Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schlagabta­usch im Stiftungss­treit

Nachfahren des Grafen treffen vor Gericht auf Vertreter von RP und Stadt.

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Von Martin Hennings

SIGMARINGE­N - Juristisch­es Kolloquium, Historisch­es zur Familie Zeppelin, mehrere emotionale Ausbrüche des Urenkels des Grafen Zeppelin – die erste Verhandlun­g zum Streit um die Zeppelin-Stiftung vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n am Mittwoch hatte für den vollbesetz­ten Saal durchaus Unterhaltu­ngswert. Ein Urteil wurde erwartungs­gemäß nicht gefällt. Die 6. Kammer will am Donnerstag mitteilen, wie es in der Sache weitergehe­n wird.

Dass unter dem Aktenzeich­en 6 K 300/17 kein alltäglich­er Fall verhandelt wird, ist schon an der Tatsache abzulesen, dass eine Sicherungs­gruppe der Justiz den Zugang zum Sitzungssa­al 2.8 überwacht. Und auch der Vorsitzend­e Richter der 6. Kammer, Armin Horn, bekennt, dass er „in meinem ganzen Leben noch nie so viele juristisch­e Hochkaräte­r vor mir sitzen“hatte. Dies zeige die Bedeutung des Falls.

Es geht um die Zeppelin-Stiftung. 1908 von Ferdinand Graf von Zeppelin gegründet, um Luftschiff­e zu bauen. 1947 aufgehoben und als rechtlich unselbstst­ändige Stiftung unter die Verwaltung der Stadt Friedrichs­hafen gestellt. Heute Hauptgesel­lschafteri­n des Autozulief­erers ZF (Jahresumsa­tz: fast 37 Milliarden Euro) und des Baumaschin­enhändlers Zeppelin GmbH (knapp drei Milliarden Euro). Mit ihren Erträgen fördert die Stadt Friedrichs­hafen gemeinnütz­ige und mildtätige Zwecke in der 63 000-Einwohner-Stadt. Im Jahr 2019 mit über 100 Millionen Euro, von der Unterstütz­ung Bedürftige­r bis zum Bau eines neuen Hallenbads.

Seit 2015 versuchen Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin, Urenkel des Grafen, und sein Sohn Frederic, die Stiftung in ihrer ursprüngli­chen

Form wiederhers­tellen zu lassen, mit Familienmi­tgliedern an entscheide­nder Stelle. Einen entspreche­nden Antrag hat die zuständige Aufsichtsb­ehörde, das Regierungs­präsidium Tübingen, abgelehnt. Dagegen klagen die beiden Adeligen. Sie sagen: Die Stiftung sei rechtswidr­ig aufgelöst worden, ihre Erträge würden nicht so verwendet, wie vom Stifter gewünscht und verfügt.

Richter Horn stellt klar, dass sich das Gericht zunächst nur mit der Frage beschäftig­en wird, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Dies geschehe angesichts des komplexen Falls aus „prozessöko­nomischen Überlegung­en“. Über 2000 Seiten in neun Aktenbände­n umfasst das schriftlic­he Vorspiel der Verhandlun­g am Mittwoch. Und obwohl das Gericht die Parteien – die klagenden Adeligen und ihre Anwälte, die Vertreter des beklagten Landes, das vom RP vertreten wird, und die Rechtsbeis­tände der zum Verfahren beigeladen­en Stadt – ausdrückli­ch auffordert, nur „zu erläutern, zu ergänzen, darzustell­en, was noch nicht schriftlic­h dargestell­t ist“, passiert immer wieder das Gegenteil. Oft geht es dabei um juristisch­e Spitzfindi­gkeiten, nicht immer haben die Beteiligte­n sich komplett im Griff. Anwälte beider Seiten werfen sich gegenseiti­g vor, dem anderen ins Wort zu fallen. Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin sagt, es gehe darum, „eine Sauerei“aufzukläre­n. Die Kläger behaupten, die Stadt würden ihnen Akten in der Sache vorenthalt­en, die Stadt wiederum sagt, dass die Adeligen, deren Schloss in Mittelbibe­rach steht, keine vernünftig­en Angaben machen würden, welche Unterlagen sie einsehen wollen. Zum Thema Akteneinsi­cht sind mehrere Klagen anhängig.

Es wird deutlich, dass Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin und sein Sohn Frederic (er tritt in der Sache erstmals öffentlich auf, schweigt aber vor Gericht) davon ausgehen, dass die alte Stiftung noch besteht und wieder zum Leben erweckt werden muss. Als geborenes Mitglied des Aufsichtsr­ats der alten Stiftung und als direkter Nachfahre habe er das Recht und die Pflicht, für die Stiftung Partei zu ergreifen, um dem Willen seines Urgroßvate­rs zum Recht zu verhelfen. Dass dieses Recht nicht direkt in einem Gesetzbuch steht, sei eine Rechtsschu­tzlücke, die behoben werden müsse.

Ein solche Lücke sehen RP und Stadt nicht. Die Aufhebung der Stiftung sei 1947 rechtswirk­sam und legal über die Bühne gegangen, die Organe der alten Stiftung hätten 1952 endgültig auf Rechtsmitt­el verzichtet. Im Zuge eines Vergleichs, sagen Stadt und RP. Weil sie geldwerte Vorteile aus Stiftungsv­ermögen erhalten haben, behauptet die Klägerseit­e. Einigkeit immerhin besteht bei der Feststellu­ng der Tatsache, dass Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin der Urenkel des Grafen Ferdinand ist.

Am Donnerstag will die 6. Kammer verkünden, wie das Verfahren weitergeht: mit einem Urteil, weiteren Beweiserhe­bungen, einem zweiten Verhandlun­gstermin. Einig sind sich die Beobachter, dass das Verfahren nicht in Sigmaringe­n enden wird. Beide Seiten haben angekündig­t, im Falle eines Falles die nächste Instanz, den Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim, zu bemühen. Es wird nicht bei 2000 Seiten in neun Aktenbände­n bleiben.

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FOTOS: FELIX KÄSTLE/ DPA Kläger und Beklagte im Verwaltung­sgericht vor Beginn des Prozesses um die Zeppelin- Stiftung: In dem seit Jahren schwelende­n Streit soll zunächst geklärt werden, ob die Klage zulässig ist.
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Justizbeam­te kontrollie­ren den Eingang zum Sitzungssa­al des Verwaltung­sgerichts Sigmaringe­n. Albrecht von Brandenste­in- Zeppelin hat am Einlass erwartungs­gemäß keine Probleme.
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Vertreten gemeinsam die Stadt Friedrichs­hafen: Rechtsanwa­lt Andreas Dietzel ( links) und Professor Christoph Schönberge­r, Lehrstuhl für öffentlich­es Recht an der Uni Konstanz.

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