Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Netzwerk kritisiert Kreisverwaltung
Landratsamt: Das Gutachten für die Abrisspläne wird infrage gestellt.
FRIEDRICHSHAFEN - Das Netzwerk für Friedrichshafen kämpft weiter gegen die Pläne der Kreisverwaltung, das alte Landratsamtgebäude in der Glärnischstraße 1 bis 3 abzureißen. Das Gutachten, mit dem der Bodenseekreis den Abriss begründet, hält Philipp Fuhrmann vom Netzwerk für vorgeschoben. Fuhrmann vermutet dagegen eine rein politische Entscheidung für einen Neubau. Er fordert Landrat Lothar Wölfle jetzt zu einem offenen Gespräch auf. Laut Kreisverwaltung hat das Netzwerk aber bislang nicht auf Gesprächsangebote reagiert.
„Dieses Gutachten kann gar nicht als Referenz für einen Abriss oder einen Neubau herangezogen werden, weil es sich um ein reines Sanierungsgutachten handelt“, sagt Fuhrmann. Dabei dokumentiere es absolut die Sanierungsfähigkeit des Baus. „Es wird nirgends gesagt, es sei ein Abbruchprojekt“. Im Gutachten gebe es keine Argumente für einen Abriss, weder wirtschaftlich, noch ökologisch (einzelne Punkte siehe Kasten unten). Fuhrmann beruft sich auf die Expertise von vier Architekten: die beiden Ruheständler Paul Fundel und Rudolf Moser sowie Werner Heinzelmann und einen Berliner Architekten, den er nicht näher nennt. Er will damit Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die seine Fachkenntnisse anzweifeln.
Die Entscheidung für einen Neubau sei nicht aufgrund des Gutachtens gefällt worden, „sondern es ist eine politische Entscheidung im nichtöffentlichen Raum getroffen worden, Neubauszenarien zu entwickeln“, sagt Fuhrmann. Er glaubt, dass man grundsätzlich eine neue städtebauliche Idee verfolgt. „Das will wahrscheinlich der Kreis und das will die Stadt“, sagt er. Es sei die Idee einer Bebauung am Rand des Geländes, um mit einem zweiten Hochhaus ein Eingangstor zur Stadt zu schaffen. Dann sollte man auch zugeben, dass man ein neues Stadtbild will, meint Fuhrmann. „Das hat nichts mit Kosten oder mit der Sanierungsfähigkeit des alten Gebäudes zu tun.“Am Ende würden alle vier Bauabschnitte Richtung 100 Millionen Euro kosten, behauptet der Netzwerk-Gemeinderat.
„Das Netzwerk für Friedrichshafen fordert Landrat Wölfle auf, einen offenen runden Tisch einzurichten oder eine Podiumsdiskussion“, sagt Philipp Fuhrmann, bei dem ein Vertreter des Netzwerks vertreten sein soll. „Um den Bürgern und Bürgerinnen des Bodenseekreises und der Stadt Friedrichshafen Rede und Antwort zu stehen, welche Beweggründe wirklich hinter dem Szenario stehen“, sagt Fuhrmann. „Wir vermuten, dass wie beim ersten Hochhaus eine Public-Private-Partnership dahintersteckt“, sagt er weiter. Da gebe es wahrscheinlich schon ein paar Handschläge, „deshalb alles nichtöffentlich“. Das kritisiere man seitens des Netzwerks scharf, da es um öffentliches Geld gehe. Das Thema „Neubau Verwaltungsgebäude Landratsamt“ist auf der Tagesordnung des Ausschusses für Planung, Bauen und Umwelt (PBU) der Stadt Friedrichshafen am Dienstag (16 Uhr). Dabei geht es um den Auslobungstext des Architektenwettbewerbs für das Neubauprojekt. Er betrifft die ersten beiden von vier Bauabschnitten. Zentraler Bestandteil ist ein Kopfbau auf dem jetzigen Parkplatz zwischen Glärnisch- und Zeppelinstraße. Im Text wird erstmals ein Kostenrahmen definiert. Für die ersten beiden Bauabschnitte betrage die Kostenobergrenze knapp 50 Millionen Euro für die Kostengruppen 300 bis 700 (im wesentlichen Bauwerk mit Außenanlagen und Baunebenkosten).
In den Planungen der Kreisverwaltung ist der Erhalt des alten Gebäudes nicht vorgesehen. Es soll nach Fertigstellung der ersten beiden Bauabschnitte abgerissen werden. Die Architektenkammer im Bodenseekreis fordert dagegen eine offene Ausschreibung, die auch den Erhalt des alten Gebäudes zumindest möglich machen soll. In einem Gespräch zwischen Architektenkammer und Kreisverwaltung soll eine solche offene Ausschreibung nach SZ-Informationen noch diese Woche Thema sein. Vor dem Gespräch mit der Verwaltungsspitze wollte sich der Vorsitzende der Architektenkammer, Dietmar Kathan, nicht zu dem Projekt äußern.
Auch die Kreisverwaltung will sich vor dem PBU nicht äußern. „Es wäre nicht richtig, dieser Information und Diskussion vorzugreifen“, schreibt Pressesprecher Robert Schwarz auf die Anfrage der SZ. Und: „Bemerkenswert ist allerdings, dass das Netzwerk bis heute kein Interesse gezeigt hat, mit dem Landkreis als Eigentümer des Gebäudes über das Gutachten und die Entwicklungsperspektiven des Behördenstandorts zu sprechen, um die notwendigen Fachinformationen aus erster Hand zu bekommen.“