Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kreißsaal statt Hochzeitsfeier
Die frisch vermählte Kristina Hainick kommt im Brautkleid zur Entbindung ins Weingartener Krankenhaus
WEINGARTEN - Das Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten war wahrlich schon oft Schauplatz emotionaler, aufregender und herzerwärmender Geschichten. Gerade die Geburtshilfe, die nun zum 27. Dezember geschlossen wird, spielte viele Jahrzehnte eine wichtige Rolle. Eine der außergewöhnlichsten Geburten hat dabei erst in diesem Spätsommer stattgefunden. Denn am 1. September 2019 heiratete Florian Hainick seine hochschwangere 22-jährige Freundin Kristina im Bodnegger Rathaus. Doch während der eigenen Hochzeitsfeier mit 100 Gästen in der Festhalle setzten die Wehen ein. Also stand die frisch gebackene Kristina Hainick kurze Zeit später in der Geburtenstation des Weingartener Krankenhauses – und zwar im Brautkleid.
„Eine Frau im weißen Kleid. Ich kam mir vor wie im Film. Und da war auch noch die ganze Familie mit dabei“, erinnert sich Hebamme Beatrix Wagemann, die zu diesem Zeitpunkt Dienst hatte und die Hainicks aufnahm. Gerade erst hatte sie eine andere komplizierte Geburt begleitet, als die schwangere Braut eingeliefert wurde. „Das war eine witzige Situation. Das Kleid war schon etwas mitgenommen und dennoch war es ein wunderschönes Bild.“Also wurde die werdende Mama aufgenommen und konnte sich wenig später, nachdem ihr Ehemann mitsamt gepackter Tasche im Krankenhaus erschienen war, dann auch etwas zweckmäßigere Kleidung anziehen. „In 38 Jahren als Hebamme habe ich so etwas noch nicht erlebt“, sagt die 60 Jahre alte Wagemann, die ihre Schicht kurze Zeit später beendete.
Also übernahm ihre Kollegin Selina Rödiger. Auch für die 28 Jahre alte Hebamme war diese Geburt etwas Besonderes. „Das war wirklich lustig. In den Wehenpausen haben sie mir Videos von der Party gezeigt, die sie zugeschickt bekommen haben“, erinnert sie sich. Da die Geburt schnell und ohne Komplikationen über die Bühne ging, erblickte die kleine Elena, 50 Zentimeter groß und 3070 Gramm schwer, noch vor Mitternacht das Licht der Welt. Also gerade noch rechtzeitig am Hochzeitstag der Eltern, die sich aufgrund des Zahlenspiels ganz bewusst für den 1.9.2019 entschieden hatten. Umso kurioser: Elena wurde um 23.23 Uhr geboren. „Da wollte sie einfach da sein. Ich dachte, dass das gutes Timing ist“, sagt die 22-Jährige. Das besondere Datum des 1.9.2019 sei ihnen einfach wichtig gewesen, sagt Kristina Hainick. Daher hätten sie sich schon mehr als ein Jahr vorher darum gekümmert. Als die beiden dann die Nachricht bekamen, dass sie Eltern werden, wollten sie den Hochzeitstermin einfach nicht mehr verschieben. Ihnen sei zwar bewusst gewesen, dass sich beide so bedeutenden Ereignisse überschneiden könnten. Anfangs habe man daran aber einfach nicht glauben wollen, so die medizinische Fachangestellte. „Alle haben mir gesagt, dass es so kommen wird, aber ich konnte mir das nicht vorstellen“, sagt sie.
Doch bereits am Morgen des großen Tages habe sie gespürt, dass etwas anders war. Doch zunächst lief alles nach Plan. Das Paar gab sich um 11 Uhr im Bodnegger Rathaus standesamtlich das Jawort. Da die beiden auf eine kirchliche Trauung verzichteten, ging es um 15 Uhr mit der Feier weiter. Rund 100 Gäste waren in die Festhalle in Bodnegg gekommen. Doch bereits kurze Zeit später setzten die Wehen ein. Eine Zeitlang ließ sich die Braut nichts anmerken, sodass sie zumindest noch etwas zu Abend aß, um gestärkt in die Nacht zu gehen. „Alle haben gesagt, dass sie mir das nicht angesehen haben und ich wollte eben so lange wie möglich da bleiben“, sagt Kristina Hainick.
Doch dann verkürzte sich der Abstand zwischen den einzelnen Wehen, weswegen sich Kristina Hainick gegen 17.30 Uhr vom Trauzeugen ihres Mannes nach Weingarten ins 14 Nothelfer fahren ließ, während ihr Ehemann mit seiner Mutter die Tasche von zu Hause holte. „Als ich in den Wehen lag, haben die Gäste weitergefeiert und darauf gewartet, dass die Kleine kommt“, erzählt sie.
Und als die frohe Kunde sich dann auch bis in die Festhalle nach Bodnegg verbreitet hatte, intonierten die Gäste, die dort bis 1 Uhr nachts feierten, spontan „Happy Birthday“und schickten das Video an die frisch gebackenen Eltern. Familie und Freunde seien dann aber erst am nächsten Tag ins Krankenhaus nach Weingarten gekommen. Dass sich die Hainicks für eine Entbindung im 14 Nothelfer entschieden hatten, lag im übrigen vor allem an Florian Hainick. Der 28 Jahre alte Pressenführer wurde selbst in diesem Krankenhaus geboren. Daher sollte auch die kleine Elena eine gebürtige Weingartenerin werden. „Das war meinem Mann ganz wichtig“, sagt Kristina Hainick, die sich in den Weihnachtstagen noch einmal Fotos und Videos von Geburt und Hochzeit genauer anschauen möchte. Denn keines der beiden Ereignisse will das Ehepaar missen, auch wenn die 22-Jährige zugibt: „In dem Moment war mir meine Tochter schon wichtiger. Die Hochzeit lief eher nebenher. Es ist zwar schade, dass wir die Feier verpasst haben. Aber dafür haben wir mit Elena ein unvergleichliches Hochzeitsgeschenk bekommen. Sie ist unser Ein und Alles.“
Das kann ihr Mann Florian unterstreichen. Neben dem unvergleichlichen und wunderschönen Tag hat er bereits einen weiteren Vorteil ausgemacht: „Mein Mann meinte bereits, dass er so wohl nie den Hochzeitstag vergessen wird“, sagt Kristina Hainick und lacht.