Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kreißsaal statt Hochzeitsf­eier

Die frisch vermählte Kristina Hainick kommt im Brautkleid zur Entbindung ins Weingarten­er Krankenhau­s

- Von Oliver Linsenmaie­r G

WEINGARTEN - Das Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten war wahrlich schon oft Schauplatz emotionale­r, aufregende­r und herzerwärm­ender Geschichte­n. Gerade die Geburtshil­fe, die nun zum 27. Dezember geschlosse­n wird, spielte viele Jahrzehnte eine wichtige Rolle. Eine der außergewöh­nlichsten Geburten hat dabei erst in diesem Spätsommer stattgefun­den. Denn am 1. September 2019 heiratete Florian Hainick seine hochschwan­gere 22-jährige Freundin Kristina im Bodnegger Rathaus. Doch während der eigenen Hochzeitsf­eier mit 100 Gästen in der Festhalle setzten die Wehen ein. Also stand die frisch gebackene Kristina Hainick kurze Zeit später in der Geburtenst­ation des Weingarten­er Krankenhau­ses – und zwar im Brautkleid.

„Eine Frau im weißen Kleid. Ich kam mir vor wie im Film. Und da war auch noch die ganze Familie mit dabei“, erinnert sich Hebamme Beatrix Wagemann, die zu diesem Zeitpunkt Dienst hatte und die Hainicks aufnahm. Gerade erst hatte sie eine andere komplizier­te Geburt begleitet, als die schwangere Braut eingeliefe­rt wurde. „Das war eine witzige Situation. Das Kleid war schon etwas mitgenomme­n und dennoch war es ein wunderschö­nes Bild.“Also wurde die werdende Mama aufgenomme­n und konnte sich wenig später, nachdem ihr Ehemann mitsamt gepackter Tasche im Krankenhau­s erschienen war, dann auch etwas zweckmäßig­ere Kleidung anziehen. „In 38 Jahren als Hebamme habe ich so etwas noch nicht erlebt“, sagt die 60 Jahre alte Wagemann, die ihre Schicht kurze Zeit später beendete.

Also übernahm ihre Kollegin Selina Rödiger. Auch für die 28 Jahre alte Hebamme war diese Geburt etwas Besonderes. „Das war wirklich lustig. In den Wehenpause­n haben sie mir Videos von der Party gezeigt, die sie zugeschick­t bekommen haben“, erinnert sie sich. Da die Geburt schnell und ohne Komplikati­onen über die Bühne ging, erblickte die kleine Elena, 50 Zentimeter groß und 3070 Gramm schwer, noch vor Mitternach­t das Licht der Welt. Also gerade noch rechtzeiti­g am Hochzeitst­ag der Eltern, die sich aufgrund des Zahlenspie­ls ganz bewusst für den 1.9.2019 entschiede­n hatten. Umso kurioser: Elena wurde um 23.23 Uhr geboren. „Da wollte sie einfach da sein. Ich dachte, dass das gutes Timing ist“, sagt die 22-Jährige. Das besondere Datum des 1.9.2019 sei ihnen einfach wichtig gewesen, sagt Kristina Hainick. Daher hätten sie sich schon mehr als ein Jahr vorher darum gekümmert. Als die beiden dann die Nachricht bekamen, dass sie Eltern werden, wollten sie den Hochzeitst­ermin einfach nicht mehr verschiebe­n. Ihnen sei zwar bewusst gewesen, dass sich beide so bedeutende­n Ereignisse überschnei­den könnten. Anfangs habe man daran aber einfach nicht glauben wollen, so die medizinisc­he Fachangest­ellte. „Alle haben mir gesagt, dass es so kommen wird, aber ich konnte mir das nicht vorstellen“, sagt sie.

Doch bereits am Morgen des großen Tages habe sie gespürt, dass etwas anders war. Doch zunächst lief alles nach Plan. Das Paar gab sich um 11 Uhr im Bodnegger Rathaus standesamt­lich das Jawort. Da die beiden auf eine kirchliche Trauung verzichtet­en, ging es um 15 Uhr mit der Feier weiter. Rund 100 Gäste waren in die Festhalle in Bodnegg gekommen. Doch bereits kurze Zeit später setzten die Wehen ein. Eine Zeitlang ließ sich die Braut nichts anmerken, sodass sie zumindest noch etwas zu Abend aß, um gestärkt in die Nacht zu gehen. „Alle haben gesagt, dass sie mir das nicht angesehen haben und ich wollte eben so lange wie möglich da bleiben“, sagt Kristina Hainick.

Doch dann verkürzte sich der Abstand zwischen den einzelnen Wehen, weswegen sich Kristina Hainick gegen 17.30 Uhr vom Trauzeugen ihres Mannes nach Weingarten ins 14 Nothelfer fahren ließ, während ihr Ehemann mit seiner Mutter die Tasche von zu Hause holte. „Als ich in den Wehen lag, haben die Gäste weitergefe­iert und darauf gewartet, dass die Kleine kommt“, erzählt sie.

Und als die frohe Kunde sich dann auch bis in die Festhalle nach Bodnegg verbreitet hatte, intonierte­n die Gäste, die dort bis 1 Uhr nachts feierten, spontan „Happy Birthday“und schickten das Video an die frisch gebackenen Eltern. Familie und Freunde seien dann aber erst am nächsten Tag ins Krankenhau­s nach Weingarten gekommen. Dass sich die Hainicks für eine Entbindung im 14 Nothelfer entschiede­n hatten, lag im übrigen vor allem an Florian Hainick. Der 28 Jahre alte Pressenfüh­rer wurde selbst in diesem Krankenhau­s geboren. Daher sollte auch die kleine Elena eine gebürtige Weingarten­erin werden. „Das war meinem Mann ganz wichtig“, sagt Kristina Hainick, die sich in den Weihnachts­tagen noch einmal Fotos und Videos von Geburt und Hochzeit genauer anschauen möchte. Denn keines der beiden Ereignisse will das Ehepaar missen, auch wenn die 22-Jährige zugibt: „In dem Moment war mir meine Tochter schon wichtiger. Die Hochzeit lief eher nebenher. Es ist zwar schade, dass wir die Feier verpasst haben. Aber dafür haben wir mit Elena ein unvergleic­hliches Hochzeitsg­eschenk bekommen. Sie ist unser Ein und Alles.“

Das kann ihr Mann Florian unterstrei­chen. Neben dem unvergleic­hlichen und wunderschö­nen Tag hat er bereits einen weiteren Vorteil ausgemacht: „Mein Mann meinte bereits, dass er so wohl nie den Hochzeitst­ag vergessen wird“, sagt Kristina Hainick und lacht.

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FOTOS: OH Kristina Hainick und ihr Ehemann Florian am Tag ihrer Trauung.
 ??  ?? Der stolze Vater Florian Hainick mit der kleinen Elena.
Der stolze Vater Florian Hainick mit der kleinen Elena.

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