Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Daimler droht Nachzahlung
Dieselskandal kostet Autobauer weitere Milliarden
STUTTGART (dpa) - Daimlers Dieselrechnung wird immer höher. Für die diversen Rückrufe und Verfahren in aller Welt muss der Stuttgarter Autobauer voraussichtlich noch einmal einen Milliardenbetrag berappen. Von 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro zusätzlich ist in einer Mitteilung vom Mittwoch die Rede. Grund sind abermals „laufende behördliche und gerichtliche Verfahren und Maßnahmen betreffend Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge in verschiedenen Regionen und Märkten“. So hatte es Daimler schon im vergangenen Sommer formuliert, als der Konzern insgesamt 1,6 Milliarden Euro für die Dieselaffäre auf die Seite legte und seine Gewinnerwartungen nach unten korrigierte. Darüber hinaus wurden auch am Mittwoch keine Angaben gemacht.
Von Mischa Ehrhardt
FRANKFURT - Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hatte Daimler vor einigen Tagen erst grünes Licht gegeben: Die Software-Updates für Dieselfahrzeuge führten zu einer deutlichen Verbesserung des Emissionsverhaltens. Nun allerdings legen neue Messungen zum Teil sogar das Gegenteil nahe. Das britische Prüfinstitut Emissions Analytics hat im Beisein eines Kamerateams der ZDF-Sendung Frontal 21 MercedesFahrzeuge vor und nach den Software-Updates getestet. Heraus kam, dass die Autos teilweise hinterher sogar mehr von den giftigen Stickoxiden in die Luft bliesen als vorher.
Wegen der Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung gab es auch bei Daimler in der Vergangenheit mehrere Rückrufe. Denn das KBA wertet die Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung als illegal. Daimler bestreitet das, nimmt Software-Updates aber trotzdem vor. 2017 hatte Daimler eine „freiwillige Servicemaßnahme" für drei Millionen Diesel-Pkw in Europa angekündigt.
Jedenfalls frisst der Dieselskandal sich auch weiter in die Daimler-Bilanz. Am Mittwoch hat der Stuttgarter Premiumautobauer angekündigt, weitere Kosten von 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro einzuplanen. Es gehe um voraussichtliche „zusätzliche Aufwendungen für laufende behördliche und gerichtliche Verfahren und Maßnahmen“in verschiedenen Regionen und Märkten, teilte der Konzern mit. Betroffen seien Mercedes-Benz-Dieselfahrzeuge. Daimler hatte im vergangenen Jahr schon insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro für die Folgen des Dieselskandals zurückgestellt.
Damit wird der operative Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr bei 5,6 Milliarden Euro liegen und hätte sich im Vergleich zum Vorjahr glatt halbiert. Und da sind die neuen Rückstellungen für den Dieselskandal nicht einmal mit eingerechnet. „Das kam unerwartet, dass jetzt nochmal für den Dieselskandal und möglicherweise andere Rechtsstreitigkeiten noch einmal Rückstellungen gebildet werden“, sagte Branchenanalyst Tim Schuldt von der Wertpapierhandelsbank Pareto. Nötig sind diese Rückstellungen offenbar, weil in Ländern wie den USA hohe Straf- oder Vergleichszahlungen drohen. „Die Frage ist: Wird damit das Thema erledigt sein? Dann könnte man das sogar positiv sehen. Es kann aber auch sein, man hier mit weiteren Strafen aus Ländern rechnet, die man vielleicht gar nicht auf der Agenda hatte. Es bleibt offen, wie man das bewerten muss“. Offen bis zum 11. Februar. Denn dann legt der Autobauer seine endgültigen Zahlen und seine Bilanz vor.
Es ist bereits das dritte Mal seit Antritt des neuen Daimler Chefs Ola Källenius, dass Daimler seine Gewinnerwartungen zusammenstreichen muss. „Das Unternehmen ist in einer ganz dicken Krise“, sagte der
Autoexperte Jürgen Pieper aus dem privaten Bankhaus Metzler. Die Schwaben hätten den Schalter noch nicht umgelegt und kämen mit Wachstum wie Einsparungen zu langsam voran.
Erst im November hatte Källenius angekündigt, bis 2022 die Personalkosten um 1,4 Milliarden Euro senken zu wollen. Dem Sparprogramm werden weltweit 10 000 Stellen zum Opfer fallen. Gleichzeitig müssen Autobauer wie Daimler auf neue Antriebstechniken umstellen und sich technologisch auch in anderen Feldern wie dem autonomen Fahren für die Zukunft fit machen. „Daimler hat den Rückstand in der Elektromobilität gegenüber der Konkurrenz ein bisschen aufgeholt. Nichtsdestotrotz stehen sie immer noch ganz am Anfang der Entwicklung“, meint Tim Schuldt. Dieses Jahr allerdings werde in dieser Hinsicht so etwas wie ein Lackmustest für den Autobauer. Denn es drohen Strafen für Unternehmen in der Autobranche, die ihre CO2-Flottenziele nicht einhalten.
Da kommen solche Nachrichten wie möglicherweise wirkungslose Softwareupdates oder Strafen und Kosten in Folge des Dieselskandals zur Unzeit. „Wenn sich herausstellt, dass die Grenzwerte zu hoch sind nach wie vor, dann wird das natürlich immer wieder vorgebracht werden“, sagte Eric Heymann, Branchenanalyst bei der Deutschen Bank. „Auch wenn die Autobranche rein rechtlich auf der sicheren Seite zu sein scheint mit ihren SoftwareLösungen, muss man dann künftig wohl weitere Kapazitäten einplanen, um mit dem Thema umzugehen“. Dem Stuttgarter Autobauer stehen offenbar weiter unruhige Zeiten bevor.