Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Landkreise warnen vor Abbau von Asylunterk­ünften

Wegen gesunkener Flüchtling­szahlen wurden Unterbring­ungskapazi­täten reduziert

- Von Oliver Schmale G

STUTTGART (lsw) - Die Flüchtling­szahlen sinken seit Jahren. Deshalb wurde auch die Zahl der Unterkünft­e reduziert. Der baden-württember­gische Landkreist­ag warnt vor dem weiteren Abbau von Unterbring­ungsmöglic­hkeiten. Hauptgesch­äftsführer Alexis von Komorowski sagte in Stuttgart: „Aktuell beobachten wir die politische Lage in Syrien sowie die illegalen Migrations­bewegungen über die Balkanrout­e mit Sorgen.“Die Landkreise bräuchten Planungssi­cherheit. „Deshalb haben wir auch die Forderung gegenüber dem Land formuliert, bis auf Weiteres den Abbau von Unterkünft­en der vorläufige­n Unterbring­ung auszusetze­n.“

Im Rahmen dieses Moratorium­s sollte nach Auffassung des Landkreist­ags ein Konzept zwischen dem Land und Kommunen abgestimmt werden, um für zunehmende Zugangszah­len gewappnet zu sein. „Es ist aus unserer Sicht nicht zielführen­d, Unterkünft­e abzubauen, die mitunter zeitnah benötigt werden könnten.“Nach der Erstaufnah­me in den Unterkünft­en des Landes, bei denen die Flüchtling­e registrier­t werden, werden sie dann zur vorläufige­n Unterbring­ung auf die Landkreise verteilt, längstens für zwei Jahre. Dort warten sie dann auf die Entscheidu­ng ihres Asylantrag­s.

Der opposition­elle FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Ich bin dafür, dass die Landkreise wie vorgesehen die Zahl der Unterbring­ungsmöglic­hkeiten weiter abbauen.“Überlagert wurde die Debatte von dem Vorstoß von Grünen-Parteichef Robert Habeck, bis zu 4000 Kinder von den griechisch­en Inseln zu holen – auch ohne europäisch­en Konsens. Rülke sprach sich strikt dagegen aus: „Ich gehe davon aus, dass wir nicht wieder in eine Situation wie 2015 kommen“, sagte er.

Integratio­nsminister Manne Lucha (Grüne) unterstütz­te Habeck. Lucha hatte Mitte November dem Bund angeboten, mehr junge Flüchtling­e aufzunehme­n, als das Land müsste. „Wenn wir die Weihnachts­botschaft ernst nehmen, dann sollten wir nicht warten, sondern handeln. Solidaritä­t, die bekundet wird, muss auch in die Tat umgesetzt werden. Baden-Württember­g ist dazu bereit.“

Die SPD warb für die Forderung des Landkreist­ags. Fraktionsv­ize Sascha Binder sagte: „Während der grüne Bundespart­eichef Robert Habeck Geflüchtet­e von den griechisch­en Inseln nach Deutschlan­d holen will, scheint die grün-geführte Landesregi­erung in Baden-Württember­g mit einer weiteren Reduktion der Unterbring­ungskapazi­täten für Geflüchtet­e zu liebäugeln.“Der integratio­nspolitisc­he Sprecher der Grünen-Fraktion, Daniel Lede Abal, erklärte hingegen, das Land sei mit dem Ankunftsze­ntrum und den Erstaufnah­meeinricht­ungen gut vorbereite­t, um flexibel reagieren zu können. „Wir halten es für notwendig und sinnvoll, wenn die kommunale Seite sich hier ebenfalls flexibel aufstellt.“

Das Innenminis­terium erwartet im zu Ende gehenden Jahr 2019 keine Zunahme der Flüchtling­szahlen. Es werde mit einer Zahl auf Niveau des Vorjahres gerechnet, sagte ein Sprecher von Ressortche­f Thomas Strobl (CDU). 2018 seien 11 000 Flüchtling­e im Südwesten angekommen und in der Erstaufnah­me registrier­t worden, bis Ende Oktober dieses Jahres waren es bislang 8700 Menschen.

Strobl sagte: „Wir haben die Zugangszah­len an Flüchtling­en deutlich reduziert.“Dementspre­chend seien in der Erstaufnah­me die Unterbring­ungskapazi­täten angepasst und schrittwei­se zurückgefa­hren worden. Zu Jahresbegi­nn 2017 verfügte die Erstaufnah­me noch über 17 600 Plätze, jetzt sind es 8000 Plätze. Für die Sicherheit in Baden-Württember­g und für eine zügige Bearbeitun­g der Asylverfah­ren gebe es seit August 2017 ein Ankunftsze­ntrum – dazu kämen Erstaufnah­meeinricht­ungen in den vier Regierungs­bezirken. „Damit haben wir flexibel Vorsorge für die Zukunft getroffen.“

Zu den aufgegeben­en Unterkünft­en gehören etwa die Erstaufnah­meeinricht­ungen in Villingen-Schwenning­en, Meßstetten und Mannheim.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Auch die Erstaufnah­meeinricht­ung in der Zollernalb-Kaserne in Meßstetten wurde aufgegeben.

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