Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gartenscha­u-Gegner vergleicht Stadträtin mit Nazis

Angelika Rundel und Katrin Dorfmüller wehren sich – Weitere Geschäfte fälschlich als Unterstütz­er gelistet

- Von Julia Baumann G

LINDAU - Michael Zeller erzählt in einem TV-Beitrag des ORF, dass er wegen des Bürgerbege­hrens gegen die Lindauer Gartenscha­u massiv unter Druck gesetzt werde. Eine SPD-Stadträtin vergleicht er dabei mit den Nazis, weswegen Angelika Rundel und Katrin Dorfmüller rechtliche Schritte einleiten. Indes melden sich immer mehr Lindauer Geschäfte, die von den Initiatore­n des Bürgerbege­hrens fälschlich­erweise als Unterstütz­er gelistet wurden.

„Wir stehen hier unter einem Druck, den ich in dieser Art noch nie erlebt habe“, sagt Zeller im O-Ton. „Es erinnert sehr an vor 1945.“Auf Nachfrage der Reporterin, ob er die Einschücht­erungsvers­uche tatsächlic­h mit dem Dritten Reich vergleiche, sagt Zeller wörtlich: „Es gab eine SPD-Stadträtin, die gesagt hat: Kauf nicht auf der Insel auf. Also wissen Sie, das ,Kauft nicht bei den Juden’, das war ziemlich ähnlich.“

Die beiden SPD-Stadträtin­nen Angelika Rundel und Katrin Dorfmüller sind im Gespräch mit der SZ am Sonntagnac­hmittag außer sich. Für sie ist ganz klar: Sie werden sich wehren. „Wir werden rechtliche Schritte einleiten“, sagt Angelika Rundel. Das Verhalten Zellers bezeichnet sie als rufschädig­end, beleidigen­d und verleumden­d. „Man fragt sich, wie weit es in dieser Stadt gekommen ist.“

Als die Anwältin Katrin Dorfmüller von dem TV-Beitrag erfahren hat, hat sie sich am Sonntag sofort in ihre Kanzlei gesetzt und ein Schreiben an die Staatsanwa­ltschaft Kempten verfasst. „Da soll jetzt gegen jede erdenklich­e Straftat ermittelt werden.“Katrin Dorfmüller fühlt sich von der Aussage Zellers in ihrer Ehre gekränkt. „Ich bin immer aufgestand­en gegen Faschisten“, sagt sie. Dass Zeller sie mit Nazis vergleiche, mache sie zutiefst betroffen. „Er weiß ganz genau, was er da sagt. Das geht gar nicht.“

Sowohl Angelika Rundel als auch Katrin Dorfmüller versichern, dass sie nie dazu aufgerufen haben, Geschäfte auf der Insel zu boykottier­en. Angelika Rundel habe Geschäftsi­nhabern, die sich am Bürgerbege­hren beteiligen, persönlich gesagt, dass sie dort nicht mehr einkaufen werde. Und Katrin Dorfmüller habe Geschäftsl­euten, die fälschlich­erweise als Unterstütz­er des Bürgerbege­hrens gelistet waren, geraten, sich zu wehren. „Ich bin Insulaneri­n mit Herzblut“, sagt Katrin Dorfmüller, deren Kanzlei sich auf der Insel befindet. „Ich versuche höchstens, für die Gartenscha­u zu werben.“

Auch Ulrich Wiedemann ist in dem Beitrag zu sehen. Lindau brauche keine Bustourist­en, die in Lindau sowieso kein Geld liegen lassen, sagt er dem ORF. Jürgen Widmer,

Pressespre­cher der Stadt, verteidigt in dem Beitrag das Parkraumko­nzept der Stadt. Zellers Vergleich mit dem Dritten Reich bezeichnet Widmer als „äußerst deplatzier­t“. Im Gespräch am Sonntagmit­tag sagt er, die Stadt sei über Zellers Aussage entsetzt. „Wie Herr Zeller zu dieser Einschätzu­ng kommt, ist mir unbegreifl­ich. Der Holocaust darf nicht relativier­t werden.“Durch Äußerungen wie die von Michael Zeller nehme auch die Demokratie an sich extrem großen Schaden. „Durch diese Art der Verunglimp­fung wird es immer schwierige­r, Menschen dazu zu motivieren, sich zu engagieren.“

In der Zwischenze­it melden sich immer mehr Geschäfte, die auf der Homepage des Bürgerbege­hrens fälschlich­erweise als Unterstütz­er gelistet gewesen sein sollen. Wie bereits berichtet, waren dort das Restaurant Valentin und das „Blumenzimm­er“

als Auslageort für die Unterstütz­erlisten auf der Webseite verzeichne­t. Dabei lagen dort keine Listen aus. In der Facebookgr­uppe „Du weißt, dass Du aus Lindau bist...“melden sich nun auch die Betreiber des Theatercaf­és zu Wort. Auch sie seien als Auslageort genannt gewesen, obwohl sie keine Unterschri­ftenlisten im Café bereithiel­ten. Ebenso erging es offenbar dem Café Hugo. Die Cafébetrei­ber hätten zwar Listen erhalten, wie sie schreiben, diese aber nicht ausgelegt.

Ulrich Wiedemann widerspric­ht dem. „Richtig ist, dass beide Cafes (Hugo und Theatercaf­e) Listen ausliegen hatten und auch etliche Unterstütz­er unterschri­eben hatten“, schreibt er. Er mutmaßt, dass die Cafébetrei­ber die Listen auf Druck der Gäste nun weggeräumt haben.

Fakt ist, dass die Cafés ebenso wie das Restaurant Valentin und das Blumenzimm­er

von der Homepage der Gartenscha­ugegner verschwund­en sind.

Laut ORF habe die Stadt zugegeben, dass der Bürgerents­cheid aller Voraussich­t nach stattfinde­n werde. Dies bestätigt Widmer auf Nachfrage nicht: „Wir haben zur Zulässigke­it gar nichts gesagt.“Wie berichtet, bekräftigt­e die Stadt gegenüber der SZ, dass sie das Bürgerbege­hren für unzulässig hält.

Mittlerwei­le haben die Initiatore­n des Bürgerbege­hrens 1000 Unterschri­ften gesammelt, wie Ulrich Wiedemann am Sonntag mitteilt. „Trotz aller Anfeindung­en“, wie er es formuliert. Während der Feiertage wollen die Initiatore­n des Bürgerbege­hrens laut Widemann keine weiteren Unterschri­ften sammeln. „Wir werden, jetzt zu den besinnlich­en Tagen, eine Pause einlegen und unsere Listen Anfang Januar wieder auslegen.“

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ARCHIVFOTO: JULE Michael Zeller betreibt auf der Insel ein Auktionsha­us und gehört zu den Initiatore­n des Bürgerbege­hrens gegen die Gartenscha­u.

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