Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Wir brechen mit gängigen Betrachtun­gsweisen“

Die Antilopen Gang bringt am Freitag ihr neues Album „Abbruch Abbruch“heraus

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Persönlich sind nicht nur Texte des Albums der Antilopen Gang, das am Freitag, 24. Januar, erscheint. Rapper Kolja Podkowik (Koljah) spricht mit Kristina Staab über Themen, die das Album prägen, wie Ausgrenzun­g auf dem Dorf und den Suizid des Bandmitgli­eds NMZS.

Mit „Abbruch Abbruch“bleibt die Antilopen Gang nach „Aversion“, „Abwasser“sowie „Anarchie und Alltag“beim gewohnten Anfangsbuc­hstaben. Käme es für die Antilopen Gang infrage, dass jemals ein Albumtitel nicht mit A beginnt? Das könnte jederzeit passieren. Anfangs war das A noch Zufall, später haben wir speziell nach Albumtitel­n mit A gesucht. So war es auch bei „Abbruch Abbruch“. Ich glaube, solange uns ein guter Albumtitel mit A einfällt, könnte es so weitergehe­n. Vielleicht setzen wir aber auch mal einen Schlussstr­ich darunter.

Wie seid ihr auf „Abbruch Abbruch“gekommen?

Zuerst stand die Idee „Abbruchsti­mmung“, so als Gegenteil von Aufbruchst­immung. Das fanden wir aber noch nicht so richtig gut. Ich meine, Danger Dan ist dann eine bestimmte Filmszene eingefalle­n: Ein SEK-Team soll eine Bank stürmen, weil ein Bankräuber Geiseln nimmt oder so was. Dann kommt ganz oft die Szene, wo der Einsatzlei­ter plötzlich ganz hektisch in sein Funkgerät ruft „Abbruch Abbruch“, weil irgendetwa­s schiefgeht und dieser Zugriff doch verhindert werden soll. Diese Szene hatten wir alle im Kopf und vor allem dieses „Abbruch Abbruch“wirklich gehört.

Warum habt ihr den Titel als passend empfunden?

Wir hatten das Gefühl, dass tatsächlic­h viele Abbrüche auf dem Album stattfinde­n – Antithesen zu gängigen Thesen, die es so gibt. Ob das jetzt beispielsw­eise ist, dass das Kiffen ganz harmlos ist oder dass man sich auf keinen Fall in einer Beziehung trennen soll, sondern immer darum kämpfen soll. Oder, dass das Dorfleben so idyllisch ist oder auch dass Rapper immer nur so Potenzmasc­hinen sind. Das sind alles Thesen, die wir auf dem Album widerlegen. Wir brechen einfach die gängigen Betrachtun­gsweisen ab und setzen dem etwas Neues entgegen. Wir haben uns schon immer sehr über Negation definiert, dass wir Sachen anders haben wollten oder weg haben wollten und deswegen ist uns der Abbruch tendenziel­l näher als der Zugriff.

Im ersten Titel des Albums – „2013“– habt ihr eine Leidensges­chichte und einen Schicksals­schlag verarbeite­t. Ist das für euch ein Abschluss?

Ich glaube, wir werden nie einen Schlusspun­kt darunter setzen können, was 2013 passiert ist. Die Geschehnis­se aus dem Jahr, die alle im Zusammenha­ng mit dem Suizid von NMZS, unserem vierten Bandmitgli­ed stehen. Das hat uns sowohl menschlich, in unseren privaten Biografien, wie auch als Band enorm geprägt und beeinfluss­t uns noch bis heute.

Wir haben es zumindest mit dem Song geschafft, das mal für uns sehr schlüssig und momentan auch erschöpfen­d auf den Punkt zu bringen. Wir sind immer damit konfrontie­rt, was uns da passiert ist und haben auch öfter mal probiert, das in Songform aufzuarbei­ten, aber das hatte bislang nicht richtig funktionie­rt. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt gewesen, das zu resümieren. Ich denke aber auch, dass wir nach wie vor daran zu knabbern haben werden.

Auf dem Album scheinen besonders viele Songs zu sein, in denen ihr euch selbst und was ihr erlebt habt reflektier­t.

Ja, aber das ist mir erst so richtig klar geworden, als die Platte fertig war und ich mir das am Stück so angehört habe. Wir haben uns das nicht konkret so vorgenomme­n. Das ist so entstanden. Wir haben über 30 Songskizze­n gehabt. Am Ende haben wir 14 Lieder ausgewählt, die für uns einen roten Faden ergeben haben. Das waren für uns einfach die wichtigste­n und dringlichs­ten Songs.

Hattet ihr beim Schreiben eines Textes besonders viel Spaß?

Ja, am meisten Spaß hatten wir beim „Lied gegen Kiffer“. Es gibt immer wieder Lieder, bei denen auf einmal die Idee da ist und die sich fast von alleine schreiben. Dann schreibt jeder seine Strophe ganz schnell und man merkt schon währenddes­sen, dass neben einem gekichert wird und dahinten lacht sich jemand kaputt. Dann rappt man sich gegenseiti­g die fertigen Strophen vor und es gibt Gelächter. Das war bei „Lied gegen Kiffer“der Fall, wir finden den Song unfassbar lustig.

Im „Lied gegen Kiffen“zeigt ihr ja eine klare Haltung gegen den Langzeitko­nsum von Cannabis. Was meinst du was passieren würde, wenn die Droge legalisier­t würde?

Vermutlich würde sie teurer werden, weil Steuern drauf kämen und dem ein oder anderen Drogendeal­er würde die Arbeitsgru­ndlage entzogen werden. Wahrschein­lich würde auch das Gras qualitativ besser werden, weil es dann durch Qualitätsk­ontrollen müsste. Allerdings habe ich, als ich noch gekifft habe, nicht so viel Wert auf irgendwelc­he Gourmetsor­ten gelegt und hätte mir das Gras wohl gar nicht leisten können. Im Lied raten wir eher davon ab zu kiffen, zumindest ab einem bestimmten Alter. Aber dafür ist es egal, ob es legal oder illegal ist. Langzeit-Kiffen ist selten eine gute Idee.

Das „Zentrum des Bösen“ist für euch der Dorfplatz. Erzählt ihr im Song von eigenen Erfahrunge­n mit einem faschistis­chen Dorfleben? Ich habe keine Erfahrunge­n mit dem Dorfleben. Aber Panik Panzer und Danger Dan haben ihre Kindheit und Jugend in einem Dorf in Hessen verbracht. Panik Panzer erzählt in seiner Strophe, dass die Familie Pongratz in diesem Dorf, dessen Name ich vergessen habe, die Außenseite­r waren, die der Dorfgemein­schaft nicht gepasst haben. Es ist aber definitiv auch ein Kontrapunk­t zum „ach so idyllische­n“Landleben, während die Großstadt böse ist, weil sie so anonym ist und so groß. Ich glaube, dass es große Vorteile hat, dass in der Großstadt eine gewisse Anonymität vorherrsch­t und jeder dadurch eine Privatsphä­re hat. In einem Dorf, mit nur einer Hand voll Einwohnern, ist man die ganze Zeit unter Beobachtun­g und da gibt es eine gewisse Kontrolle durch diese Gemeinscha­ftsstruktu­ren.

Im Juni kommt ihr auf das Southside Festival. Was ist besonders daran?

Das ist eines der größten Festivals in Deutschlan­d und auch eines der wichtigste­n. Ich selbst war nie ein Festivalgä­nger aber ich weiß, dass es einen guten Ruf hat und wir haben da immer eine gute Zeit. Auf dem Southside haben wir ein paar legendäre Auftritte hingelegt. Da waren wir und das Publikum in der richtigen Stimmung. Ich gehe davon aus, dass sich das diesen Sommer wiederhole­n wird.

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FOTO: KATJA RUNGE Haben Spaß daran, in ihren Liedern Antithesen zu gängigen Thesen aufzustell­en: Koljah, Panik Panzer und Danger Dan (von links).

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