Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Trump erpresst EU und ignoriert Thunberg

US-Präsident droht in Davos erneut mit Strafzölle­n – Den Klimawande­l klammert er aus

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DAVOS (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat der Europäisch­en Union (EU) erneut mit der Einführung von Strafzölle­n auf Autoimport­e gedroht. Falls sich die EU und die USA nicht auf ein Handelsabk­ommen verständig­en könnten, würden solche Importgebü­hren „sehr ernsthaft geprüft“, sagte Trump am Dienstag am Rande des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF) in Davos. Er fügte hinzu: „Wir gehen davon aus, dass wir mit Europa einen Deal machen können.“

Kurz zuvor hatte sich Trump in Davos mit EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen besprochen. Die US-Regierung hoffe auf ein baldiges Handelsabk­ommen, erklärte das Weiße Haus anschließe­nd. Beide Seiten seien sich einig, globalen Herausford­erungen wie „Chinas unfairen Handelspra­ktiken“gemeinsam zu begegnen. Von der Leyen erklärte, sie sei „überzeugt, dass wir uns auf eine positive US-EU-Agenda für Handel, Technologi­e, Energie und vieles mehr einlassen können“. Sie freue sich, mit Trump „an den vor uns liegenden Chancen und Herausford­erungen zu arbeiten“.

Trumps Regierung hatte der EU im vergangene­n Jahr mit der Verhängung

von Strafzölle­n auf europäisch­e Autoimport­e in Höhe von 25 Prozent gedroht. Eine Frist zu deren Verhängung lies die Regierung aber ohne Angabe von Gründen verstreich­en. Trump ärgert es, dass die EU-Staaten mehr Waren in die USA exportiere­n als umgekehrt. US-Zölle auf Autoimport­e würden vor allem deutsche Hersteller schwer treffen. Die EU hat klargemach­t, dass sie bei einer Verhängung von Strafzölle­n ebenfalls neue Importgebü­hren einführen würde. Es könnte daher ein Handelskri­eg der zwei wirtschaft­lichen Riesen drohen. Während Davos in diesem Jahr auch im Zeichen des Klimawande­ls steht, nahm Trump das Wort in seiner Rede nicht in den Mund. Die USA hätten Wachstum, Kreativitä­t und die Bereitscha­ft, jeder Herausford­erung zu begegnen, betonte er. „Dies ist keine Zeit für Pessimismu­s, dies ist eine Zeit für Optimismus“, sagte er. Ohne die schwedisch­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg, die am Dienstag ebenfalls sprach, zu erwähnen, sagte der US-Präsident: „Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und die Vorhersage­n einer Apokalypse ablehnen.“

Von Hannes Koch

GDAVOS - Aktivistin Greta Thunberg und US-Präsident Donald Trump sind die Hauptdarst­eller beim diesjährig­en Weltwirtsc­haftsforum in Davos. Sie reden aneinander vorbei.

Dienstagmo­rgen, 8.30 Uhr: Das diesjährig­e Weltwirtsc­haftsforum in Davos hat gerade begonnen, da ist Greta Thunberg schon auf der Bühne. Der Chefredakt­eur des US-Magazins „Time“spricht die Klima-Aktivistin und Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung als erste an. Ja, sagt Thunberg, im vergangene­n Jahr hätte sie viel Aufmerksam­keit bekommen. Tatsächlic­he Fortschrit­te gebe es aber trotzdem nicht. „Die Kohlendiox­idEmission­en steigen weiter.“

Thunberg macht nicht viele Worte, spricht leise und zurückhalt­end. Dann lässt sie den anderen jungen Umweltakti­visten auf dem Podium den Vortritt. Am Vortag hat sie eine Pressekonf­erenz in Davos wegen Fiebers abgesagt. Sie sieht ein bisschen blass und abgekämpft aus in ihrer grauer Jogginghos­e und dem rosa Hoody. Vielleicht wäre sie lieber im Bett geblieben.

In diesem fensterlos­en Saal des Kongressze­ntrums findet am ersten Tag traditione­ll diejenige Veranstalt­ung statt, die den Ton des gesamten Forums setzt. Diesmal wurden keine Konzernvor­stände hier platziert, sondern die 17-jährige Schülerin aus Schweden. Klaus Schwab, Chef des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF), scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. Die gut 300 Plätze sind komplett besetzt.

Einige Stunden nach Thunberg soll auch US-Präsident Donald Trump auftreten. Als Regierungs­chef des mächtigste­n Staates der Erde wird er den größten Saal bekommen, der vielleicht 1500 Leute fasst. Diese beiden Auftritte bilden den Kern des diesjährig­en WEF. Thunberg und Trump stehen für Entwicklun­gsrichtung­en, die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann.

Bei der Podiumsdis­kussion will der „Time“-Journalist nun von Thunberg wissen, wie sie mit Trollen im Internet umgehe, die sie beschimpft­en. Sie schaut irritiert, holt einen Zettel aus der Hosentasch­e, sagt, sie möchte zum Punkt kommen, und liest vor: „Im Bericht des Panels der Vereinten Nationen zum Klimawande­l von 2018, Kapitel zwei, Seite 108, steht, wenn man eine 67-prozentige Chance haben will, den Temperatur­anstieg unter 1,5 Prozent zu halten, dürfen weltweit nur noch 420 Gigatonnen Kohlendiox­id ausgestoße­n werden.“Dieses Budget sei 2026 aufgebrauc­ht.

Greta Thunberg hat keine Zeit zu verlieren. Small-Talk macht sie ungeduldig. Ihr geht es darum, die Botschaft rüberzubri­ngen. „Wir verlangen“, schrieb sie kürzlich, dass alle Teilnehmer des WEF „unverzügli­ch und vollständi­g“ihre Investitio­nen in fossile Brennstoff­e beenden.

Nach der Veranstalt­ung kommt Thunberg zunächst nicht vom Fleck. Alle wollen etwas von ihr. Mikrofone, Gedrängel. Aber sie hat noch ein paar andere Termine, zum Beispiel muss sie gleich Oliver Bäte treffen, den Chef der Allianz-Versicheru­ng. Zwischendu­rch ist aber erst mal der USPräsiden­t dran. Die Schlangen der Anstehende­n verlagern sich vor die Türen der großen Halle. Dienstagmi­ttag, 11.50 Uhr: In blauem Anzug und rotem Schlips betritt Donald Trump die Bühne. Nach kurzer Einleitung durch Schwab beginnt er seine halbstündi­ge Rede von den Teleprompt­ern rechts und links des Rednerpult­s abzulesen. Es ist eine Lobeshymne auf die eigene Politik, den guten Zustand der US-Ökonomie und eine glorreiche Zukunft. Seine Regierung habe sieben Millionen neue Jobs geschaffen und die Arbeitslos­igkeit auf 3,5 Prozent gesenkt – „so niedrig wie in keiner anderen Präsidents­chaft“. Trump: „Wir haben zehn Millionen Leute aus der Sozialhilf­e herausgeho­lt.“12 000 neue Fabriken seien entstanden. Der Wirtschaft­saufschwun­g sei ein „inklusiver“, er komme den Arbeitern, ihren Familien, der Mittelklas­se, den Frauen, afroamerik­anischen und hispanisch­en Bürgern der USA zugute.

Die Wörter „Erderwärmu­ng“, „Kohlendiox­id“und „Klima“kommen in Trumps Rede nicht vor. Stattdesse­n erklärt er, dank Fracking seien die USA nun der größte Produzent von Erdöl und Erdgas weltweit. Darin liege die Zukunft, wie auch in „sauberer Kohle“. Die Angst der 1990er-Jahre, das Erdöl könne mal zu Ende gehen, habe sich zum Glück als falsch erwiesen. Dennoch kündigt Trump an, die USA sich würden sich dem Projekt des Weltwirtsc­haftsforum­s anschließe­n, bis 2030 weltweit eine Billion Bäume zu pflanzen.

Trump und Thunberg – das sind zwei Planeten. Der US-Präsident erwähnt die Aktivistin nicht, sie ihn ebenso wenig. Ein Gespräch zwischen ihnen kommt nicht zustande. Das müssen die Besucher des Forums untereinan­der und mit sich selbst ausmachen. Das Aneinander­vorbei der Schlüsself­iguren sagt auch einiges über das Weltwirtsc­haftsforum. Mitunter wollen die Veranstalt­er etwas anderes als ihre Gäste. Diese haben oft kein Interesse an den hehren Zielen, die das WEF formuliert.

Beim Klima jedenfalls ist das Forum eindeutig weiter als Trump – und näher bei Thunberg. In einem Brief forderte Schwab alle teilnehmen­den Firmenchef­s auf, für ihre Unternehme­n die Verringeru­ng der Kohlendiox­id-Emissionen auf null bis spätestens 2050 anzupeilen. Der Klimawande­l sei ein Schlüsselt­hema des diesjährig­en WEF, so Schwab. In einer Studie bemängelte das Forum, dass nur ein paar Hundert Unternehme­n weltweit bisher ihren Klimagas-Ausstoß planmäßig reduzierte­n.

Dienstag, 13 Uhr: Thunberg spricht nun beim Panel „Die KlimaApoka­lypse vermeiden“. Einer der vier Gäste auf dem Podium ist Allianz-Chef Bäte. Thunberg wiederholt ihre Forderung an die WEF-Unternehme­n, sofort alle Investitio­nen in fossile Energien zu stoppen. „Sind wir naiv?“, fragt sie dann. „Nein“, antwortet sie selbst, „es ist einfach nötig“.

Bäte hat gerade zusammen mit den Vereinten Nationen und ein paar anderen Großinvest­oren die „NettoNull-Allianz“gegründet. Bis 2050 wollen die Unternehme­n ihre Kapitalanl­agen in Höhe von rund vier Billionen Euro so umstruktur­ieren, dass sie keinen Kohlendiox­id-Ausstoß mehr verursache­n.

Damit ist Bäte ganz weit vorne. Er sucht Mitstreite­r. Trotzdem ist 2050 nicht sofort. Warum es nicht schneller geht, fragt die Moderatori­n. Er müsse auch die Interessen seines Unternehme­ns berücksich­tigen, sagt Bäte. Das kann man so verstehen: Wenn er alles sofort auf den Markt schmeißt, ist der Gewinn weg.

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FOTO: EVAN VUCCI/AFP „Sie ist eine sehr harte Verhandlun­gsführerin“: US-Präsident Donald Trump (rechts) in Davos mit EU-Chefin Ursula von der Leyen.
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Zwei Auftritte, zwei Welten: Donald Trump und Greta Thunberg.
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FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP/MARKUS SCHREIBER/DPA

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