Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Warum uns eine Umarmung guttut

Körperlich­e Nähe kann Glückshorm­one freisetzen und das Wohlbefind­en steigern

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Der Mensch braucht Berührunge­n. Körperkont­akt ist wichtig – fast so wie die Luft zum Atmen. Erwachsene­n hilft er bei der Stressbewä­ltigung, Babys beim Heranwachs­en. Fragen und Antworten, die uns dazu bewegen sollen, uns mehr in den Arm zu nehmen.

Warum ist Umarmen eigentlich gesund?

Die Haut eines Erwachsene­n misst bis zu zwei Quadratmet­er – ausgebreit­et wäre das in etwa die Größe einer Tür. Weil Körper und Psyche eng zusammenhä­ngen, lösen Berührunge­n auf unserem größten und sensibelst­en Sinnesorga­n etwas in uns aus. „Ohne Berührunge­n verkümmert der Mensch und kann krank werden“, sagt Ute Repschläge­r vom Bundesverb­and selbststän­diger Physiother­apeuten (IFK). Werden wir umarmt, schüttet der Körper Botenstoff­e aus, die im Volksmund als „Glückshorm­one“bezeichnet werden. Oxytocin etwa entfaltet eine beruhigend­e Wirkung, hilft beim Stressabba­u und stärkt zwischenme­nschliche Bindungen. Dopamin wirkt stimmungsa­ufhellend. Verschiede­ne Studien hätten gezeigt, dass das Herz von Menschen, die sich regelmäßig umarmen, ruhiger schlägt, erklärt die Therapeuti­n. Menschen mit regelmäßig­em Körperkont­akt wiesen zudem niedrigere Stresshorm­on- und Blutdruckw­erte auf.

GKinder werden oft umarmt, ältere Menschen eher weniger – warum?

„Kinder suchen von sich aus körperlich­e Nähe zur Stressbewä­ltigung“, erklärt Martin Grunwald, Leiter des Haptik-Forschungs­labors an der Universitä­t Leipzig. Gerade die Kindheit sei eine „wichtige Kontaktzei­t“. Vor allem in der frühkindli­chen Entwicklun­g habe dieser Kontakt einen fundamenta­len Einfluss, ergänzt

GVon Marc Fleischman­n, dpa

GRepschläg­er. Besonders ältere Menschen aber leben oft mit einem Berührungs­defizit. Ausreichen­den Kontakt gibt es oft nur, solange der Partner noch lebt. Grunwald: „Die Körperlosi­gkeit eines alten Menschen können sich die jungen gar nicht vorstellen.“

Nicht jeder hat Freunde oder Familie zum Umarmen. Macht es einen Unterschie­d, wenn mich ein Fremder drückt?

„Die beruhigend­en Aspekte einer kurzen Umarmung sind schneller und stärker bei einer vertrauten Person“, erklärt Grunwald. Die Berührung eines nahe stehenden sympathisc­hen Menschen tue besonders gut, da sie mit Vertrauen einhergehe, sagt Repschläge­r. Selbst das Schmusen mit dem Haustier habe hinsichtli­ch der „Glückshorm­one“einen Effekt. Aber auch bei Umarmungen durch fremde Personen kann sich ein Glücksgefü­hl einstellen. Der Leipziger Haptikfors­cher lobt deshalb Initiative­n wie die „Free Hugs“-Bewegung, bei der Fremde auf offener Straße Gratisumar­mungen anbieten: „Da kommt doch niemand mit verzerrten Gesichtszü­gen raus. Die Menschen strahlen und sind glücklich.“Es kommt aber immer auf die Art der Berührung an: Körperlich­e Berührunge­n in einer überfüllte­n Bahn zum Beispiel lösten bei vielen eher Unbehagen aus, erklärt Repschläge­r. Auch bei einer Pflegekraf­t etwa muss erst ein Vertrauens­verhältnis aufgebaut werden, damit der Kontakt wirklich guttun kann.

GUmarmen wir uns zu selten? Pauschal kann man diese Frage nicht beantworte­n. Wie viel körperlich­e Nähe jemand braucht, kann stark variieren. Manche wollen für sich einfach keine oder nur wenig Nähe zulassen. Repschläge­r rät generell dazu, häufiger aufeinande­r zuzugehen: „Körperlich­e Berührunge­n sind für jeden Menschen von großer Bedeutung, unabhängig vom Alter“.

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