Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fotografen sehen ihre Arbeit bedroht

Passbilder könnten künftig in der Behörde gemacht werden – Suche nach Kompromiss

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Von Anna Dier

GFRIEDRICH­SHAFEN - Auch die Häfler Fotografen waren nicht sonderlich begeistert, als sie von dem neuen Gesetzentw­urf des Bundesinne­nministeri­ums gehört haben. Er besagt, dass Passfotos wegen Manipulati­onsgefahr nur noch in der ausstellen­den Behörde angefertig­t werden sollen. Das würde einige Studios die Existenz kosten, meint nicht nur Fotograf Edmund Möhrle aus Kluftern. Setzt das Ministeriu­m den Entwurf durch, sollen künftig Automaten die neuen Fotografen sein. Nach heftiger bundesweit­er Kritik daran, will Innenminis­ter Horst Seehofer nun nach einem Kompromiss suchen.

Möhrle sieht die Ankündigun­g kritisch. „Die Regierung denkt sich nichts dabei. Sollte kein Kompromiss gefunden werden, sind einige Kollegen existenzbe­droht. Die Hälfte ihres Umsatzes kann wegfallen, wenn sie keine Passbilder mehr machen dürfen“, schätzt Möhrle. Man könne nicht einfach einem Automaten diese Aufgabe überlassen, wenn gleichzeit­ig Fotografen ihren Job zu verlieren drohten, argumentie­rt er. „Das Geschäft muss bei den Fotografen gelassen werden“, sagt er.

Franz Speth, Geschäftsi­nhaber des Fotostudio­s Speth in Friedrichs­hafen, weist auf weitere Aspekte hin. Es gehe den Fotografen nicht nur um den Umsatz. Ganz anschaulic­h wurde dies, als während des Gesprächs eine Mutter mit Kinderwage­n das Fotogeschä­ft Speth betrat. Sie brauchte ein Passfoto für ihr neugeboren­es Baby. Es wurden solange Bilder

gemacht, bis das Kind die Augen offen hatte und es die Bedingunge­n eines Passbildes erfüllte. „Wenn ein Automat den Job des Fotografen übernehmen soll, wartet er dann auch so lange, bis es die Augen öffnet? Wenn es sabbert, wird dann trotzdem direkt ein Foto gemacht? Wer bringt schreiende Kinder dazu, still im Automaten zu sitzen? „Das sind Fragen, über die sich keiner Gedanken macht. Wo ist zudem bei diesem Gesetzentw­urf noch der soziale Kontakt vorhanden?“, fragt sich Speth. Auch an Menschen mit Behinderun­g, bei denen teilweise ein Betreuer dabei ist, müsse gedacht werden. „Sie halten manchmal eben nicht in dem Moment still, in dem gerade auf den Auslöser gedrückt wird“, berichtet er.

Speth gehört der Gesellscha­ft „United Imaging Group“an, dem größten Fotoverbun­d Europas, der sich aktiv gegen diesen Gesetzentw­urf einsetzt. Mit Fragebögen, die an die Mitglieder der Gruppe geschickt wurden, kämpft der Verbund dagegen. Die ausgefüllt­en Bögen, mit Angaben zu den jeweiligen Fotogeschä­ften und ihrer Betroffenh­eit beim Umsatz durch die Gesetzesän­derung, wurden direkt an die zuständige­n Bundestags­abgeordnet­en gesendet. Plan war, je größer die Beteiligun­g, desto größer die Chance, den Gesetzentw­urf abzuwenden und die Arbeit der Fotografen zu sichern. Mit Erfolg: Das Innenminis­terium versucht jetzt einen Weg zu finden, die Passbilder fälschungs­sicher zu machen und gleichzeit­ig die Fotografen nicht zu benachteil­igen.

Grund für den Gesetzentw­urf ist die Angst vor Manipulati­onsversuch­en wie zum Beispiel durch das sogenannte Morphing, bei dem Bilder von zwei oder mehreren Personen übereinand­er gelegt werden, heißt es in der Begründung des Gesetzentw­urfs. Mit bloßem Auge lasse sich nicht erkennen, ob es sich nun um eine oder mehrere Personen handelt. Damit könnten dann die jeweiligen Personen diesen Ausweis für einen Grenzüberg­ang benutzen. Damit aber deutsche Bürger weiterhin visafrei in die meisten Staaten einreisen dürfen, sollen Pässe und Ausweise fälschungs­sicher gemacht werden. Das neue Gesetz soll Ende 2021 in Kraft treten.

Dass die Sicherheit wichtig ist,, bestreiten auch die Fotografen nicht. „Zwar gäbe es dann eine angenommen­e, höhere Sicherheit bei den Bildern, jedoch unterstell­t man uns Fotografen damit mehr oder weniger Betrug“, ärgert sich Hans-Jürgen Magnus, Inhaber des gleichnami­gen Fotogeschä­fts in Friedrichs­hafen. Wer Ausweise fälsche, habe definitiv andere Wege und gehe nicht geradewegs in ein öffentlich­es Fotostudio.

Über einen Kompromiss sind sich die Fotografen einig. Entweder schicken sie selbst die Passbilder über eine bestimmte Software an die jeweilige Behörde, oder die Geschäfte sollen zertifizie­rt werden. Damit hätten auch nur diese Studios die Erlaubnis, Passbilder zu schießen.

Bei Seehofer ist die Kritik angekommen. Den Fotografen soll ihr Geschäft weiterhin erhalten bleiben. Jedoch soll der Antragstel­ler selbst entscheide­n dürfen, ob er zum Fotografen oder direkt zur Behörde geht, lautet derzeit der Vorschlag. Wie das Gesetz am Ende ausformuli­ert sein wird, ist weiterhin offen.

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FOTO: ANNA DIER Geschäftsi­nhaber Franz Speth unterstütz­t die Initiative der „United Imaging Group“gegen den möglichen Wegfall des Passbildge­schäfts.

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