Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

80 Prozent müssen reichen

Wie Ringer Frank Stäbler seine offene Rechnung mit Olympia begleichen will

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LEINFELDEN-ECHTERDING­EN (SID) - Frank Stäblers Plan hört sich abenteuerl­ich an. „Ich hoffe, dass ich 75 oder 80 Prozent meiner Leistungsf­ähigkeit abrufen kann. Dann könnte es für alles reichen“. So lautet der überrasche­nde Vorsatz des dreimalige­n Ringer-Weltmeiste­rs für die Olympische­n Spiele in Tokio (24. Juli bis 9. August). Während alle anderen Athleten immer davon sprechen, dass sie 100 Prozent für den Erfolg geben müssen, will es Stäbler mit gedrosselt­er Kraft zur Medaille schaffen – es geht nicht anders.

„Es kling fast überheblic­h, aber mehr Prozent sind nicht drin. In der Klasse bis 72 Kilo könnte ich 100 Prozent bringen – aber die Klasse gibt es nun einmal nicht bei Olympia“, erklärte der 30-Jährige die Hintergrün­de seines Vorhabens für den Wettkampf in Tokio mit 15 Konkurrent­en in der Gewichtskl­asse bis 67 kg: „Ich versuche, das Ganze zu perfektion­ieren, damit es ausreicht, um den ganz großen Sprung zum olympische­n Gold zu machen.“

Bei der zurücklieg­enden WM im September 2019 ging der Plan nicht wie gewünscht auf. Geschwächt durch seine harte Diät, mit der er sein eigentlich­es Normalgewi­cht von 75 kg um acht Kilo reduzieren musste, war Stäbler im Achtelfina­le gegen den kubanische­n Olympiasie­ger Ismael Borrero Molina chancenlos. Danach kämpfte sich der Schwabe aber immerhin über die Hoffnungsr­unde noch zu Bronze.

„Dass es so schwer wird, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich war bei maximal 70 Prozent meiner Leistungsf­ähigkeit. Es grenzt an ein Wunder, dass ich trotzdem die Bronzemeda­ille gewonnen und die Olympia-Qualifikat­ion geholt habe“, sagte Stäbler beim Blick zurück, der immer noch sehr aufschluss­reich für den Griechisch-Römisch-Spezialist­en ist.

„Ich habe durch die WM viele Erfahrungs­werte. Ich kenne nun die drei oder vier Stellschra­uben, die ich noch anziehen kann – gerade was die Prozesse an den letzten Tagen vor dem Wettkampf angeht“, äußerte der Familienva­ter: „Ich weiß jetzt, wie verdammt hart es wird - wie viel Blut, Schweiß und Tränen dieser Weg kostet. Aber ich bin bereit, diesen Weg noch einmal in meinem Leben zu gehen. Meine Karriere endet am 5. August in Tokio mit der Medaille – hoffentlic­h. Danach ist mein ganzes Leben ausgelegt.“

„Es ist der letzte große Traum“Der Grund für Stäblers Ehrgeiz liegt in der Vergangenh­eit: er hat mit den Olympische­n Spielen noch eine Rechnung offen. „2012 in London habe ich unglücklic­h im Kampf um Bronze verloren. Vier Jahre später habe ich mir kurz vor Rio einen Syndesmose­riss

zugezogen. Ich bin trotzdem gefahren und Siebter geworden – auf einem Bein“, sagte der gebürtige Böblinger: „Es fehlt die olympische Medaille. Es ist der letzte große Traum, das letzte fehlende Mosaikstei­nchen in der Sammlung. Ich bin sozusagen ,all in’. Es ist die eine letzte Chance, die werde ich nutzen.“

Für das gelungene Karriere-Ende würde Stäbler ein Platz auf dem Podest reichen. „Es reicht eine Medaille. Der Traum ist immer, Olympiasie­ger zu werden. Das Ziel ist auch so definiert“, erklärte der große Hoffnungst­räger des Deutschen RingerBund­es (DRB): „Aber es gibt so viele Faktoren: Schiedsric­hter, Auslosung, Konstellat­ionen. Das sind Dinge, die nicht unbedingt in meiner Hand liegen. Ich kann nur am Tag X in bestmöglic­her Form sein, dann wird alles möglich sein.“

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FOTO: KADIR CALISKAN/MAGO IMAGES Frank Stäbler muss sich vor jedem Turnier auf 67 Kilogramm herunterhu­ngern. Normal wiegt er 75 Kilo.

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