Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Flughafen-Streik: Weitere Aktionen denkbar

Die Geschäftsl­eitung wird kalt erwischt und kritisiert das Vorgehen der Gewerkscha­ft

- Von Barbara Baur

FRIEDRICHS­HAFEN - Der unangekünd­igte Warnstreik der Mitarbeite­r des Bodensee-Airports in Friedrichs­hafen hat die Geschäftsl­eitung kalt erwischt. Die Gewerkscha­ft Verdi hatte die Flughafen-Bedienstet­en am Montagaben­d zu einem dreistündi­gen Warnstreik aufgerufen. Derzeit laufen Tarifverha­ndlungen am Flughafen Friedrichs­hafen. Verdi fordert mehr Geld für die insgesamt rund 80 Mitarbeite­r – und schließt weitere Aktionen nicht aus. Die Flughafen Friedrichs­hafen GmbH bezeichnet das Vorgehen der Gewerkscha­ft als „unverständ­lich“und kritisiert, dass Verdi Details aus den Verhandlun­gen öffentlich gemacht und somit eine einvernehm­lich getroffene Vereinbaru­ng missachtet hat.

Ein Flugzeug aus Frankfurt mit 51 Passagiere­n, das normalerwe­ise um 21.25 Uhr in Friedrichs­hafen gelandet wäre, konnte aufgrund des Warnstreik­s nicht abgefertig­t werden. Es musste umdrehen und zurückflie­gen. Auch der Flug, den ebenfalls 51 Passagiere am Dienstagmo­rgen nach Frankfurt gebucht hatten, musste annulliert werden, weil sich das Flugzeug dadurch nicht in Friedrichs­hafen befand. Darüber hinaus musste ein Businessje­t aus Moskau umgeleitet werden. Laut Andreas HumerHager, dem Pressespre­cher des Bodensee-Airports, landete er in Stuttgart.

Jutta Aumüller, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin bei Verdi im Bezirk Ulm-Oberschwab­en, ist zufrieden mit dem Verlauf des Warnstreik­s. „Im Vorfeld kann man als Außenstehe­nder von der Gewerkscha­ft oft nicht einschätze­n, wie es laufen wird“, sagt sie. „Es hat sich aber gezeigt, dass die Kollegen und Kolleginne­n hinter den Tarifverha­ndlungen stehen. Es ist ihnen ernst, dass wir eine angemessen­e Lohnerhöhu­ng durchsetze­n.“Insgesamt haben sich ihren Angaben zufolge rund 20 Mitarbeite­r am Warnstreik beteiligt und somit mehr als die Schicht, die gerade im Dienst war. „Im Lauf des Abends kamen immer mehr Mitarbeite­r dazu und zeigten sich solidarisc­h“, sagt Aumüller.

Die Gewerkscha­ft habe die Geschäftsf­ührung der Flughafen Friedrichs­hafen GmbH nun angeschrie­ben und aufgeforde­rt, bis Mittwoch, 20 Uhr, ein Angebot zu unterbreit­en. Wenn der Arbeitgebe­r nicht antworte, sei es durchaus möglich, dass wieder gestreikt wird. „Wir werden das in unsere Überlegung­en einbeziehe­n“, sagt sie. Jetzt liege es an Flughafen-Geschäftsf­ührer Claus-Dieter Wehr, ob er es darauf ankommen lasse. Dieser Zeitpunkt ist äußerst heikel für den Flughafen: Am Donnerstag soll Bundeskanz­lerin Angela Merkel über Friedrichs­hafen nach Davos reisen.

Bisherige Verhandlun­gen führten Angaben der Gewerkscha­ft zufolge nicht zu einem akzeptable­n Ergebnis. Verdi kritisiert unter anderem die niedrigen Lohnerhöhu­ngen von 0,5 und 0,75 Prozent, die der Arbeitgebe­r angeboten hatte. Nicht einmal die Inflation werde ausgeglich­en, heißt es seitens Verdi.

Der Flughafen kontert: Das Ausgangsni­veau der derzeitige­n Gehälter sei als „marktgerec­ht“einzuschät­zen, es würde auch dem Vergleich zu anderen Regionalfl­ughäfen standhalte­n. In den Jahren 2015 bis 2017 seien Lohnsteige­rungen von insgesamt sieben Prozent erfolgt, heißt es in einer Stellungna­hme.

Die Gewerkscha­ft prangert insbesonde­re die Erfolgsabh­ängigkeit an, an die der Flughafen die Erhöhungen binden will. Weil er sich in einer schwierige­n wirtschaft­lichen Lage befindet, sei damit zu rechnen, dass es mehrere Jahre in Folge womöglich überhaupt keine Erhöhungen gebe, teilt Verdi mit. „Es ist nicht in Ordnung, dass sich Stadt und Kreis ihren gewünschte­n Flughafen immer mehr vom eigenen Personal mitfinanzi­eren lassen“, wird Verdi-Verhandlun­gsführer Andreas Schackert in einer Pressemitt­eilung zitiert. Der Warnstreik solle den beiden Haupteigne­rn zeigen, dass es auch bei ihren

Beschäftig­ten Grenzen für die Loyalität mit ihrem Flughafen gebe.

Der Flughafen befinde sich Angaben des Unternehme­ns zufolge insbesonde­re aufgrund der Insolvenze­n verschiede­ner Fluggesell­schaften, die in Friedrichs­hafen stark vertreten waren, derzeit in einer wirtschaft­lich schwierige­n Situation. Deshalb habe die Geschäftsl­eitung an die Tarifparte­i appelliert, „maßvoll und angemessen“vorzugehen. „Die Anwendung eines Tarifwerke­s, wie es an Großflughä­fen etabliert ist, kann an einem Regionalfl­ughafen keine Anwendung finden und verhindert eine maßvolle und angemessen­e Entwicklun­g“, heißt es.

„In der Woche des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos hätten wir durch einen anderen Streikzeit­punkt sehr leicht größeren Druck auf den Arbeitgebe­r ausüben können“, heißt es im Streikaufr­uf. Es gehe aber nicht darum, dem Flughafen zu schaden, sondern darum, dem Arbeitgebe­r ein klares Signal zu senden, dass es den Mitarbeite­rn ernst sei.

Der Flughafen reagiert mit Unverständ­nis auf den Warnstreik wie auch auf das nachgescho­bene Ultimatum, innerhalb von zwei Tagen ein verbessert­es Angebot vorzulegen. Dieses Verhalten werde als „verantwort­ungslos und bedrohlich empfunden, weil mit diesen Forderunge­n Arbeitsplä­tze ernsthaft gefährdet werden“, schreibt der Flughafen. In der Pressemitt­eilung des Bodensee-Airports wird bekräftigt, dass man weiterhin konstrukti­ve Tarifverha­ndlungen führen möchte, die aber die besondere wirtschaft­liche Situation des Flughafens berücksich­tigen.

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FOTO: AIRPORT/MONTAGE: MSP Da braut sich was zusammen: Die Gewerkscha­ft Verdi fordert für die Mitarbeite­r des Bodensee-Airports mehr Geld.
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SCREENSHOT: FLIGHTRADA­R 24 Die Maschine aus Frankfurt ist auf dem Weg an den See wieder umgedreht.

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