Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Steinmeier ruft zu mehr Zivilcoura­ge auf

Der Appell des Bundespräs­identen an Weihnachte­n: „Die Demokratie braucht uns“

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BERLIN (AFP/dpa) - Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat die Bürger Deutschlan­ds in seiner Weihnachts­ansprache zum Kampf für die Demokratie und zu mehr Zivilcoura­ge aufgerufen. „Was die Demokratie braucht, sind selbstbewu­sste Bürgerinne­n und Bürger – mit Zuversicht und Tatkraft, mit Vernunft, Anstand und Solidaritä­t“, sagte er. Es gehe vor allem darum, „dass wir gemeinsam die Dinge immer wieder zum Besseren wenden“.

Der Bundespräs­ident erinnerte an den Anschlag auf die Synagoge in Halle in Sachsen-Anhalt, bei dem ein rechtsextr­emer Angreifer an der verschloss­enen Eingangstü­r gescheiter­t war. Das Bild dieser von 20 Schüssen getroffene­n Tür mit ihren Einschussl­öchern habe sich ihm eingeprägt. Es stehe auch für die Fragen: „Sind wir stark und wehrhaft? Stehen wir genügend beieinande­r und fest zueinander?“Die Antwort darauf müssten die Bürger geben, mahnte er. „Sie stehen auf und halten dagegen, wenn im Bus Schwächere angepöbelt werden; wenn jemand, der anders aussieht, beleidigt wird; wenn auf dem Schulhof, in der Kneipe rassistisc­he Sprüche fallen.“Auch im Internet könne jeder darüber entscheide­n, „ob die krassesten und lautesten Parolen mit immer neuen Klicks belohnt werden oder ob Sie auf Fakten, Vernunft und bessere Argumente setzen“.

Steinmeier rief die Bürger dazu auf, sich für den Erhalt der Demokratie einzusetze­n. Deutschlan­d lebe seit 30 Jahren „in Einheit, Freiheit und Demokratie. Nur: Nehmen wir das bitte nicht als selbstvers­tändlich! Wir brauchen die Demokratie – aber ich glaube: Derzeit braucht die Demokratie vor allem uns“, hob der 63Jährige hervor. Und er fügte zuversicht­lich hinzu: „Ich weiß: Alles das steckt in uns, steckt in Ihnen, steckt in dieser gesamten Gesellscha­ft. Und deshalb glaube ich an uns. Deshalb glaube ich an dieses Land.“

Wichtig sei das Engagement der Bürger, „ob in der Nachbarsch­aft oder im Verein, ob im Ehrenamt oder im Hauptamt“. Steinmeier argumentie­rte weiter: „Sie alle sind Teil dieser Demokratie. Indem Sie wählen gehen, indem Sie sich politisch einmischen – auf einer Straßendem­o oder in einer Partei oder in einem Gemeindera­t, wo an vielen Orten heute so dringend Nachwuchs gesucht wird. Kurzum: Sie alle haben ein Stück Deutschlan­d in Ihrer Hand!“Der Bundespräs­ident, früher Außenminis­ter,

wandte sich auch gegen Kritik, wonach es nicht genug Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d gebe. „Ganz im Gegenteil: So viel Streit war lange nicht“, sagte er. Sein 2018 an Weihnachte­n geäußerter Wunsch, man solle auch einmal mit Menschen anderer Meinung sprechen, sei in Erfüllung gegangen. Manchmal sei dies jedoch auch geschehen in Form „von hitzigen Gesprächen“– über Wahlen und Wahlergebn­isse, die Zukunft Europas sowie den Klimawande­l und was man dagegen tun kann.

Jetzt sei daher auch die Frage, wie „aus Dauerempör­ung eine ordentlich­e Streitkult­ur werden könne“und „aus Gegensätze­n Zusammenha­lt“. Auch hierbei könne die Antwort darauf nicht „von oben“kommen, sondern nur von den Bürgern selbst.

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