Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hengstparade auf Bioweiden
Landesgestüt Marbach wird für 80 Millionen Euro saniert – Streitfall Ökobewirtschaftung
Von Katja Korf
STUTTGART - Rund 80 Millionen Euro für das Pferdesport-Mekka Baden-Württembergs: Für diesen Betrag saniert und erweitert das Land sein Gestüt in Marbach (Landkreis Reutlingen). Vor allem auf Wunsch der Grünen bewirtschaftet das Gestüt seine Weiden und Felder künftig nach Biokriterien. Was das für die Betriebskosten und die Landeskasse heißt, beurteilen Grüne und CDU unterschiedlich.
Jährlich pilgern 500 000 Besucher auf die Alb. Höhepunkt ist die jährliche Hengstparade im Herbst. Seit mehr als 500 Jahren werden dort Pferde gezüchtet, einst für das Haus Württemberg, heute im Auftrag des Landes. Aus den Ställen gingen zum Beispiel Olympiasieger wie „Sam“hervor, der unter Michael Jung aus Horb 2012 zu Gold ritt. Eine eigene Araberlinie hat dort ihre Heimat, ebenso wie vom Aussterben bedrohte Rassen wie das Schwarzwälder Kaltblut das Altwürttemberger Pferd. Reiterhöfe im ganzen Land nutzen die Dienstleistungen für die Zucht.
Mehr Ställe und neue Reithalle Das Gestüt ist nach eigenen Angaben der größte Ausbildungsbetrieb für Pferdewirte in Deutschland, bietet Fort- und Weiterbildungen. Ob sich das Land das alles leisten soll, lieferte in der Vergangenheit Stoff für Debatten. Mal wollte die FDP das Gestüt privatisieren, mal die Grünen unter ihrem damaligen Fraktionschef Winfried Kretschmann. Das Thema ist zwar vom Tisch, doch die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU brauchten gut ein Jahr, um sich auf Zukunftspläne zu einigen.
Diese sehen nun so aus: Für fällige Sanierungen der Ställe und Wirtschaftsgebäude fließen in den kommenden Jahren rund 40 Millionen Euro. Einen ähnlichen Betrag veranschlagt das Agrarministerium für Aus- und Neubauten. Deren Umsetzung beginnt aber später, das nötige Geld soll frühestens ab 2024 fließen. Die große Pferdesport-Arena bekommt eine Teilüberdachung, die Ställe werden an aktuelle Tierschutzvorgaben angepasst. Es entstehen Parkflächen und Platz für Zelte. Die sollen bei großen Veranstaltungen dazu dienen, Fremd- und Gestütpferde strikter voneinander zu trennen und so unter anderem den Seuchenschutz zu verbessern.
Demselben Ziel dient der Bau neuer Ställe für Gastpferde. Die Wege zu den Standorten, Ställen und Trainingsplätzen werden ausgebaut und instandgesetzt. Außerdem entsteht eine neue Reit- und Fahrhalle.
Martin Hahn, Agrarexperte der Grünen-Landtagsfraktion, hatte darauf gedrängt, die Wirtschaftlichkeit des Gestüts zu überprüfen. Derzeit schießt das Land jährlich rund fünf
Millionen Euro zu. Die Erlöse aus Pferdezucht und Veranstaltungen reichten nicht, um die Kosten zu decken. Sowohl das zuständige Ministerium als auch der CDU-Landtagsabgeordnete Patrick Rapp gehen davon aus, dass das Land künftig pro Jahr deutlich mehr zahlen muss. Grund: Auf Drängen der Grünen bewirtschaftet das Gestüt seine Weiden und Felder künftig ökologisch.
Mehr Ackerfläche nötig
Damit ist ein höherer Aufwand verbunden. Für denselben Ertrag werden die Angestellten in Marbach mehr Fläche beackern müssen, glaubt Rapp. Weil im Biolandbau Pestizide bis auf wenige Ausnahmen verboten sind, muss Unkraut mit Maschinen gejätet werden. „Es gab unter dem vorherigen Agrarminister ein Gutachten, das den Mehraufwand pro Jahr auf 380 000 Euro bezifferte“, sagt Rapp.
Er glaubt nicht, dass das Landesgestüt diesen Betrag selbst erwirtschaften kann. Denn das Hauptgeschäft seien die Pferde, keine landwirtschaftlichen Ökoprodukte. Für die Zucht aber gebe es kein Biosiegel, damit ließen sich demnach keine höheren Preise erzielen. „Es ist ja zu begrüßen, dass Marbach nun ökologisch wirtschaftet, es kostet aber eben mehr“, so Rapp.
Das Ministerium will sich nicht auf genaue Beträge festlegen. „Durch die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung steigt auf jeden Fall der Arbeitsanfall, der mit dem derzeitigen Personal in der Landwirtschaft nicht bewältigt werden kann. Für die Bewirtschaftung sind zudem andere Maschinen im Ackerbau notwendig, die entweder beschafft oder über Lohnunternehmer eingesetzt werden müssen. Es ist derzeit davon auszugehen, dass dies ohne eine Erhöhung des Landeszuschusses nicht umsetzbar ist“, teilt eine Sprecherin mit.
Derzeit arbeiten rund 130 Menschen auf dem Gestüt. Der Aufwand durch die Biobewirtschaftungen steige, argumentiert auch das Ministerium. Hier über Kürzungen nachzudenken, sei falsch. Der Überlinger Grünen-Abgeordnete Hahn sieht das anders. Er hält es für verfrüht, über mögliche Kostensteigerungen zu spekulieren, das seien zum jetzigen Stand Hypothesen. „Wir haben vereinbart, zunächst einmal die Arbeitsabläufe und Strukturen auf dem Gestüt genau zu analysieren. Das gehört bei jedem Betrieb dazu, der seit längerer Zeit auf dieselbe Weise bewirtschaftet wird“, sagt Hahn. „Wenn wir den Umstieg auf die ökologische Bewirtschaftung klug angehen, vorhandene Potenziale nutzen und auch über den nötigen Personaleinsatz sprechen, können wir Mehrkosten durch den Ökobetrieb kompensieren.“