Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn das Leben total aus den Fugen geraten ist

Warum eine Kressbronn­erin sich nicht über Weihnachte­n freut und wie der Härtefond der Gemeinde hilft

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Von Brigitte Geiselhart

GKRESSBRON­N - Heiligaben­d ist da. Endlich ist der vorweihnac­htliche Stress vorbei. Ruhe, Besinnlich-keit und Vorfreude auf Weihnachte­n bestimmen den Tagesablau­f. Es gibt aber auch Menschen, denen heute gar nicht zum Feiern zumute ist. Menschen wie Sabine M. (Name von der Redaktion geändert.) „Ich werde versuchen, Weihnachte­n irgendwie zu gestalten – schon wegen der Kinder“, sagt die 41-jährige Kressbronn­erin unter Tränen. „Aber mir ist wirklich nicht danach.“

Das Schicksal hat es mit Sabine M. nicht gut gemeint. Dabei schien vor gut zehn Jahren alles in Ordnung zu sein. Ein vermeintli­ch glückliche­s Ehepaar, zwei kleine Kinder, eine schöne Wohnung, geordnete Verhältnis­se – was will man mehr. „Ein tolles Leben“, sagt Sabine M. aus heutiger Sicht. Doch dann kam alles ganz anders, ein ungeahnter Leidensweg begann. Ihr Mann ließ Frau und Kinder sitzen. Unterhalts­zahlungen? Pustekuche­n. Obwohl ihr Ex-Mann einen festen Job hat, muss das Geld bis heute immer wieder eingeklagt werden. Was im Umkehrschl­uss heißt, dass Sabine M. und ihre beiden Kinder oft monatelang finanziell auf dem Trockenen sitzen.

Doch das ist nur ein Teil des Problems. Sabine M. ist seit Jahren schwer krank. Wegen ihrer chronische­n Arthrose wurde sie schon zigmal operiert, sie leidet an zahlreiche­n Allergien und hat schon mehrere Tumorerkra­nkungen über sich ergehen lassen müssen. Was sie als Mutter aber noch schwerer ertragen kann, ist die Tatsache, dass ihr Sohn ebenfalls chronisch krank ist und dauerhaft pflegerisc­he Unterstütz­ung braucht.

Zu allem Übel flatterte vor wenigen Wochen eine „betriebsbe­dingte

Kündigung“ihres Arbeitgebe­rs, dem sie 20 Jahre lang als Montagehel­ferin die Treue gehalten hatte, ins Haus. „Jemanden, der wegen Krankheit so oft gefehlt hat, kann man einfach nicht mehr brauchen“, sagt Sabine M. und ringt wieder mit den Tränen.

„Was macht eine Mama? Sie kämpft.“Nein, gehenlasse­n will sich die 41-Jährige wirklich nicht. „Man kann nicht leben, aber man darf auch nicht sterben, das ist man seinen Kindern schuldig“, sagt sie. „Ich möchte arbeiten und die Frührente vermeiden. Vielleicht klappt es ja auch mit einer Umschulung über die Agentur für Arbeit.“

Natürlich fehlt es hinten und vorne an Geld. Schulden belasten. „Mein Sohn hat viele Essensunve­rträglichk­eiten. Er braucht glutenfrei­e Kost, und die ist vergleichs­weise extrem teuer“, nennt Sabine M. ein Beispiel für erhöhte Kosten. Umso dankbarer ist sie dafür, dass ihr der soziale Härtefonds der Gemeinde Kressbronn finanziell ein wenig unter die Arme greift. „Dafür kaufe ich mir als Erstes eine Busfahrkar­te, eine Mensa-Karte für die Schule und bezahle die Stromrechn­ung. Und dann reicht’s vielleicht auch noch für einen kleinen Weihnachts­baum“, sagt sie mit großer Freude.

„Wenn jemand in einer Schieflage ist und uns als Gemeinde um Hilfe bittet, dann haben wir immer ein offenes Ohr. Es ist auch ein Anliegen von Bürgermeis­ter Daniel Enzensperg­er, in solchen Fällen schnell pragmatisc­he und gute Lösungen zu finden“, erklärt Franziska Giehrl, Sachgebiet­sleiterin Bürgerserv­ice / Soziales, und verweist darauf, dass in diesem Jahr 44 bedürftige Erwachsene und 17 Kinder mit einer Weihnachts­gabe bedacht wurden, um sich den einen oder anderen kleinen Wunsch erfüllen zu können.

„Ich schäme mich so für meine Situation“, sagt Sabine M., der das Sprechen sichtlich schwerfäll­t. Ihre eigene Mutter hat sie schon früh verloren. Ihr Vater starb, kurz nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde. „Ich hab‘ niemand zum Reden“, sagt sie. „Mitleid will ich keins. Nur ein ganz normales Leben.“

Heute ist Heiligaben­d. Kein leichter Tag für Sabine M. und ihre beiden Kinder.

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FOTO: WGH Die Szene ist nachgestel­lt: So in etwa lief ein Gespräch von Sabine M. mit Franziska Giehrl (Sachgebiet­sleiterin Bürgerserv­ice und Soziales der Gemeinde Kressbron). Umso dankbarer ist sie für die Unterstütz­ung, die sie aus dem sozialen Härtefonds erhalten hat.

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