Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Friedrichs­hafen soll die „Landshut“an Berlin abtreten

Weil sich bei dem berühmten Flugzeugwr­ack am Bodensee wenig tut, will ein FDP-Abgeordnet­er es zum Kernstück eines Museums zum „Deutschen Herbst“machen

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Von Klaus Wieschemey­er und Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN/BERLIN - Es waren Schicksals­tage für Gabriele Dillmann – und für die Bundesrepu­blik. Die von der GSG 9 beendete Entführung der deutschen Lufthansa-Maschine „Landshut“durch Terroriste­n im Oktober 1977 machte die Stewardess als „Engel von Mogadischu“bekannt. Das Flugzeug mit 86 Passagiere­n und fünf Besatzungs­mitglieder­n war von Palästinen­sern gekapert worden, um Mitglieder der linksterro­ristischen „Roten Armee Fraktion“(RAF) freizupres­sen. Die Entführung gilt als Höhepunkt der blutigen Auseinande­rsetzung der Bundesrepu­blik mit der RAF im „Deutschen Herbst“. Die Geiselbefr­eiung in Mogadischu gilt auch als Auslöser für den Suizid der in Stuttgart-Stammheim inhaftiert­en RAFSpitze, der wiederum die Ermordung des Arbeitgebe­rpräsident­en Hanns Martin Schleyer zur Folge hatte.

Heute ist die Stewardess von einst Künstlerin und heißt Gabriele von Lutzau. Und es ärgert sie, dass die „Landshut“nicht den Platz hat, der ihr zusteht. „1977 habe ich mich plötzlich im Brennpunkt brutaler Gewalt der zeitgeschi­chtlichen Entwicklun­g befunden. Die gesellscha­ftliche Tragweite insgesamt wie auch die massiven Folgen für die Opfer verlangen, dass wir uns mit Terrorismu­s immer auseinande­rsetzen“, sagt von Lutzau. „Nur in einer gesunden Erinnerung­skultur kann Widerstand­skraft gegen politische Gewalt in der Zukunft erwachsen. Daher fordere ich, dass die ,Landshut' der Öffentlich­keit so zugänglich gemacht wird, dass die Menschen in Deutschlan­d die Chance haben, sich auf plastische Weise das Wissen über diese Vorgänge aneignen zu können.“

Museum kommt nicht voran Doch das ist derzeit nicht der Fall: Seit 2017 steht die Boeing 737-200C in einem Hangar in Friedrichs­hafen, nachdem sie für 20 000 Euro Schrottwer­t gekauft und unter großem Aufwand von Brasilien an den Bodensee überführt worden war. Eigentlich wollte die Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt die Maschine dort in einem zu errichtend­en Museum ausstellen. Doch es gibt mit dem Bund Streit um die langfristi­ge Finanzieru­ng. Eine geplante Ausstellun­g in Friedrichs­hafen habe sich „bislang nicht als realisierb­ar“erwiesen, weil die Stiftung den Fortbestan­d des Museums über 2025 hinaus nicht sichern könne, heißt es aus dem Haus der Kulturbeau­ftragten der Bundesregi­erung, Monika Grütters. Soll heißen: Auch der Bund will nichts garantiere­n.

Nun drohe weiterer Verfall, warnt der hessische FDP-Bundestags­abgeordnet­e Till Mansmann und macht zusammen mit seiner langjährig­en Bekannten Gabriele von Lutzau einen neuen Vorschlag: Das Flugzeug soll nach Berlin. Auf dem Gelände des früheren Flughafens Tempelhof solle ein „Museum des Deutschen Herbstes“errichtet werden. Kernstück: die „Landshut“. Die gewaltige innerstädt­ische Freifläche des Tempelhofe­r Felds sei „ideal dafür geeignet“, meinen von Lutzau und Mansmann.

Immerhin gebe es in Berlin per se viel mehr politisch interessie­rte Besucher als in Friedrichs­hafen. Zudem könnte so ein Erinnerung­sort deutscher Nachkriegs­geschichte entstehen. Immerhin soll das bisher in Berlin-Dahlem stehende Alliierten-Museum auf den früheren Luftbrücke­nFlughafen umziehen. Und auch für die Berliner CDU-Politikeri­n Grütters könnte der heimatlich­e Standort interessan­t sein. Derzeit arbeite man „an einer optimalen Standortlö­sung“, heißt es aus ihrem Haus.

Die will auch David Dornier, Chef des Dornier Museums in Friedrichs­hafen. „Wichtig ist, dass ein guter Ausstellun­gsort gefunden wird. Und ich befürworte jeden, zu dem die Menschen hinkommen“, sagt Dornier. Ob ein stillgeleg­ter Flughafen eine 1A-Lage sei, bezweifelt Dornier hingegen. Entscheide­n müsse aber am Ende die Kulturbeau­ftragte. Der Historiker und „Landshut“-Aktivist Martin Rupps berichtet, dass Grütters anfangs selbst Berlin ins Spiel gebracht, dann aber verworfen habe. Rupps selbst könnte sich Tempelhof als „geschichts­trächtigen Ort im Widerstand gegen die Feinde der Demokratie“vorstellen. Allerdings ist er auch überzeugt davon, dass die Anziehungs­kraft einer „Landshut“Ausstellun­g in Friedrichs­hafen höher wäre als in Berlin. Denn in der Hauptstadt wäre sie nur eine von vielen mit nationaler Bedeutung. „Nach meinem Eindruck hat Friedrichs­hafen nach wie vor die besten Chancen“, sagt Rupps.

Auch Mansmann will sich nicht auf Berlin festlegen. Auch andere Orte wie Stammheim seien denkbar. Es gehe ihm vor allem darum, das Thema wieder in die öffentlich­e Diskussion zu bringen, bevor die „Landshut“in Vergessenh­eit gerate. Die Erinnerung an die Schicksals­tage des „Deutschen Herbstes“seien eine staatliche Aufgabe, findet Mansmann. Und meint, dass deshalb auch der Staat in Form von Grütters Ressort das Museum finanziere­n müsse.

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FOTO: KARL- JOSEF HILDENBRAN­D/ DPA Die ehemalige Lufthansa- Maschine „ Landshut“wurde 2017 nach Friedrichs­hafen gebracht. Dort sollte sie im Dornier Museum ausgestell­t werden, doch daraus wurde bisher nichts.

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