Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein zweites Syrien verhindern
Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die Libyen-Friedenskonferenz eine Art später Triumph. Sie hat nun die Bestätigung dafür bekommen, dass eine Entscheidung vor neun Jahren nicht verkehrt war. Damals ernteten die Kanzlerin und ihr Außenminister Guido Westerwelle Hohn und Spott, weil sich Deutschland zurückhielt, als die Nato gegen den früheren libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi zu Felde zog. Doch diese Zurückhaltung von damals mag nun den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Merkel als ehrliche Vermittlerin von den Konfliktparteien im Kampf um Libyen anerkannt wird.
Mit der Friedenskonferenz in Berlin hat sich Deutschland außenpolitisch wieder ins Spiel gebracht. Die Kanzlerin sendet damit das Signal, dass ihre Regierung mehr Verantwortung übernehmen will, vielleicht sogar zum Teil die Lücke füllen will, die US-Präsident Donald Trump mit seiner Abwendung von den internationalen Konfliktherden aufgerissen hat. Die Ergebnisse des Treffens mögen zwar erst einmal nur Absichtserklärungen sein, doch sie könnten, wenn sie denn umgesetzt werden, verhindern, dass Libyen zu einer Art Syrien zwei wird. Für die Bundesregierung stellt sich allerdings die Frage, mit welchen Mitteln sie bereit ist, den Friedensprozess zu unterstützen.
Sollten die Vereinbarungen von Berlin wirkungslos verpuffen, droht in Libyen das, was im Nahen Osten längst passiert ist. Dort entscheiden ausländische Mächte mittels Waffengewalt und Söldnern, wer in einer Region das Sagen hat. Das gilt für Syrien, das gilt in Teilen auch für den Irak. Dieses Szenario kann Europa nicht kalt lassen. Die Konflikte in dem nordafrikanischen Land, das nur wenige hundert Kilometer von den italienischen Inseln Sizilien und Lampedusa entfernt liegt, erhöhen den Migrationsdruck auf Europa. Und die Mitgliedsländer der Europäischen Union sitzen in der Falle. Wenn sie gerettete Flüchtlinge aufnehmen, ist das Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Wenn sie die Menschen zurückweisen, verliert die EU ihren Anspruch, eine Wertegemeinschaft zu sein.