Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gescheitertes Experiment
Es gibt drei Witze, die über den VfB Stuttgart kursieren. 1. Mir kennet alles, außer Fußball. 2. Mir kennet nix, außer Trainer entlassa. 3. Woisch Du, was dr Onterschied isch zwischa Marienkäfer ond em VfB? Marienkäfer hand mehr Punkte. Das Schlimme für den Zweitligisten ist: An allen Witzen ist etwas dran. Nichts konnte der VfB im zu Ende gehenden Jahrzehnt so gut wie: Trainer entlassen. Die Demission von Tim Walter war die neunzehnte (!!!) seit der Meisterschaft 2007, und natürlich lag auch sie an den Punkten: Nur elf Zähler in den zurückliegenden zehn Partien – mit so einem Schnitt spielt man normalerweise gegen den Abstieg.
Womit wir bei Witz Nr. 1 wären: Der unorthodoxe, fast experimentelle Fußball, den Walter spielen ließ, war nicht erstligatauglich. Wer einen derart offensiven Stil wie Walter oder Vorvorgänger Alexander Zorniger erfolgreich umsetzen will, braucht extrem starke, schnelle Innenverteidiger. Die hatte ein Pep Guardiola beim FC Bayern, Walter hatte sie nicht. Wer dann noch Chancen en masse vergibt, braucht sich nicht wundern, wenn er scheitert. Es ist die Tragik des Tim Walter, dass er wohl noch im Amt wäre, wären nicht fünf Treffer von Mario Gomez, den der Coach lange wegen fehlender Systemkompatibilität verschmäht hatte, wegen des Videobeweises annulliert worden. So ist sein Aus auch eine weitere Niederlage für Sportchef Thomas Hitzlsperger, der den Ex-Kieler geholt hatte.
Wie es weitergeht in Stuttgart? „Alle Zeichen stehen auf Anfang“, witzelte der „kicker“, weil Markus Anfang der Nachfolger sein könnte. Im Ernst: Der VfB hat hochtalentierte Spieler. Ein Trainer mit handelsüblichem System dürfte beim Ziel Aufstieg helfen.