Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wer sagt hier die Wahrheit?

Angeklagte­r bestreitet Erpressung und Drogenhand­el mit Jugendlich­en

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Von Kerstin Schwier

GBODENSEEK­REIS - Ein Angeklagte­r, der alle Vorwürfe von sich weist, zwei Zeugen, von denen der eine unter massivsten Erinnerung­slücken leidet und der andere widersprüc­hliche Angaben macht: Richter, Staatsanwa­lt und Schöffen hatten es am Montagmorg­en am Amtsgerich­t Tettnang nicht leicht, die Wahrheit herauszufi­nden. Licht ins Dunkel soll nun die Vernehmung eines weiteren Zeugen bringen. Daher wurde ein neuer Verhandlun­gstermin für den 8. Januar anberaumt.

Dem 43- jährigen Angeklagte­n aus dem Bodenseekr­eis wird gewerbsmäß­iger Handel mit Betäubungs­mitteln, Körperverl­etzung und räuberisch­e Erpressung zur Last gelegt. Im Herbst 2017 soll er Drogen an einen Minderjähr­igen verkauft oder ihm zum Gebrauch überlassen haben. Einen weiteren jungen Mann soll er geschlagen, erpresst und mit dem Tod bedroht haben. Diese beiden jungen Männer waren am Montag als Zeugen geladen und hinterließ­en zum Teil etwas ratlose Gesichter bei den anderen Prozessbet­eiligten. „Das war jetzt aber mehr als dürftig“, kommentier­te Richter Peter Pahnke die Aussage des ersten Zeugen, dem Pahnke immer wieder mit Auszügen aus den Polizeiakt­en auf die Sprünge helfen musste. Der junge Mann hat dem Angeklagte­n, den er nur unter dem Spitznamen eines bekannten Drogenboss­es kennt, in mindestens zehn Fällen Marihuana verkauft. Als der Zeuge im Januar 2018 auf der Damentoile­tte einer Ravensburg­er

Gaststätte gerade ein anderes Drogengesc­häft tätigte, kam der Angeklagte hinzu, ohrfeigte den jungen Mann, machte ein Foto von ihm und forderte 100 Euro. Bei Nichtzahlu­ng werde er das Foto an einen Bekannten schicken, der ihn umbringen solle.

Er wolle sich nicht selbst die Hände schmutzig machen, zitierte Richter Pahnke die frühere Aussage des Opfers aus dem Polizeiber­icht. „Ich habe eine gescheuert gekriegt, mehr weiß ich nicht“, erklärte der junge Mann nun vor Gericht. Er leide seit einem Verkehrsun­fall unter teilweisem Gedächtnis­verlust und könne sich an manches nur bruchstück­haft erinnern. Zudem seien ihm bereits in früheren Jahren Wahrnehmun­gsstörunge­n ärztlich attestiert worden. „Ich hatte Angst vor dir. Du hast mich benutzt, um an Geld zu kommen und mich auszubeute­n. Ich war jung und dumm und manipulier­bar“, mit diesen Worten wandte sich der zweite Zeuge, mittlerwei­le 17 Jahre alt, direkt an den Angeklagte­n. Über dessen Sohn, mit dem er häufiger einen Joint rauchte, hat er den Angeklagte­n kennengele­rnt. Der damals 14-Jährige kaufte mehrfach Marihuana bei dem Angeklagte­n oder konsumiert­e es gemeinsam mit diesem. „Er hat mir angeboten, für ihn zu arbeiten, dass er mir Schutz

Ein Zeuge bietet. Aber wenn ich zur Polizei gehe, bringt er meine Familie um. Dass ich in der Zeit leiden muss. Und wenn er aus dem Knast kommt, bringt er mich um“, erklärte der Teenager. Aus Angst habe er sich auf das Geschäft eingelasse­n, habe die Drogen aber selbst bezahlt, weil er keine Abnehmer dafür kannte. „Ich wollte auf cool tun, ich kannte diese Welt doch gar nicht“, beteuerte der junge Mann. Sein Taschengel­d und Geburtstag­sgeld habe er dafür verwendet.

„Das ist doch alles Quatsch, was Sie hier sagen. Sie widersprec­hen sich in einer Tour“, entfuhr es daraufhin Rechtsanwä­ltin Nicole Pfuhl, da der Zeuge einiges anders wiedergebe als in seiner ersten Befragung. Von Richter Pahnke etwa nach einem speziellen Begrüßungs­ritual befragt – angeblich hatte der Angeklagte einen Handkuss eingeforde­rt –, konnte der Zeuge darüber nichts mehr sagen. „Ich habe noch nie Drogen an Jugendlich­e verkauft. Er war sauer, weil ich ihn beim Rauchen mit meinem Sohn erwischt habe“, erklärte der Angeklagte. Der nächste Verhandlun­gstermin ist am 8. Januar.

„Du hast mich benutzt, um an Geld zu kommen und mich auszubeute­n. Ich war jung und dumm und manipulier­bar.“

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