Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Trump und Thunberg in Davos
Weltwirtschaftsforum als jährlicher Treffpunkt der globalen Elite – Klimaschutz im Fokus
DAVOS - Beim Weltwirtschaftsforum in Davos herrscht dieses Jahr wieder Hochbetrieb. US-Präsident Donald Trump hat sich angekündigt, ebenso Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung. Der Auflauf kommt dem WEF, dem alljährlichen Gipfel der globalen Wirtschaftsund Politikelite, zu seinem 50. Jubiläum in den Schweizer Alpen gerade recht.
Sowohl Trump als auch Thunberg waren zwar schon hier. Der Präsident redete im Januar 2018 kurz nach seiner Wahl im großen Saal des Kongresszentrums. Thunberg sprach 2019 mit einigen Politikerinnen und Politikern, um sich dann mit ihrem Protestschild draußen in den Schnee zu setzen. Gemeinsam war diesen Auftritten, dass beider Einfluss auf die Welt erst ansatzweise zu erkennen war. Nun sieht man klarer.
Donald Trump steht für die Zerschredderung der Globalisierung. Greta Thunberg und ihre Leute verlangen, das fossile Wirtschaftsmodell innerhalb weniger Jahre zu beenden. Die Personen markieren Entwicklungsrichtungen, die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann: fossiler Nationalismus oder nachhaltiger Internationalismus.
Dieser Streit wird von Montagbis Freitagabend im Graubündener Bergstädtchen Davos ausgetragen. Das Klima-Thema steht ganz oben auf der Tagesordnung. Aber wie funktioniert dieses Weltwirtschaftsforum eigentlich?
Zunächst einmal ist das WEF ein Riesenkongress, eine erfolgreiche Veranstaltung mit rund 3000 offiziellen Gästen, darunter Dutzenden Staatschefs, Hunderten Ministerinnen und Ministern, Tausenden Unternehmensvorständen.
Klaus Schwab, 81 Jahre, gebürtiger Ravensburger, gründete die Veranstaltung 1971 als Diskussionstreffen über Managementstrategien für Unternehmen. Seit den 1980er-Jahren hat sie sich zum Familientreffen der globalen Elite gemausert, der Freundinnen und Freunde von Globalisierung und Freihandel. Schwab selbst bezeichnet das WEF als „globales Dorf“. Nicht zu Unrecht: Es kommen so viele wichtige Leute, dass es sich lohnt, dort Botschaften an die Mächtigen und Milliardäre zu senden.
Aber die Organisation will auch politischer Akteur sein. Schwab sagt es so: „Während der letzten 50 Jahre ist das WEF zur umfassendsten und repräsentativsten Plattform für öffentlich-private Kooperation geworden.“Sein Anspruch ist es, ein globales Gespräch zu führen, um den „Zustand
der Welt zu verbessern“. Beim alljährlichen Haupttreffen in Davos und bei Dutzenden kleinerer Kongresse in Asien, Afrika und Amerika versammelt sein Team Unternehmen, Politik und zivilgesellschaftliche Organisationen mit dem erklärten Ziel, praktische Lösungen im Interesse aller zu erreichen.
Thilo Bode, Chef der Organisation Foodwatch, die sich um nachhaltige Lebensmittel kümmert, glaubt das nicht: „Das WEF hat nicht das Gemeinwohl zum Ziel, sondern behauptet, die Interessen der Unternehmen und der Allgemeinheit wären identisch.“Und die Leute von Strike WEF, die in diesen Tagen den Klimaprotest in Davos organisieren, schreiben: „Das WEF hat 1000 Mitglieder, von denen die Mehrheit globale Großkonzerne mit mehr als fünf Milliarden US-Dollar
Umsatz sind.“Eigentlich betätige Schwab sich also als Lobbyist für Unternehmensinteressen.
Das WEF weist die Vorwürfe zurück. Im Gegenteil fordere man die Firmen auf, sich nicht wie die Axt im Walde zu verhalten. Zum 50. Jubiläum wurde eine Neuauflage des „Davoser Manifests“veröffentlicht. „Unternehmen müssen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen“, heißt es darin. „Sie sollten Korruption
keinesfalls tolerieren und die Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten achten.“Schwab nennt das „Stakeholder-Kapitalismus“– eine Marktwirtschaft für alle. Ein praktischer Beleg unter vielen: Das WEF beteiligte sich zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation, der Bill and Melinda Gates Stiftung und großen Pharmakonzernen an der Gründung der Impf-Allianz Gavi, die bisher nach eigenen Angaben 440 Millionen Kinder gegen lebensbedrohliche Krankheiten geschützt hat.
Schön und gut, meinen Kritiker wie Bode, der als Chef von Greenpeace International früher selbst mehrfach in Davos war. Aber „demokratische Politik muss Entscheidungen unabhängig von Konzernen treffen. Das WEF untergräbt diese Unabhängigkeit. Ein Beispiel dafür ist das globale Projekt für den bevorrechtigten Transport von Flugpassagieren, die ihre digitale Identität preisgeben.“Das könne auf eine Art weltweites Zweiklassen-Flugrecht für die Elite einerseits und normale Leute andererseits hinauslaufen.
Insgesamt ist das Treffen in Davos in mehrere Themenbereiche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, lautet das Motto. Klima-Aktivistin Thunberg will dafür kämpfen, dass die Debatten über die Klimapolitik auch wirklich geführt werden. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, mahnt die Schwedin an. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden – „jetzt“wie in „genau jetzt“.“Das Weltwirtschaftsforum könnte zum Weltklimaforum werden.