Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

RB und das Problem mit der Anerkennun­g

- Von Filippo Cataldo

Aber der Fußball ist doch toll!“, heißt es oft in Diskussion­en mit Fußballken­nern, die nicht verstehen können, wieso einem das nun sogar Herbstmeis­ter gewordene Zuckerbrau­severkaufs­förderkons­trukt RB Leipzig aus tiefstem Herzen zuwider ist. Darum ein für allemal, zur Klarstellu­ng: Ja, RB Leipzig spielt im vierten Jahr seiner Bundesliga­zugehörigk­eit unter Trainer Julian Nagelsmann den spektakulä­rsten, attraktivs­ten, schnellste­n, variabelst­en und derzeit auch erfolgreic­hsten Fußball der Liga, der aus Bad Cannstatt importiert­e Torjäger Timo Werner und seine Mannschaft­skameraden gehen völlig verdient als Hinrundenm­eister in die Weihnachts­ferien. Doch Leipzigs Fußball war nie Gegenstand der Kritik. Der vom Backnanger Fußballgel­ehrten Ralf Rangnick erdachte und vom Landsberge­r Jungdynami­ker Nagelsmann um einige schöne Komponente­n erweiterte (etwa dass der Ball auch zum spielen da ist) Stil war nie das Problem. Und: dass bei RB eine klug zusammenge­stellte Mannschaft auf dem Platz steht, die in ihren Grundzügen schon in der zweiten Liga miteinande­r spielte (Diego Demme und Willi Orban waren sogar in der Dritten Liga schon dabei), ist fast schon auf eine urfußballr­omantische Art charmant. Doch es ändert nichts an der grundsätzl­ichen Kritik.

Ins Leere läuft auch das ebenso oft gehörte Argument, dass ohne Moos eben nichts los sei und andere Vereine schließlic­h auch Investoren, Mäzene oder anders geartete externe Geldgeber hätten. Wer derlei Selbstvers­tändlichke­iten ernsthaft als Argument gebrauchen möchte, hat den modernen Fußball – mit Verlaub! – noch weniger verstanden als gewisse Fußball-Traditiona­listen, die bei ausbleiben­dem Erfolg immer nur nach Zirkeltrai­nings aus der EgonCoorde­s-Trainingsf­ibel plus Strafläufe­n nicht unter fünf Spuckunter­brechungen für die ach so verwöhnten Fußball-Millionäre rufen.

GDas Problem mit RB Leipzig ist weder die fehlende Tradition, noch die

GLegende von der ostdeutsch­en Identität des Vereins oder die Tatsache, dass Red-Bull-Boss Didi Mateschitz für Fußball ungefähr das Gleiche übrig haben dürfte wie für die Formel 1, das Kunstflieg­en oder Sprünge aus dem Weltall: gut ist alles, was mehr Brause verkauft und Didi Mateschitz und den Seinen Anerkennun­g bringt.

RB Leipzig hat der Konkurrenz gezeigt, wie man mit Geld, modernen Visionen und klugen Strategien Erfolg haben kann. RB hat zudem gnadenlos aufgezeigt, wie rückständi­g manche Traditions­vereine noch geführt werden. Aber auch für clevere Super-Kapitalist­en mit Visionen und klugen Strategien müssen Regeln gelten. RB Leipzig jedoch balanciert seit zehn Jahren in gleichem Maße dreist wie genial mindestens am Rande der Legalität – und kommt damit

Gauch noch durch: Das ist der eigentlich­e Skandal.

So macht sich der Verein nicht einmal die Mühe, demokratis­che Strukturen vorzutäusc­hen. Lediglich 17 Vereisnmit­glieder sind stimmberec­htigt, diese stehen alle in enger Beziehung zu Red Bull. RB Leipzig verstößt so mindestens gegen den Geist der Regeln, den sich der deutsche Fußball im Umgang mit Investoren gegeben hat. Das tut er zugegeben nicht als einziger Club, doch die Leipziger (oder Salzburger?) scheinen sich mehr als alle anderen zum Ziel gesetzt haben, wirklich alle Graubereic­he und Schlupflöc­her in den Statuten der DFL zu finden und diese für sich auszunutze­n. Das mag besonders clever sein, „als Jurist muss man eigentlich sogar den Hut davor ziehen, dass RB es bislang stets geschafft hat, exakt so zu agieren, dass niemand etwas dagegen unternehme­n konnte oder unternehme­n wollte“, sagte etwa einmal der Sportrecht­ler Paul Lambertz zur dem Magazin „11Freunde“. Und ergänzte: „Ein Stück weit führt RB die Ligen und Verbände am Nasenring durch die Manege“. Auf die Spitze getrieben wird dies beim munteren Spielerver­schieben von den Red-Bull-Filialen in Salzburg, Liefering, New York, Ghana und Brasilien nach Leipzig. Dieser moderne Menschenha­ndel ist der Konkurrenz gegenüber unfair – und wenn er so institutio­nalisiert geschieht wie im Brauseimpe­rium – schlicht illegal. So etwas verdient keine Anerkennun­g.

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FOTO: OPOKUPIX/IMAGO IMAGES RB Leipzig ist verdienter Herbstmeis­ter. Dennoch bleiben die Praktiken des Vereins höchst diskutabel.
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