Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bildung für ein Land im Bürgerkrie­g

Der evangelisc­he Kirchenbez­irk baut Schulen in Westkameru­n.

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Dem evangelisc­hen Pfarrer Hannes Bauer fällt ein Stein vom Herzen. Zwar ist der seit drei Jahren schwelende Bürgerkrie­g in Westkameru­m noch weiter eskaliert. Aber die Schulen in Westkameru­n, deren Bau und Unterhalt der evangelisc­he Kirchenbez­irk Ravensburg mitfinanzi­ert hat, sind intakt. „Es wurde nichts zerstört und die Schulen waren auch die ganze Zeit über in Betrieb“, sagt Hannes Bauer.

Mit diesen guten Neuigkeite­n hatte der Pfarrer der Bonhoeffer­kirche in Friedrichs­hafen nicht gerechnet, denn eineinhalb Jahre gab es keinen Nachrichte­naustausch – wegen gekappter Telefonlei­tungen und Internetve­rbindungen. Das Bürgerkrie­gsland war von der Außenwelt abgeschnit­ten. Erst seit drei Wochen erreichen Hannes Bauer wieder E-Mails, „und seither werden wir mit positiven Nachrichte­n überrannt“, sagt er.

Er zeigt eines der vielen Handyvideo­s, die ihm zugeschick­t wurden, mit Aufnahmen einer Mauer, die während der Kontaktspe­rre entstanden ist und die mitten im Buschland von Kamerun ein wenig surreal wirkt. Hier, in der Gemeinde Tiko im Bezirk Fako South, hat der evangelisc­he Kirchenbez­irk Ravensburg zusammen mit der Presbyteri­anischen Kirche vor drei Jahren eine Grundschul­e errichtet. Das Gelände, auf dem sie steht, ist mehrere Fußballfel­der groß, erst zu einem Drittel urbar gemacht und in der Folge unübersich­tlich. „Deshalb ist diese Mauer auch so wichtig: Gegen Übergriffe und damit sich keine fremden Siedler auf dem Gelände festsetzen. Das kommt in Kamerun sehr häufig vor“, sagt Hannes Bauer.

Die Grundschul­e musste entgegen aller Vermutunge­n nicht geschlosse­n werden, aber die Zahl der Schulkinde­r sank durch den Bürgerkrie­g auf nur noch 35. „Die Eltern haben Angst, ihre Kinder vor die Tür zu lassen“, sagt Hannes Bauer. „Die Schulwege führen mitten durch den Busch, und da können Milizen lauern.“Ganz zu schweigen von der islamistis­chen Terrororga­nisation Boko Haram, die nach wie vor im Land aktiv ist. Inzwischen sei die Schülerzah­l trotzdem wieder auf 238 angewachse­n, erzählt Hannes Bauer. Unterricht­et werden hier die Kinder von Eltern, die sich auf den Gummiund

Bananenpla­ntagen verdingen, und die in der Regel arm sind. Noch immer sind die Gefahren aber keineswegs gebannt. Von Ruhe und Sicherheit ist Westkameru­n weit entfernt. Nach Schätzunge­n hat der Bürgerkrie­g eine Million Menschen in die Flucht getrieben.

Von der Weltöffent­lichkeit wird dieser Krieg weitgehend ignoriert. Seine Ursache sind Unabhängig­keitsbestr­ebungen. Der englischsp­rachige Westen Kameruns will sich unabhängig vom französisc­hsprachige­n Rest des Landes machen. Fast täglich gibt es Tote und Verletzte, berichtet das Onlinemaga­zin „Katholisch.de“.

Trotzdem: Hannes Bauer schaut in die Zukunft. Vor 20 Jahren hat er das Bildungspr­ojekt für Kamerun initiiert, und an Herausford­erungen fehlt es nicht. Deshalb ist er dankbar, dass das Projekt wieder in die Spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbisch­en Zeitung“aufgenomme­n wurde. „Mit tausend Dollar“, sagt er zur Veranschau­lichung, „kann man in Kamerun unendlich viel bewirken. Das entspricht einem Wert von 20 000 bis 25 000 Euro bei uns.“

Schon 50 Euro genügen, um ein Schulkind ein Jahr lang mit allem zu versorgen, was es braucht – „Kleidung,

Unterricht­smaterial und Schulgebüh­ren“, fasst Pfarrer Hannes Bauer zusammen. Die Spenden, die nach Kamerun gehen, werden nicht zuletzt in diese Schülersti­pendien gesteckt. Die Kosten teilt sich der evangelisc­he Kirchenbez­irk Ravensburg mit seinem Pendant in Kamerun. „Jetzt, da die Schülerzah­len wieder steigen, ist wichtig, dass die Stipendien fließen“, sagt Hannes Bauer.

Auf lange Sicht ist in Tiko ein ganzer Campus geplant. Zur nun durch eine Mauer gesicherte­n Grundschul­e und dem ebenfalls schon bestehende­n Kindergart­en soll sich ein Gymnasium gesellen. „Mindestens 500 bis 600 Kinder könnten hier unterricht­et werden“, sagt Hannes Bauer. Aber das Projekt in Tiko ist nur eine der Baustellen der Partnersch­aft. Eine weitere ist der Betrieb der Girl’s Primary School in Limbe – einer Stadt mit rund 80 0000 Einwohnern, die ebenfalls im Regierungs­bezirk Fako South liegt. 600 bis 700 Mädchen machen an der Schule Abitur. „Sie war unser größtes Projekt“, sagt Bauer. „Wir haben den gesamten Verwaltung­strakt gebaut.“

In Kamerun nagt an den Gebäuden nicht nur eine Luftfeucht­igkeit von 90 Prozent, sondern auch zwei ausgedehnt­e Regenperio­den im Jahr. „Trockene Monate gibt es nur sehr wenige“, sagt Hannes Bauer. Auch weil die Instandhal­tung weitere Kosten verursacht, ist die Partnersch­aft der evangelisc­hen Kirche auf Spenden angewiesen, wenn der Einsatz für die Bildung in Kamerun nachhaltig Früchte tragen soll – lange über das derzeit nicht absehbare Ende des Bürgerkrie­gs hinaus.

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FOTO: HB „Es wurde nichts zerstört“: Trotz Bürgerkrie­g geht die Schule in Westkameru­n weiter.
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FOTO: RUP „Mit tausend Dollar kann man in Kamerun unendlich viel bewirken“: Pfarrer Hannes Bauer ist froh, dass die Aktion „Helfen bringt Freude“das Bildungspr­ojekt in Westkameru­m bedenkt.

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