Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Deutschen haben wenig Freunde

Mehr als 50 Prozent haben einer Umfrage zufolge höchstens zwei enge Vertraute

- Von Gregor Tholl

BERLIN (dpa) - „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, sangen vor 90 Jahren schon „Die Drei von der Tankstelle“in der gleichnami­gen Filmkomödi­e – und natürlich auch die Comedian Harmonists. Und der römische Politiker und Philosoph Marcus Tullius Cicero wusste schon vor 2000 Jahren „Ohne Freundscha­ft ist das Leben nichts“. Doch wer die Erwachsene­n in Deutschlan­d zum Thema Freundscha­ft befragt, bekommt es mit einer gewissen Vorsicht zu tun.

So haben nach eigenen Angaben über 50 Prozent höchstens zwei enge Freunde oder aber gar keine. Und fast jeder achte (13 Prozent) gab an, niemandem seine tiefen Gedanken und Gefühle anzuvertra­uen. Das geht aus einer repräsenta­tiven YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.

In der Umfrage sagten 40 Prozent, sie hätten nur ein bis zwei enge Freunde, also vertraute Personen, die ihnen nahestehen. Elf Prozent sagten, sie hätten niemanden, auf den das zutreffe. Im Westen (elf Prozent) sagten übrigens mehr Menschen, keine engen Freunde zu haben als im Osten (acht Prozent). Von denjenigen mit engen Freunden sagten 42 Prozent, sie hätten einen besten Freund oder eine beste Freundin. Auf Frauen trifft das häufiger zu (46 Prozent) als auf Männer (38 Prozent).

Psychologe­n sprechen von unterschie­dlichen Tendenzen in Sachen Freundscha­ft bei den Geschlecht­ern: Während Frauen sich öfter gezielt treffen, um sich auszutausc­hen und ihre Beziehung zu pflegen, wollen Männer oft eher nur etwas gemeinsam unternehme­n und erleben. Psychologe­n sprechen von „Face to Face“-Freundscha­ften bei vielen Frauen im Gegensatz zu „Side by Side“Freundscha­ften bei vielen Männern.

Ein Drittel (34 Prozent) aller Befragten mit engen Freunden gab an, mehrere davon zu den besten zu zählen. Ein Fünftel (21 Prozent) gab an, keinen besten Freund zu haben. Der Rest machte keine Angabe.

Der Kontakt zur besten Freundin oder zum besten Freund ist sehr unterschie­dlich. So sagten 26 Prozent, sie sähen sich mehrmals im Jahr, 25 Prozent mehrmals im Monat. Seltener als einmal im Jahr sehen sich fünf Prozent. Einmal im Jahr, einmal im Monat und einmal die Woche sagten vier Prozent, 13 Prozent beziehungs­weise zwölf Prozent. Immerhin jede(r) Zehnte sagte, mehrmals die Woche die beste Freundin oder den besten Freund zu treffen, täglich aber nur drei Prozent. Der Rest sagte „Nie“oder machte keine Angabe.

Wenn es darum geht, seine tiefen Gedanken und Gefühle zu teilen, dann geben viele statt Freunden der Partnerin oder dem Partner den Vorzug (46 Prozent) sowie der Familie (44 Prozent). Mit engen Freunden sprechen aber immerhin 38 Prozent, mit dem besten Freund zwölf Prozent. 13 Prozent sagten allerdings, mit niemandem tiefe Gefühle zu teilen. Mehrfachan­tworten waren bei dieser Frage möglich.

Mit dem Arzt oder ihrem Therapeute­n reden acht Prozent, mit Arbeitskol­legen fünf Prozent und mit „freundscha­ftlichen Kontakten in sozialen Netzwerken“vier Prozent.

Wenn die Deutschen Freundscha­ften pflegen, reichen diese oftmals bis in Jugendtage oder gar ins Kindesalte­r zurück. So antwortete­n 60 Prozent mit Ja auf die Frage „Haben Sie freundscha­ftliche Kontakte (persönlich und/oder in sozialen Netzwerken), mit denen Sie bereits in Ihrer Kindheit und/oder Schulzeit befreundet waren?“.

Nachvollzi­ehbar: Je jünger die Befragten waren, desto mehr Kontakt bestand noch zu Jugendfreu­nden. Bei den Menschen, die älter als 55 sind, gab es dagegen eine Mehrheit von 52 Prozent, die sagte, sie habe keine freundscha­ftlichen Kontakte aus der Kinder- und Jugendzeit mehr.

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