Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Flughafen-Streik: Weitere Aktionen denkbar
Die Geschäftsleitung wird kalt erwischt und kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaft
FRIEDRICHSHAFEN - Der unangekündigte Warnstreik der Mitarbeiter des Bodensee-Airports in Friedrichshafen hat die Geschäftsleitung kalt erwischt. Die Gewerkschaft Verdi hatte die Flughafen-Bediensteten am Montagabend zu einem dreistündigen Warnstreik aufgerufen. Derzeit laufen Tarifverhandlungen am Flughafen Friedrichshafen. Verdi fordert mehr Geld für die insgesamt rund 80 Mitarbeiter – und schließt weitere Aktionen nicht aus. Die Flughafen Friedrichshafen GmbH bezeichnet das Vorgehen der Gewerkschaft als „unverständlich“und kritisiert, dass Verdi Details aus den Verhandlungen öffentlich gemacht und somit eine einvernehmlich getroffene Vereinbarung missachtet hat.
Ein Flugzeug aus Frankfurt mit 51 Passagieren, das normalerweise um 21.25 Uhr in Friedrichshafen gelandet wäre, konnte aufgrund des Warnstreiks nicht abgefertigt werden. Es musste umdrehen und zurückfliegen. Auch der Flug, den ebenfalls 51 Passagiere am Dienstagmorgen nach Frankfurt gebucht hatten, musste annulliert werden, weil sich das Flugzeug dadurch nicht in Friedrichshafen befand. Darüber hinaus musste ein Businessjet aus Moskau umgeleitet werden. Laut Andreas HumerHager, dem Pressesprecher des Bodensee-Airports, landete er in Stuttgart.
Jutta Aumüller, stellvertretende Geschäftsführerin bei Verdi im Bezirk Ulm-Oberschwaben, ist zufrieden mit dem Verlauf des Warnstreiks. „Im Vorfeld kann man als Außenstehender von der Gewerkschaft oft nicht einschätzen, wie es laufen wird“, sagt sie. „Es hat sich aber gezeigt, dass die Kollegen und Kolleginnen hinter den Tarifverhandlungen stehen. Es ist ihnen ernst, dass wir eine angemessene Lohnerhöhung durchsetzen.“Insgesamt haben sich ihren Angaben zufolge rund 20 Mitarbeiter am Warnstreik beteiligt und somit mehr als die Schicht, die gerade im Dienst war. „Im Lauf des Abends kamen immer mehr Mitarbeiter dazu und zeigten sich solidarisch“, sagt Aumüller.
Die Gewerkschaft habe die Geschäftsführung der Flughafen Friedrichshafen GmbH nun angeschrieben und aufgefordert, bis Mittwoch, 20 Uhr, ein Angebot zu unterbreiten. Wenn der Arbeitgeber nicht antworte, sei es durchaus möglich, dass wieder gestreikt wird. „Wir werden das in unsere Überlegungen einbeziehen“, sagt sie. Jetzt liege es an Flughafen-Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr, ob er es darauf ankommen lasse. Dieser Zeitpunkt ist äußerst heikel für den Flughafen: Am Donnerstag soll Bundeskanzlerin Angela Merkel über Friedrichshafen nach Davos reisen.
Bisherige Verhandlungen führten Angaben der Gewerkschaft zufolge nicht zu einem akzeptablen Ergebnis. Verdi kritisiert unter anderem die niedrigen Lohnerhöhungen von 0,5 und 0,75 Prozent, die der Arbeitgeber angeboten hatte. Nicht einmal die Inflation werde ausgeglichen, heißt es seitens Verdi.
Der Flughafen kontert: Das Ausgangsniveau der derzeitigen Gehälter sei als „marktgerecht“einzuschätzen, es würde auch dem Vergleich zu anderen Regionalflughäfen standhalten. In den Jahren 2015 bis 2017 seien Lohnsteigerungen von insgesamt sieben Prozent erfolgt, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Gewerkschaft prangert insbesondere die Erfolgsabhängigkeit an, an die der Flughafen die Erhöhungen binden will. Weil er sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, sei damit zu rechnen, dass es mehrere Jahre in Folge womöglich überhaupt keine Erhöhungen gebe, teilt Verdi mit. „Es ist nicht in Ordnung, dass sich Stadt und Kreis ihren gewünschten Flughafen immer mehr vom eigenen Personal mitfinanzieren lassen“, wird Verdi-Verhandlungsführer Andreas Schackert in einer Pressemitteilung zitiert. Der Warnstreik solle den beiden Haupteignern zeigen, dass es auch bei ihren
Beschäftigten Grenzen für die Loyalität mit ihrem Flughafen gebe.
Der Flughafen befinde sich Angaben des Unternehmens zufolge insbesondere aufgrund der Insolvenzen verschiedener Fluggesellschaften, die in Friedrichshafen stark vertreten waren, derzeit in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Deshalb habe die Geschäftsleitung an die Tarifpartei appelliert, „maßvoll und angemessen“vorzugehen. „Die Anwendung eines Tarifwerkes, wie es an Großflughäfen etabliert ist, kann an einem Regionalflughafen keine Anwendung finden und verhindert eine maßvolle und angemessene Entwicklung“, heißt es.
„In der Woche des Weltwirtschaftsforums in Davos hätten wir durch einen anderen Streikzeitpunkt sehr leicht größeren Druck auf den Arbeitgeber ausüben können“, heißt es im Streikaufruf. Es gehe aber nicht darum, dem Flughafen zu schaden, sondern darum, dem Arbeitgeber ein klares Signal zu senden, dass es den Mitarbeitern ernst sei.
Der Flughafen reagiert mit Unverständnis auf den Warnstreik wie auch auf das nachgeschobene Ultimatum, innerhalb von zwei Tagen ein verbessertes Angebot vorzulegen. Dieses Verhalten werde als „verantwortungslos und bedrohlich empfunden, weil mit diesen Forderungen Arbeitsplätze ernsthaft gefährdet werden“, schreibt der Flughafen. In der Pressemitteilung des Bodensee-Airports wird bekräftigt, dass man weiterhin konstruktive Tarifverhandlungen führen möchte, die aber die besondere wirtschaftliche Situation des Flughafens berücksichtigen.