Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gräfe mit neuer Generalkritik am Schiedsrichterwesen
FRANKFURT (SID) - Kein Leistungsprinzip, wenig Individualisierung, viel Politik: Manuel Gräfe hat dem Schiedsrichterwesen im deutschen Fußball den nächsten Anpfiff verpasst. Der Berliner Schiedsrichter sieht bei den Regelhütern trotz einiger Veränderungen noch immer jede Menge Verbesserungspotenzial – und fühlt sich selbst von der Führung nicht angemessen wertgeschätzt.
„Sechs Spiele sind sicher deutlich zu wenig“, kritisierte der 46-Jährige mit Blick auf seine Einsatzzeiten in der Hinrunde der Bundesliga. Und weil ihn die Profis in einer Umfrage zum sechsten Mal nacheinander zum besten Schiedsrichter gewählt hatten, kommt Gräfe im Fachmagazin „kicker“zum Schluss: „Es geht immer noch zu wenig nach Leistung. Es geht aus meiner Sicht zu oft nach Politischem, Regionalem oder Persönlichen.“Der DFB ließ eine Anfrage zu Gräfes Vorwürfen zunächst unbeantwortet.
Die Aussagen des Sportwissenschaftlers, der in seiner Karriere mehr als 260 Partien im Oberhaus geleitet hatte, mehrfach in der Champions und Europa League im Einsatz war, erinnern jedenfalls stark an die Kritik im Sommer 2017. Damals war Gräfe verbal gegen die damalige Schiedsrichterspitze des DFB um Herbert Fandel und Hellmut Krug vorgegangen, schon damals waren ihm persönliche Interessen als Motiv unterstellt worden. Auch aus dem Kreise der Kollegen.
Mittlerweile nimmt Gräfe unter der Führung des neuen Schiedsrichter-Chefs Lutz Michael Fröhlich zwar ein deutlich „entspannteres Miteinander“wahr, die Sache mit dem „Anreiz-Prinzip, dass sich Leistung auch in der Anzahl der Ansetzungen bemerkbar macht“, fehlt ihm aber noch immer.
Ein internationaler Trend sei laut Gräfe, „dass alle überspitzt gesagt super Leichtathleten sind und die gleiche Frisur haben, die Persönlichkeiten aber fehlen“. Eine Individualisierung und echte Typen wie Pierluigi Collina oder Urs Meier seien durch die derzeit vorherrschenden Auswahlkriterien möglicherweise nicht mehr zu bekommen.