Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Magische Momente in der Zirkusmanege
Premieren-Vorstellung des Ravensburger Weihnachtscircus vergeht wie im Flug
Von Carolin Steppat
GRAVENSBURG - Spektakulär und zauberhaft startet der Ravensburger Weihnachtscircus in seine diesjährige Saison. Zum zwölften Mal schafft es Zirkusdirektor Elmar Kretz mit seinen Artisten die Zuschauer in den Bann zu ziehen.
Wenn sich der Vorhang am Ende der Show ein letztes Mal hebt und sich alle Artisten verneigen, ist man überrascht. Kann es sein, dass die mehr als zwei Stunden Zirkus so schnell vorbei gegangen sind? Es ist ein gutes Zeichen, beweist es doch, dass dem Zirkusdirektor wieder einmal gelungen ist, etwas ganz Besonderes auf die Beine zu stellen. Was die Artisten um Kretz, seien es Zweibeiner oder Vierbeiner, auf die Bühne bringen, ist nicht eine Sekunde langweilig, sondern spannend bis zum Schluss.
Eine Augenweide in mehrfacher Hinsicht sind die Auftritte der Saabel-Family. Nicht nur wegen der sibirischen Huskys und schneeweißen Samojeden-Spitzhunden, mit denen sie eine Dressur zeigen. Gleich in mehreren Nummern bringt die italienische Artistenfamilie Szenen auf die Bühne, die wie von dieser Welt entrückt sind. Befindet man sich mit der Hunde-Dressur soeben noch in winterlichen Gefilden mitsamt Schlitten, verzaubern die Damen im nächsten Moment mit einer magischen Nummer zu „Alice im Wunderland“. Die Kostüme allein sind eine Nummer für sich, mit Anklängen an den düster-glamourösen Steampunk-Stil, verziert mit viel Metall und entworfen von Artistin Alexandra Saabel persönlich. Man kann sich daran nicht sattsehen. Nur kurze Zeit später zeigt ihre Schwester Kelly Saabel ihr Können der Equilibristik, indem sie sich scheinbar mühelos verbiegt und zugleich noch Pfeil und Bogen abschießt – wohlgemerkt mit den Füßen, während sie sich im Handstand befindet. Die jüngste Tochter der Saabel-Familie, Jennifer, steht ihrer Schwester übrigens in nichts nach, als sie in einer indianisch angehauchten Akrobatiknummer kopfüber und in geradezu abenteuerlichen Posen jongliert.
Doch was wäre ein Zirkus ohne Clown. Hier hat sich Kretz den Italiener Jimmy Folco in die Manege geholt, ein Meister seines Faches, der mühelos eine besondere Verbindung zum Publikum knüpft. Sei es im kleinen Schlagabtausch mit dem charmanten und ebenso gewitzten Conférencier David Paschke, beim
Haifischangriff im Planschpool oder indem er Zuschauer in die Manege holt, um einen Boxkampf nachzustellen. Das Publikum johlt bei der Premiere vor Freude.
Und immer mit wachsamem Blick dabei ist Elmar Kretz, der Zirkusdirektor. Ganz genau beobachtet er, was auf der Bühne vor sich geht. Die Frage, ob er nervös sei, verneint er: „Wir haben viel geprobt und sind gut vorbereitet.“Dann muss er auch schon wieder weiter. Omnipräsent, wie ein Zirkusdirektor sein muss, schaut er, dass die Mitarbeiter in der Pause etwas zu Essen bekommen, spricht mit Zuschauern, deren Kinder als Geburtstagsüberraschung in der Manege mitwirken durften, telefoniert mit der Technik hinter der Bühne. Und nicht zuletzt steht der Meister selbst in der Manege mit seiner legendären Pferdedressur, die jedes Jahr erneut beeindruckt.
Eine Premiere gibt es dieses Jahr übrigens auch, und zwar für Kretz’ Tochter Milena. Während die erst Elfjährige letztes Jahr noch eine Ponydressur gezeigt hatte, wagt sie sich dieses Jahr erstmals mit einer eigenen Pferdedressur in die Manege. Es klappt perfekt und das Publikum spendet gerne großen Applaus für die jüngste aller Künstlerinnen.
Ihr Können zeigen auch die Akrobaten der ukrainischen Circus-Theater-Gruppe Bingo. Die aus Kiew stammende Zirkustruppe wurde zuletzt beim Internationalen CircusFestival in Monte Carlo 2018 mit dem „Bronzenen Clown“ausgezeichnet. Völlig zurecht, wie sich zeigt. Ob mit spektakulärer Körperbeherrschung auf dem Boden oder rasanter Akrobatik am Vertikalseil: Das Publikum tobt und spendet den Artisten viel Applaus. Großes Staunen ruft auch die Hochseilnummer der Truppe Mesa hervor. Den vier todesmutigen Kolumbianern um Truppenchef Jordan Mesa gelingt es nicht nur auf Stühlen in luftiger Höhe zu balancieren, sondern ebendort auch in einer wagemutigen Dreierformation das Gleichgewicht zu halten. Das Luftkissen, vorbereitet um eventuelle Stürze abzufedern, bleibt unberührt.
Sinnliche Zweierakrobatik bringen der Franzose Kevin und die Tschechin Julia ins Zirkuszelt. Die beiden arbeiten seit mehr als zehn Jahren zusammen. Die Fähigkeiten der Künstler, ihre Körper vollständig zu kontrollieren und dabei federleicht zu wirken, überzeugt die Zuschauer. Sei es bei der Partner-Boden-Akrobatik oder am Vertikalseil. Auch sie bekommen viel Beifall.
Die Premiere ist vorbei und das hervorragende Orchester unter Kapellmeister Roman Mariash begleitet die rund 1500 Zuschauer schwungvoll nach draußen. Am Ausgang wartet schon Elmar Kretz, um aus den Gesichtern der Zuschauer abzulesen, ob es ihnen gefallen hat. Das steht außer Frage. Man möchte dem Zirkusdirektor einfach nur die Hand schütteln und Danke sagen für mehr als zwei zauberhafte Stunden Unterhaltung. Und genau das tun zahlreiche Zuschauer, als sie das Zirkuszelt verlassen.
Der Zirkus gastiert noch
auf dem Platz an der Oberschwabenhalle in Ravensburg. Karten gibt es unter