Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Entwicklung der Zeppelin-Betriebe
Zweimal verzichtet Familie BrandensteinZeppelin auf Ansprüche.
GFRIEDRICHSHAFEN - Zumindest eines muss man den Nachfahren von Ferdinand Graf von Zeppelin lassen: Mit der gleichen Hartnäckigkeit, mit der dieser vor mehr als 120 Jahren den Bau „seiner“Starrluftschiffe forcierte, versuchen sein Urenkel, Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, und dessen Sohn Frederic wieder Einfluss auf die Zeppelin-Stiftung zu bekommen. Die Stadt Friedrichshafen, so die Annahme der beiden, sei 1947 unrechtmäßig in deren Besitz gekommen und verwende ihr Vermögen seither illegal. Um den angeblich ursprünglichen Stifterwillen wiederherzustellen, wollen sie jetzt das Rad der Geschichte zurückdrehen.
Der 69-jährige Adelige aus Mittelbiberach agiert dabei mit nahezu religiösem Eifer, worin er als Medjugorje-Aktivist geübt ist. Das „andere Leben“des Unternehmers und Juristen dreht sich nämlich um Wallfahrten, religiöse Vorträge und die Verteidigung des rechten katholischen Glaubens. Mit PR-Kampagnen, wie vergangene Woche mit Stuttgarts Alt-OB Schuster (CDU), versucht Brandenstein-Zeppelin, öffentliche Unterstützung für seinen juristischen Kampf gegen das Land und die Stadt zu bekommen. An Mitteln fehlt es ihm offenbar nicht, den Prozess bis in die letzte Instanz durchzufechten. Laut „Manager Magazin“rangiert die Familie Brandenstein-Zeppelin in der Liste der 1001 reichsten Deutschen des Jahres 2018 mit einem geschätzten Vermögen von 250 Millionen Euro auf Platz 624.
Doch historische Tatbestände, juristische Hürden und nicht zuletzt öffentliche Interessen stehen dem Ansinnen entgegen. Ob die Nachkommen Zeppelins nach 72 Jahren und zwei Verzichtserklärungen überhaupt berechtigt sind, ihr Mitwirken in der Stiftung einzufordern, scheint fraglich. Darüber wird das Verwaltungsgericht Sigmaringen am 22. Januar befinden. Dass es Brandenstein-Zeppelin letztlich um seinen eigenen Profit gehen könnte, darauf deutet möglicherweise seine neue Klage hin. 3,1 Millionen Euro Dividende aus ehemaligem Aktienbesitz an ZF will er von der Stadt einklagen, wobei er ein Dokument aus dem Jahr 1923 ins Feld führt.
Man muss ins vorige Jahrtausend zurückblenden, um zu verstehen, worum es heute geht. 1908 errichtete Graf Zeppelin mit den Mitteln einer Volksspende in Höhe von mehr als sechs Millionen Mark die nach ihm benannte selbstständige Stiftung privaten Rechts. Ihr Zweck bestand vornehmlich darin, die Luftschifffahrt zu fördern. Um ihren gemeinnützigen Charakter zu unterstreichen, unterstützte sie von Anfang an auch öffentliche Bauvorhaben der Stadt Friedrichshafen oder das Deutsche Museum in München. Die ZeppelinStiftung wurde mit den Jahren Mittelpunkt eines Geflechts von mehr als einem Dutzend Unternehmen, angefangen vom Luftschiffbau Zeppelin über den Maybach Motorenbau, Dornier (bis 1932) bis hin zur Zahnradfabrik.
Dank dieser Diversifikation überstand der Zeppelin-Konzern den wirtschaftlichen Einbruch nach dem Ersten Weltkrieg und war auch dann noch erfolgreich, als der Bau von Luftschiffen sich längst überholt hatte. Spätestens mit der Katastrophe von Lakehurst, bei der 1937 die „Hindenburg“zerstört wurde, war das Kapitel Luftschifffahrt beendet. Die Aufrüstung Deutschlands unter den Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg bescherte den Stiftungsunternehmen ein ungeahntes Wachstum. 1942 wurde in der Stiftungssatzung neben der Förderung der Luftschifffahrt auch „Luftfahrtforschung“in die Zweckbestimmung aufgenommen. Darauf bezieht sich Brandenstein-Zeppelin, wenn er Friedrichshafen mit Mitteln der Stiftung künftig den Weg zu einem „Silicon Valley der Luft- und Raumfahrt“ebnen will.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 stand der Zeppelin-Konzern vor dem Aus. Elf Luftangriffe in den Jahren 1943 bis 1945 hatten große Teile der Stadt und der Betriebe zerstört. An einen raschen Wiederaufbau oder gar ein „Weiter so“war vorerst nicht zu denken. Demontage, Sprengung und Zerschlagung der deutschen Rüstungsindustrie schienen nach den Beschlüssen der Alliierten unumgänglich. Die Zeppelin-Stiftung als Hauptgesellschafterin der Luftschiffbau Zeppelin, der Zahnradfabrik und der Maybach Motorenbau musste die Vernichtung ihres gesamten Vermögens befürchten.
Da der Stiftungszweck nach Lage der Dinge nicht mehr zu verwirklichen schien, wurden ab 1946 sowohl vonseiten des alten Stiftungsvorstandes (Hugo Eckener und Ludwig Dürr) wie auch vonseiten des Landesdirektoriums von WürttembergHohenzollern und der Stadt Vorschläge zur Rettung der Stiftung unterbreitet. Sie bezogen sich zunächst auf die bloße Umwandlung des Stiftungszwecks – „für gemeinnützige Arbeiten“– und reichten bis hin zu einer neuen Namensgebung „Buchhorner Stiftung“mit dem Zweck, gemeinnützige Bestrebungen vor allem auf wissenschaftlich-technischem Gebiet zu fördern. Die französische Militärregierung lehnte alle diese Vorschläge ab und stellte weitreichende Bedingungen. Sie lassen sich unter der Forderung „neuer Name, neue Männer, neues Programm und Sozialisierung“zusammenfassen.
Paragraf 15 der Stiftungssatzung schien diesen Zielen am nächsten zu kommen. Denn darin hatte Graf Zeppelin verfügt, dass das Vermögen der Stiftung an die Stadt fallen solle, „wenn der Stiftungszweck unmöglich geworden ist und deshalb die Stiftung aufgelöst werden sollte“. Die Stadt habe dann das Stiftungsvermögen gesondert zu verwalten und dessen Erträge zu wohltätigen Zwecken zu verwenden, heißt es in der Verfügung. Sie bildete für das Landesdirektorium den entscheidenden Hebel einzugreifen, ganz im Sinne der Militärregierung, die einen harten Schnitt wollte. Per Rechtsanordnung wurde die alte ZeppelinStiftung mit Wirkung vom 1. März 1947 aufgelöst und das Stiftungsvermögen der Stadt übertragen.
Damit waren die Stiftungsbetriebe jedoch noch lange nicht „gerettet“. Eine Verfügung der französischen Militärregierung vom 23. Dezember 1947 verlangte die Auflösung von Unternehmen, deren Hauptzweck darin bestand, zum Kriegspotenzial Deutschlands beizutragen. Davon waren nahezu alle zur Stiftung gehörenden Unternehmen betroffen. Es begann ein hartes und teilweise dramatisches Ringen um die Weiterführung der ehemaligen Stiftungsbetriebe. Dabei ging jeder seinen eigenen Weg.
Maybach Motorenbau GmbH
Der Maybach Motorenbau, der die Panzer der Wehrmacht mit Motoren ausstattete, war zunächst zur Totalmontage vorgesehen. Nach Schließung des Werkes am 1. August 1948 kam es zu einer unverhofften Wendung. Die Zügel wurden nach und nach gelockert. Am 1. März 1949 wurde die Demontage eingestellt und Ende 1949 die Zwangsverwaltung aufgehoben. Das Unternehmen befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer finanziell schwierigen Lage und war auf Beteiligung angewiesen. Die Gesellschafter des Maybach Motorenbaus, allen voran Karl Maybach, der über 55 Prozent des Stammkapitals verfügte, aber auch Eckener (seit 21. Dezember 1950 mit sieben Prozent beteiligt), Graf BrandensteinZeppelin (zwei Prozent) und Gräfin Brandenstein-Zeppelin (sieben Prozent) wollten auf keinen Fall unter dem Dach der neuen Zeppelin-Stiftung bleiben, die 17 Prozent an der Gesellschaft hielt, weitere sieben Prozent besaß die Luftschiffbau Zeppelin GmbH (Quelle: Wilhelm Treue/Stefan Zima, Hochleistungsmotoren. Karl Maybach und sein Werk, Düsseldorf 1992). Über den „Loskauf des Unternehmens“entbrannte ein heftiger Streit zwischen der Stadt und der Geschäftsführung. Dabei ging es nicht nur um den Kaufpreis, sondern ganz grundsätzlich um die Rechtmäßigkeit der Rechtsanordnung von 1947, die von Eckener und Maybach gerichtlich angefochten wurde.
Die Auseinandersetzung endete 1952 mit einem „historischen Kompromiss“. Die Stadt machte den Weg frei für die Herauslösung des Unternehmens aus der Stiftung. Maybach und Eckener zogen ihre Klagen zurück und nahmen ihre im Zuge des Streits zurückgegebenen Ehrenbürgerrechte wieder an. Gleichzeitig erklärten die Tochter des Grafen, Helene von Brandenstein-Zeppelin, und ihr Sohn Alexander, auf weitere Ansprüche und Klagen gegen die Rechtsanordnung zu verzichten. Albrecht von Brandenstein-Zeppelin sagt heute dazu: „Die Stadt hat 1952 Organmitgliedern geldwerte Vorteile aus dem Stiftungsvermögen gewährt, um die Rücknahme der Klagen auf Restitution der ZeppelinStiftung zu erreichen.“Seiner Ansicht nach hat die Stiftung „ihre rechtmäßigen Vertreter durch eine Bestechung verloren“.
Die Friedrich Flick KG stieg 1952 mit 50 Prozent der Anteile bei Maybach ein und hatte künftig das Sagen. 1960 übernahm der Daimler-Konzern die Firma und benannte sie in MTU Friedrichshafen um. Familie Maybach blieb mit 7,2 Prozent und Familie Brandenstein-Zeppelin mit 4,45 Prozent beteiligt. 2005 trennte sich der Autohersteller von MTU. Im Zuge des Verkaufs lieferte sich der Adelige einen heftigen Schlagabtausch mit dem damaligen Mehrheitsgesellschafter Daimler Chrysler. Am Ende kam der schwedische Finanzinvestor EQT zum Zug, der für MTU 1,6 Milliarden Euro zahlte und den Betrieb unter dem Namen Tognum weiterführte. 2014 übernahm Rolls-Royce die Firma.
Zahnradfabrik Friedrichshafen AG Die Zahnradfabrik Friedrichshafen AG war im Vergleich zu Maybach weniger gefährdet. Schon 1945 begannen die Aufräumarbeiten und Rückführung von ausgelagerten Maschinen. Schleppergetriebe durften produziert und repariert werden. Eine Totaldemontage war nicht vorgesehen. Nachdem ein Verkauf von Aktien an verschiedene französische und deutsche Unternehmen nicht zustande kam, wurden die Besitzverhältnisse neu geordnet. Auch hier intervenierte Hugo Eckener aufs heftigste und brach als Miteigentümer des „Südkurier“eine monatelange Pressefehde gegen Stadt und Stiftung vom Zaun. Im August 1950 wurden die ZF-Aktien auf die Zeppelin-Stiftung (89,9 Prozent), auf die Gräfin
Helene von Brandenstein-Zeppelin (6,2 Prozent) und die Maag Zahnräder und Maschinen AG Zürich (4 Prozent) übertragen. Nach dem Tod der Gräfin 1967 ging der Privatanteil der ZF-Aktien auf eine Erbengemeinschaft über. 1990 sah sich Albrecht von Brandenstein-Zeppelin offenbar aus finanziellen Gründen gezwungen, zumindest einen Teil der Aktien zu verkaufen. Die Stadt allerdings bestand auf der Übernahme der gesamten Beteiligung und verlangte eine neue Verzichtserklärung auf weitere Ansprüche gegenüber Stadt und Stiftung. Zu beiden Forderungen willigte der Urenkel des Grafen ein. Die Aktien der Stifterfamilie gingen für knapp 100 Millionen Mark an die Deutsche Bank und dann später die Stiftung.
Luftschiffbau Zeppelin GmbH Als ehemalige Konzernmutter und, wie Michaela Häfner in ihrem Buch „Nachkriegszeit in Südwürttemberg (München 1999) schreibt, als „Inbegriff der Rüstungsindustrie“hatte die Luftschiffbau Zeppelin GmbH (LZ) keine Überlebenschance. Seit 1. Juni 1946 unter Zwangsverwaltung gestellt, wurde die ehemalige Geschäftsführung kaltgestellt und die Gesellschaft zum 11. April 1947 aufgelöst. Vor allem für den bereits 78-jährigen, immer noch machtbewussten Generaldirektor Hugo Eckener kam das einer Demütigung gleich. Wie schon bei Maybach und ZF versuchte er erneut, die Rechtsanordnung anzufechten und seinen Einfluss bei der Liquidation geltend zu machen. Vergeblich. Der Konzern mit seinen zehn Tochtergesellschaften wurde zerschlagen, sodass nach Beendigung der Liquidation 1955 LZ als reine Grundstücksverwaltungsgesellschaft zurückblieb.
Was passierte mit den LZ-Gesellschaften? Ihre Wege in die deutsche Nachkriegswirtschaft sind verschlungen und nicht mehr in allen Teilen nachvollziehbar. Die Zeppelin-Wohlfahrt GmbH kam 1947 zur Stiftung, ebenso die Kurgarten Hotel GmbH und die Holzindustrie Meckenbeuren GmbH. An letzterer beteiligte sich auch die Gemeinde Meckenbeuren, die ihre Anteile 1958 an die Zeppelin-Stiftung verkaufte. 1994 erwarb die Fränkel AG das seit 1972 brachliegende Areal am Bahnhof und baute dort Häuser, Wohnungen und ein Fachmarktzentrum.
Ganz andere Wege gingen die Wasserstoff- und Sauerstoffwerk AG und die Zeppelin-Werke Gießerei GmbH. Eckener, so geht aus einem Brief vom 7. Juli 1946 hervor, wollte das Sauerstoffwerk kaufen. Auch die Stadt hätte die LZ-Beteiligungen gern unter die Fittiche der ZeppelinStiftung genommen, doch die französische Militärregierung in Baden-Baden
untersagte die Bestrebungen. Der Zeppelin-Konzern sollte nicht wieder zu alter Größe kommen, und mit dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer wollte man nicht verhandeln. So wurde am 30. September 1947 die Sauerstoffwerke Friedrichshafen eGmbH als Genossenschaft gegründet. 25 Genossen waren bei der Gründungsversammlung anwesend. 1978 wurde die Genossenschaft in die neu gegründete Sauerstoffwerk Friedrichshafen GmbH mit 13 Gesellschaftern eingebracht.
Die Gießerei wurde ebenfalls sozialisiert und am 13. Oktober 1947 als „Metallbearbeitung Friedrichshafen eGmbH“ins Handelsregister eingetragen. 1956 wurde die Genossenschaft in eine GmbH umgewandelt und firmierte ab ca. 1970 als mb Guss. Geschäftsführender Gesellschafter war Willy Kaldenbach, der als Leiter des Verbindungsbüros der LZ bei den Verhandlungen mit der französischen Militärregierung eine wichtige Rolle spielte. 1989 übernahm die Georg Fischer AG Schaffhausen mb Guss und verkaufte 2012 die Firma an die österreichische MWS. Diese ging 2016 in Insolvenz. Das amerikanische Investmentunternehmen Oak Hill Advisors stieg 2018 ein und führt den Betrieb seither unter „DGH Sand Casting-Gruppe“weiter.
1950 gründete die Stadt als Stiftungsverwalterin aus der ehemaligen Leichtmetallgießerei der LZ die Metallwerke Friedrichshafen GmbH – in erster Linie, um den LZBetriebsangehörigen Arbeit und Auskommen zu verschaffen. 1954 übernahm das auf Behälterbau spezialisierte Unternehmen die Vertriebsund Servicerechte für Baumaschinen des amerikanischen Herstellers Caterpillar für Westdeutschland. 1957 wurde Kaldenbach Direktor der Metallwerke und Geschäftsführer der LZ. Als „graue Eminenz“bestimmte Big Willy, wie er genannt wurde, viele Jahre die Stadtund Stiftungspolitik an maßgeblicher Stelle mit. Als sich die Metallwerke 1962 mit der Fahrzeuginstandsetzung GmbH (FIF) vereinigten, erhielten sie wieder den Namenszusatz Zeppelin. Seit 1995 heißt das Unternehmen Zeppelin GmbH.
Um wieder ein Luftschiff zu bauen, wurde 1993 unter dem Dach der Stiftung die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH & Co. KG gegründet. Anteilseigner sind die LZ und die ZF Friedrichshafen AG. Als Betreibergesellschaft für die Zeppeline NT wurde 2001 die Deutsche Zeppelin Reederei GmbH reaktiviert.
Was mit den Beteiligungen der LZ an der Flugverbandshaus GmbH Berlin und an der Aero-Union AG Berlin geschah, ist nicht mehr nachvollziehbar.