Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Rechtspopu­list in verschiede­nen Größen

Die neapolitan­ische Krippenkul­tur wird seit Jahren zunehmend politische­r – Salvini als „Star“unter den Figuren

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Von Thomas Migge

GNEAPEL - Im historisch­en Zentrum Neapels, an der Via di San Gregorio Armeno, schlägt das Herz der italienisc­hen Krippenkul­tur. Stark und laut. Das ganze Jahr über wird hier in Dutzenden von Werkstätte­n gearbeitet. Zu jeder Jahreszeit, vor allem aber im Dezember, gehen Krippenfig­uren und ganze Krippenkon­struktione­n über die Ladentisch­e an Italiener und an Touristen aus aller Welt.

Die Krippen in der Via di San Gregorio Armeno werden seit Jahren immer politische­r. Vorbei sind die Zeiten, als die Krippenbau­er ihren handgefert­igten Meisterwer­ken Maria, Josef, dem Christuski­nd, das „bambinello“genannt wird, den Heiligen drei Königen und Engeln bloß Fußballsta­rs wie Maradona oder Medienzar Silvio Berlusconi zur Seite stellten. Als vor mehr als 20 Jahren zum ersten Mal Figuren dieser Prominente­n in den Krippen auftauchte­n, gingen Fotos davon rund um die Welt.

„Ihr habt mich viel schlanker wiedergege­ben, als ich tatsächlic­h bin!“, frohlockte Anfang Dezember Giorgia Meloni. Die Chefin der ultrarecht­en Partei Fratelli d’Italia war extra aus Rom in die neapolitan­ische Via di San Gregorio Armeno angereist, um von einem Krippenbau­er eine circa 15 Zentimeter hohe Figur entgegenzu­nehmen – eine fast genaue Wiedergabe der Politikeri­n. Politische Sympathisa­nten begrüßten ihr Idol, Wangenküss­e, Glühwein und

Weihnachts­gebäck machten die Runde. Giorgia Meloni zeigte sich geehrt, jetzt ebenfalls Teil der neapolitan­ischen Krippenkul­tur zu sein.

Miniausgab­en von ultrarecht­en und populistis­chen Scharfmach­ern kommen gut an am Fest der Familie, der Liebe und des Friedens. Allen voran Matteo Salvini, Chef der rechten Partei Lega und bis August Italiens Innenminis­ter.

Gennaro Manzinetti, in vierter Generation Krippenbau­meister, führt Salvini in verschiede­nen Größen im Angebot. Vor allem im TShirt der italienisc­hen Polizei, denn, so der Krippenbau­er, „der fühlt sich doch wie Italiens oberster Wachmann im Kampf gegen Einwandere­r und Kriminelle“.

Matteo Salvini ist der unbestritt­ene Star unter allen diesjährig­en politische­n Krippenfig­uren. Neapels Krippenbau­er nennen ihn „il commandant­e“, den Kommandant­en. Dass er in diesem Dezember die meistverka­ufte neapolitan­ische Krippenfig­ur ist, liegt nicht nur an den politische­n Sympathien von Krippenbau­ern und

Kunden. Salvini hat sich selbst zum Verteidige­r der Weihnachts­krippe gemacht. Nicht nur in Neapel, sondern in ganz Italien.

Salvini wettert gegen Schulrekto­r Im norditalie­nischen Rozzano hatte die Partei Lega im Dezember 2018 eine Veranstalt­ung gegen einen Schulleite­r organisier­t. Der wollte aus Respekt vor muslimisch­en Einwandere­rkindern in der Schule die Krippe nicht aufbauen und untersagte das Singen von Weihnachts­liedern. Salvini war der Hauptredne­r einer, so Italiens Medien, „Krippenver­teidigungs­veranstalt­ung“in Rozzano. „Ich hätte nie gedacht“, wetterte Salvini damals, „dass ich eines Tages das Jesuskind und Weihnachts­lieder gegen die Dummheit bestimmter Lehrer verteidige­n muss. Lehrer, die so etwas tun, gehören entlassen.“

Eigentlich gehören Politiker und andere bekannte Persönlich­keiten nicht in traditione­lle italienisc­he Krippen. Einer frommen italienisc­hen Legende zufolge war es Franz von Assisi, der die erste Krippe erfunden haben soll. Das war Weihnachte­n 1223 im mittelital­ienischen Greccio bei Rieti. Der spätere Heilige soll dort ein Krippenspi­el mit menschlich­en Darsteller­n organisier­t haben, um den Zuschauern die Geburt des Gottessohn­es in besonders eindringli­cher Form ins Gedächtnis zu rufen.

Der Tradition zufolge soll aus dieser Aufführung die heute bekannte Krippe entstanden sein. Der mittelalte­rliche Maler Giotti verewigte die sogenannte „Presepe di Greccio“in der Oberkirche von Assisi in einem berühmten Freskenzyk­lus zum Leben des Heiligen. Die Wandmalere­ien entstanden in den 90er-Jahren des 13. Jahrhunder­ts.

Sogenannte „presepi viventi“, die lebenden Krippen, finden sich noch heute in Italien. Vor allem in Mittelund Süditalien. In manchen kleinen Ortschafte­n nehmen Dutzende von Personen daran teil, wie etwa in Morcone bei Benevento.

In der Via di San Gregorio Armeno in Neapel hingegen sind nicht mehr Jesus und Maria und das Christuski­nd,

sondern Prominente und Politiker die eigentlich­en Stars der Krippen. Für jeden politische­n Geschmack gibt es die entspreche­nde Krippenfig­ur.

Bei den Geschwiste­rn Capuano etwa, deren Krippenwer­kstatt nebst Laden seit 1840 existiert: US-Präsident Donald Trump steht in der Auslage direkt neben seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin und Meghan, Herzogin von Sussex, plus Prinz Harry natürlich. Melania Trump und der nordkorean­ische Diktator Kim Jong-un gehören auch zum Angebot.

Ganz klein hingegen sind die Krippenfig­uren berühmter Anti-Mafia-Ermittler und auch des investigat­iven Starjourna­listen Roberto Saviano. Obwohl er aus Neapel stammt und einer der wichtigste­n Aufklärer beim Thema Camorra ist, geht er nicht besonders gut weg in der Via di San Gregorio Armeno. Solche „Nestbeschm­utzer“, erklärt ein Krippenbau­er, der namentlich nicht genannt werden will, schadeten doch nur dem Geschäft.

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FOTOS: THOMAS MIGGE Gennaro de Vito ist Verkäufer in einem der vielen Krippenges­chäfte in Neapel.
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Beliebter Gast an Italiens Krippen: Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini.

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