem das nun sogar Herbstmeister gewordene Zuckerbrauseverkaufsförderkonstrukt RB Leipzig aus tiefstem Herzen zuwider ist. Darum ein für allemal, zur Klarstellung: Ja, RB Leipzig spielt im vierten Jahr seiner Bundesligazugehörigkeit unter Trainer Julian Nagelsmann den spektakulärsten, attraktivsten, schnellsten, variabelsten und derzeit auch erfolgreichsten Fußball der Liga, der aus Bad Cannstatt importierte Torjäger Timo Werner und seine Mannschaftskameraden gehen völlig verdient als Hinrundenmeister in die Weihnachtsferien. Doch Leipzigs Fußball war nie Gegenstand der Kritik. Der vom Backnanger Fußballgelehrten Ralf Rangnick erdachte und vom Landsberger Jungdynamiker Nagelsmann um einige schöne Komponenten erweiterte (etwa dass der Ball auch zum spielen da ist) Stil war nie das Problem. Und: dass bei RB eine klug zusammengestellte Mannschaft auf dem Platz steht, die in ihren Grundzügen schon in der zweiten Liga miteinander spielte (Diego Demme und Willi Orban waren sogar in der Dritten Liga schon dabei), ist fast schon auf eine urfußballromantische Art charmant. Doch es ändert nichts an der grundsätzlichen Kritik.
Ins Leere läuft auch das ebenso oft gehörte Argument, dass ohne Moos eben nichts los sei und andere Vereine schließlich auch Investoren, Mäzene oder anders geartete externe Geldgeber hätten. Wer derlei Selbstverständlichkeiten ernsthaft als Argument gebrauchen möchte, hat den modernen Fußball – mit Verlaub! – noch weniger verstanden als gewisse Fußball-Traditionalisten, die bei ausbleibendem Erfolg immer nur nach Zirkeltrainings aus der EgonCoordes-Trainingsfibel plus Strafläufen nicht unter fünf Spuckunterbrechungen für die ach so verwöhnten Fußball-Millionäre rufen.
GDas Problem mit RB Leipzig ist weder die fehlende Tradition, noch die
GLegende von der ostdeutschen Identität des Vereins oder die Tatsache, dass Red-Bull-Boss Didi Mateschitz für Fußball ungefähr das Gleiche übrig haben dürfte wie für die Formel 1, das Kunstfliegen oder Sprünge aus dem Weltall: gut ist alles, was mehr Brause verkauft und Didi Mateschitz und den Seinen Anerkennung bringt.
RB Leipzig hat der Konkurrenz gezeigt, wie man mit Geld, modernen Visionen und klugen Strategien Erfolg haben kann. RB hat zudem gnadenlos aufgezeigt, wie rückständig manche Traditionsvereine noch geführt werden. Aber auch für clevere Super-Kapitalisten mit Visionen und klugen Strategien müssen Regeln gelten. RB Leipzig jedoch balanciert seit zehn Jahren in gleichem Maße dreist wie genial mindestens am Rande der Legalität – und kommt damit
Gauch noch durch: Das ist der eigentliche Skandal.
So macht sich der Verein nicht einmal die Mühe, demokratische Strukturen vorzutäuschen. Lediglich 17 Vereisnmitglieder sind stimmberechtigt, diese stehen alle in enger Beziehung zu Red Bull. RB Leipzig verstößt so mindestens gegen den Geist der Regeln, den sich der deutsche Fußball im Umgang mit Investoren gegeben hat. Das tut er zugegeben nicht als einziger Club, doch die Leipziger (oder Salzburger?) scheinen sich mehr als alle anderen zum Ziel gesetzt haben, wirklich alle Graubereiche und Schlupflöcher in den Statuten der DFL zu finden und diese für sich auszunutzen. Das mag besonders clever sein, „als Jurist muss man eigentlich sogar den Hut davor ziehen, dass RB es bislang stets geschafft hat, exakt so zu agieren, dass niemand etwas dagegen unternehmen konnte oder unternehmen wollte“, sagte etwa einmal der Sportrechtler Paul Lambertz zur dem Magazin „11Freunde“. Und ergänzte: „Ein Stück weit führt RB die Ligen und Verbände am Nasenring durch die Manege“. Auf die Spitze getrieben wird dies beim munteren Spielerverschieben von den Red-Bull-Filialen in Salzburg, Liefering, New York, Ghana und Brasilien nach Leipzig. Dieser moderne Menschenhandel ist der Konkurrenz gegenüber unfair – und wenn er so institutionalisiert geschieht wie im Brauseimperium – schlicht illegal. So etwas verdient keine Anerkennung.
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