Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Jeder Siebte wird persönlich befragt

Die Vorbereitu­ng für die nächste Volkszählu­ng läuft – Was 2021 auf die Bürger zukommt

- G Von Katja Korf

STUTTGART - Im Mai 2021 zählt Deutschlan­d seine Bürger, die Vorbereitu­ngen laufen bereits. Vor 30 Jahren versetzten Pläne für eine Volkszählu­ng die Republik in Aufruhr. Welche Daten darf der Staat erheben, wie muss er damit umgehen? Diese Fragen lieferten Stoff für Streit und ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts, das als Geburtsstu­nde des heutigen Datenschut­zes gilt. Was diesmal auf die Bürger zukommt, wie die Daten gesichert sind und wozu das Ganze aus Sicht der Behörden überhaupt nötig ist.

Was passiert beim Zensus 2021? Im Unterschie­d zu den Plänen in den 1980er-Jahren befragen die Statistike­r diesmal nicht jeden Bürger persönlich. Sie nutzen zunächst Register der Städte und Gemeinden. Doch es gibt Karteileic­hen, fehlende oder falsche Angaben. Außerdem wollen die Statistike­r mehr Informatio­nen, als dort enthalten sind. Deshalb gibt es ergänzende Interviews mit Bürgern. Die Ergebnisse dieser Stichprobe­n können die Statistike­r auf die gesamte Bevölkerun­g hochrechne­n.

Welche Daten erhebt der Staat – und liegen die nicht ohnehin vor? Aus den Melderegis­tern stammen Angaben wie Namen, Adresse, Nationalit­ät, Familienst­and und Geburtstag. Der Bogen für die zufällig ausgewählt­en Bürger enthält mehr als 40 Fragen. Sie erfassen sowohl die bereits in Registern vorhandene­n Daten, aber auch den Schulabsch­luss oder Details zur Berufstäti­gkeit. Da geht es zum Beispiel um die Branche, in der jemand arbeitet, oder den Arbeitsort. Zwar könnten die Statistike­r das aus Datenbanke­n bei anderen Institutio­nen

erfahren. Doch Datenschüt­zer warnen: Wenn personenbe­zogene Daten aus verschiede­nen Quellen kombiniert werden, lässt sich über eine Person sehr viel erfahren. Deswegen werden nicht einfach alle verfügbare­n Datenquell­en – etwa Krankenver­sicherunge­n oder Steuerbehö­rden – angezapft und für den Zensus genutzt.

Warum benötigt der Staat diese Daten?

An der Einwohnerz­ahl orientiert sich vor allem, wie viel Steuergeld Länder und Kommunen bekommen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Nach Angaben des Städtetags kostet ein fehlender Einwohner eine Kommune 100 000 Euro in zehn Jahren. Beim Zensus 2011 klagten in Baden-Württember­g mehr als 140 Gemeinden gegen die Ergebnisse. Erfolg hatten sie nicht. „Wenn die Ergebnisse einmal vorliegen, haben Kommunen keine Chance mehr, sie nachzuprüf­en“, sagt Städtetags-Dezernent Norbert Brugger. Sie dürfen nicht auf die Daten

zugreifen, das ist nur den Erhebungss­tellen und den Statistike­rn erlaubt. Die Daten werden zudem rasch gelöscht. Der Zensus liefert wichtige Anhaltspun­kte für Planungen. „Kitas, Krankenhäu­ser, Altenheime, Straßen: All das müssen Städte und Gemeinden für die Zukunft planen. Dafür brauchen sie verlässlic­he Daten“, so Brugger. Das komme den Bürgern zugute.

Wer wird persönlich befragt – und muss man antworten?

Im Schnitt jeder siebte Baden-Württember­ger. In kleinen Gemeinden bekommen durchschni­ttlich erheblich mehr Bürger Besuch von Interviewe­rn. Das hat statistisc­he Gründe: Die Einwohnerz­ahlen müssen für jede Kommune genau vorliegen. Je kleiner eine Gemeinde, desto mehr Bürger müssen befragt werden, um zuverlässi­g hochrechne­n zu können. In Dörfern mit weniger als 10 000 Bürgern werden viele Einwohner persönlich besucht, es müssen aber nicht alle den Fragebogen ausfüllen. Die enthaltene­n Angaben werden nur auf den Landkreis hochgerech­net, dafür reicht in einem Ort eine kleine Stichprobe. Jeder Bürger hat eine Auskunftsp­flicht. Wer die Aufforderu­ngen zum Interviewt­ermin ignoriert oder ablehnt, muss mit einem Zwangsgeld von mindestens 300 Euro rechnen. Das können die Kommunen sogar mehrfach verhängen. Verweigert sich jemand komplett, drohen noch einmal Bußgelder in mindestens dreistelli­ger Höhe.

Wie genau läuft das ab?

Die Kommunen liefern ihre Daten an die Erhebungss­tellen in den Städten. Diese sind für Sammlung und Weitergabe an die Statistisc­hen Ämter der Länder zuständig. Interviewe­r besuchen im Mai die für die Stichprobe ausgewählt­en Adressen. Die Datensamml­ung soll dann bis November abgeschlos­sen sein. Die Interviewe­r werfen in der Regel einen Brief mit Informatio­nen zum Zensus und ihrer Telefonnum­mer ein. Außerdem machen sie einen Terminvors­chlag für eine Befragung. Wer an diesem Termin nicht kann, macht mit dem Interviewe­r einen neuen aus. Ein persönlich­er Besuch ist immer notwendig, um Angaben wie Name und Bewohnerza­hl eines Hauses zu verifizier­en. Den Fragebogen kann man direkt schriftlic­h mit dem Interviewe­r ausfüllen oder Antworten später per Telefon oder online durchgeben.

Was wird für den Datenschut­z getan – und reicht das?

Die Erhebungss­tellen arbeiten unabhängig von den Stadtverwa­ltungen und benötigen eine eigene Zugangskon­trolle. Die Mitarbeite­r dort haben selbst keinen direkten Zugriff auf behördlich­e Datenbanke­n. „Seit den 1980er-Jahren hat der Staat in puncto Datenschut­z und Volkszählu­ng erheblich dazugelern­t“, sagt Stefan Brink, Landesdate­nschutzbea­uftragter. Es gebe immer noch mögliche Verbesseru­ngen, etwa eine noch kürzere Speicherda­uer der Daten. Das seien aber eher kleinere Kritikpunk­te. In den 1980ern habe man zum Beispiel Interviewe­r in der eigenen Nachbarsch­aft losgeschic­kt – heute werden diese abseits ihrer Wohnorte eingesetzt und dürfen Bekannte nicht befragen. Außerdem ist heute per Gesetz klar geregelt, wofür die Daten bestimmt sind, wann sie gelöscht werden und dass Abgleiche mit anderen staatliche­n Daten etwa der Polizei oder der Finanzämte­r verboten sind.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Beim Zensus im nächsten Jahr werden wieder zahlreiche Daten erhoben.

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