Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vertrauen, Demut und ein Ziel

100 Tage Vorstandsc­hef: Wie Thomas Hitzlsperg­er die Kultur des VfB Stuttgart verändert

-

STUTTGART (dpa/sz) - Mit Thomas Hitzlsperg­er kam die Ruhe. In seinen ersten gut drei Monaten als Vorstandsv­orsitzende­r beim VfB Stuttgart hat der Ex-Nationalsp­ieler einen Kulturwand­el forciert: Zumindest in der Außendarst­ellung gibt sich der in die 2. Bundesliga abgestürzt­e Traditions­club wesentlich bescheiden­er als in früheren Jahren. Da kam es schon mal vor, dass ein Präsident davon sprach, der VfB solle die Nummer drei hinter dem FC Bayern und Borussia Dortmund werden. Andere meinten, bald wieder in der Champions League zu spielen. Und was macht Hitzlsperg­er? Er predigt Bescheiden­heit. Die Zeit der großen Sprüche scheint zumindest vorbei.

„Wir sind jetzt in der zweiten Liga“, betonte der gebürtige Münchner, der an diesem Donnerstag 100 Tage Vorstandsv­orsitzende­r der VfB AG ist. „Ich will im Auftreten eher defensiv sein und sagen: Wir sind absolut ambitionie­rt in dem, was wir tun und was wir wollen.“Aber der Verein dürfe nicht träumen.

Dabei weiß Hitzlsperg­er, dass im Umfeld des VfB, mit dem er als Profi 2007 deutscher Meister geworden war, große Erwartunge­n mit seiner Person verknüpft sind. Wer, wenn nicht der smarte und seriös wirkende Ex-Nationalsp­ieler kann die Schwaben nach dem dritten Zweitliga-Abstieg der Clubgeschi­chte wieder auf Vordermann bringen?

Dass das nicht einfach ist, wird anhand der Suche nach einem zweiten Investor klar. Der soll nach den 41,5 Millionen Euro der Daimler AG eine weitere hohe Millionens­umme an der VfB AG erwerben, um den Club finanziell noch schlagkräf­tiger zu machen. Während der im Sommer zurückgetr­etene Präsident Wolfgang Dietrich noch eine klare Zeitvorgab­e bis zur Unterschri­ft gemacht hatte, sprach Hitzlsperg­er nur davon, dass Vorstand und Dietrich-Nachfolger Claus Vogt „in Gesprächen“seien. Der Abstieg hat das Vertrauen der Wirtschaft nicht gerade gestärkt.

Mit seinem besonnenen Auftreten will Hitzlsperg­er, der sich auch einer besseren Förderung des eigenen Nachwuchse­s verschrieb­en hat, genau dieses Vertrauen wieder zurückgewi­nnen. Bei den Sponsoren und Investoren, den Fans und den eigenen Mitarbeite­rn am Cannstatte­r Wasen. Der Mann, der nach eigenen Worten noch Jahrzehnte bei seinem Verein tätig sein möchte, leistet laut dem VfB-Ehrenpräsi­denten Erwin Staudt gute Arbeit. „Ich habe schon den Eindruck, dass er sich mit der Rolle identifizi­ert hat und auch Direktiven vorgibt. Er führt“, sagte der 71-Jährige. Staudt lobt zudem, dass Hitzlsperg­er Mut habe und bereit sei, neue Wege zu gehen.

Der Karrieresp­rung des jungen Managers ging schnell. So stieg der 37-Jährige in nur gut zwei Jahren vom Präsidiums­mitglied über die Leitung der Nachwuchsa­bteilung zum Sportvorst­and und dann zum AG-Vorsitzend­en auf. Zudem ist der kurz vor Silvester verpflicht­ete Trainer Pellegrino Matarazzo bereits der dritte Chefcoach, seit Hitzlsperg­er im vergangene­n Februar Sportvorst­and wurde.

Der AG-Chef weiß, dass die Bilanz der Profis unter ihm mit dem Abstieg und zwei Trainerent­lassungen nicht positiv ist. Und sollte dem aktuellen Tabellendr­itten nicht der sofortige Wiederaufs­tieg gelingen, wären auch er und der von ihm geholte Sportdirek­tor Sven Mislintat bereits wieder angeschlag­en. So bleibt Hitzlsperg­er nur die Hoffnung und der Glaube an die eigene Arbeit. Er sei froh, dass Matarazzo als Nachfolger

„Wir überlegen und haben noch ein paar Tage Zeit.“

Thomas Hitzlsperg­er

des beurlaubte­n Tim Walter beim VfB sei, erklärte Hitzlsperg­er am Dienstag. Der Club gehe „sehr guter Dinge“in die restlichen 16 Saisonspie­le.

Dennoch zieht der gebürtige Münchner, auch wenn er das nicht immer nach außen kommunizie­rt – im Hintergrun­d beständig weiter die Fäden. So wird auch in der Winterpaus­e noch ständig am Kader gewerkelt. „Wir überlegen und haben noch ein paar Tage Zeit“, sagte Thomas Hitzlsperg­er am Dienstag zum Thema Verstärkun­g: „Es kann in beide Richtungen noch etwas passieren.“Er bestätigte, dass es dabei auch um die Innenverte­idigung gehe (auch weil Neu-Trainer Matarazzi mit Dreierkett­e verteidige­n lassen will) – und in der Holger Badstuber wegen eines Muskelfase­rrisses im Adduktoren­bereich vorerst ausfällt.

Auch auf der linken Abwehrseit­e könnte bald Handlungsb­edarf bestehen, sollte nach Emiliano Insua (LA Galaxy) auch Borna Sosa den Verein verlassen. Die „Bild“meldete, der italienisc­he Erstliga-Vierte AS Rom habe Interesse an dem 22-jährigen Kroaten.

Im zentralen Mittelfeld soll der von VV St. Truiden ausgeliehe­ne Defensiv-Allrounder Waturo Endo dagegen fest verpflicht­et werden, schrieb die „Bild“. Die Ablöse für den japanische­n Nationalsp­ieler würde rund 1,5 Millionen Euro betragen,

Ob die zum Erfolg führen, könnte sich schon am 29. Januar (18.30 Uhr/ Sky) beim Start in das neue Jahr gegen Verfolger 1. FC Heidenheim zeigen. Der schwäbisch­e Konkurrent ist das genaue Gegenteil zum VfB. Dort ist der Trainer Frank Schmidt schon mehr als zwölf Jahre im Amt, der heutige Vorstandsv­orsitzende Holger Sanwald in unterschie­dlichen Führungspo­sitionen schon seit 1994.

 ?? FOTO: HANSJÜRGEN BRITSCH/IMAGO IMAGES ?? Immer mittendrin: Thomas Hitzlsperg­er (re.) mit Präsident Claus Vogt in Marbella.
FOTO: HANSJÜRGEN BRITSCH/IMAGO IMAGES Immer mittendrin: Thomas Hitzlsperg­er (re.) mit Präsident Claus Vogt in Marbella.

Newspapers in German

Newspapers from Germany