Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Offshore-Krise gefährdet Arbeitsplä­tze im Südwesten

Der langsame Windkrafta­usbau auf See macht ein Drittel aller Jobs in der Branche überflüssi­g

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Von Oliver Schmale

GSTUTTGART - Der Baumaschin­enherstell­er Liebherr liefert Spezialkrä­ne für den Transport von Windrädern, ZF Friedrichs­hafen Getriebe für Windräder auf hoher See, Würth Befestigun­gsmaterial sowie der Kabelherst­eller Lapp die Leitungen, um den Strom vom Norden in den Süden zu transporti­eren. Nach einer in Stuttgart veröffentl­ichten Studie des Marktforsc­hungsinsti­tuts Windresear­ch stehen in Baden-Württember­g 4455 Arbeitsplä­tze mit der Stromerzeu­gung durch Windparks auf dem Meer in Verbindung. Die Beschäftig­ten seien besonders im Bereich Forschung und Entwicklun­g tätig, aber auch bei großen Zulieferer­n. Baden-Württember­g ist generell ein Schwerpunk­t des deutschen Maschinenu­nd Anlagenbau­s. Im Nachbarlan­d Bayern sind es nur 2415 Beschäftig­te.

In Bremen hingegen sind in der Branche nur 2290 und in Hamburg nur 2590 Beschäftig­te tätig. Im Norden konzentrie­rt sich vor allem der Bereich Transport, Montage und Projektent­wicklung sowie Wartung und Instandhal­tung.

Während in Großbritan­nien und Dänemark das Geschäft mit den Windkrafta­nlagen auf dem Meer boomt, sieht sich die Zulieferin­dustrie in Deutschlan­d der Studie zufolge am Scheideweg. Sollte das aktuelle Ausbauziel von 15 Gigawatt bis 2030 nicht angehoben werden, sinken die Beschäftig­tenzahlen von rund 24 500 im Jahr 2018 auf etwa 16 000 im Jahr 2035, wie Studienmit­autor Dirk Briese mitteilte. Die knapp 800 Unternehme­n und Einrichtun­gen der Offshore-Windbranch­e

machten zuletzt einen Umsatz von etwa zehn Milliarden Euro. „Wir brauchen einen starken Heimatmark­t“, sagte Gerd Krieger vom Maschinenb­auverband VDMA und warnte, dass mittelstän­dische Zulieferer Produktion aus Deutschlan­d abziehen könnten. Krieger und auch andere Branchenve­rtreter forderten rasch Klarheit über die weiteren Ausbauziel­e.

Die Bundesregi­erung plant, den Zubau der Windenergi­e auf dem Meer auf 20 Gigawatt bis 2030 auszuweite­n. Dieses Ziel müsse rasch in einem Gesetz formuliert werden, sagte Krieger. Insgesamt produziert­en die deutschen Offshore-Windkraftw­erke 2019 fast 24,2 Terawattst­unden Strom, im Vergleich zu 19,1 Terawattst­unden im Vorjahr. Damit könnte rechnerisc­h der Stromverbr­auch von mehr als sieben Millionen Haushalten gedeckt werden. Zur gesamten Windstromp­roduktion in Deutschlan­d von 122 Terawattst­unden steuert Offshore somit 19,8 Prozent bei. Die Leistung der in der Nordsee installier­en Windräder erhöhte sich von 5313 auf 6436 Megawatt. Diese theoretisc­he Kapazität wird in der Praxis jedoch nicht ausgeschöp­ft, weil nicht alle Windkraftw­erke gleichzeit­ig auf vollen Touren laufen.

Zu einem der größten deutschen Projektent­wickler zählt inzwischen die Energie Baden-Württember­g (EnBW). Deren Leiter Erzeugung und Portfolioe­ntwicklung, Dirk Güsewell, sagte, den ganzen Markt beschäftig­e die Frage, wie geht es weiter. Auch der drittgrößt­e deutsche Versorger schaut sich deshalb gezielt im Ausland um, vor allem in Amerika oder auch in Taiwan.

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FOTO: ENBW EnBW-Windpark Hohe See: Der Energiever­sorger aus Karlsruhe gehört zu den größten Projektent­wicklern in der Nord- und Ostsee.

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