Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Weltweites Steuer-Wettfeilschen
Europa und die USA verhandeln über Abgaben von Facebook oder Google
Von Hannes Koch
DAVOS - Weitreichende Verhandlungen über die internationale Besteuerung transnationaler Konzerne laufen in diesen Tagen beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos.
Am Mittwochnachmittag trafen sich dort Bruno Le Maire und Steven Mnuchin, die Finanzminister Frankreichs und der USA, mit Angel Gurria, dem Generalsekretär der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD).
Vordergründig ging es um die sogenannte Digitalsteuer, die unter anderem die französische Regierung auf Umsätze von Facebook, Google und Co. erheben will. Im Hintergrund jedoch steht ein grundsätzlicher Prozess: Wo sollen Unternehmen wie Google, Daimler oder Volkswagen künftig Steuern zahlen? Und wird eine internationale Mindeststeuer eingeführt?
Bei der Digitalsteuer zeichnete sich in den vergangenen Tagen eine gewisse Entspannung ab. Nach seiner Rede beim WEF am Dienstag erweckte US-Präsident Donald Trump den Eindruck, als sei eine Einigung mit Frankreich auf dem Weg. Nach der Verhandlung am Mittwoch sagte Le Maire nun , er habe sich mit Mnuchin auf drei Punkte geeinigt: Die französische Digitalsteuer werde bis Ende 2020 ausgesetzt. Das gleiche gelte für die angedrohten US-Sanktionen. Drittens werde man versuchen, sich zu einem umfassenden Steuerabkommen zu verständigen.
Die Regierung in Paris hatte beschlossen, eine neue Steuer von drei Prozent auf den Umsatz von Digitalkonzernen wie Facebook, Google und Amazon zu erheben, weil diese hohe
Einnahmen in Europa erzielen, sie aber vorwiegend in den USA oder gar nicht versteuern. Die US-Regierung reagierte mit der Drohung, Strafzölle auf französische Produkte wie Roquefort, Champagner, Handtaschen und Parfums einzuführen. Wobei die Digitalsteuer ohnehin vom Tisch sein könnte, sollte es zu einer Einigung in dem größeren Prozess kommen.
So werden sich kommende Woche in Paris „über 130 Staaten über eine Grobarchitektur für die Verteilung internationaler Besteuerungsrechte im Rahmen des Digitalprojekts unterhalten“, sagte Achim Pross, Steuer-Chef der OECD, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Dabei geht es in der sogenannten Säule Eins um die Frage, wo Exportunternehmen ihre Auslandsumsätze und Auslandsgewinne versteuern sollen. Europa hätte gerne ein paar Milliarden mehr von Google und Co., die USA dagegen wollen etwa an den Erträgen deutscher Autokonzerne wie BMW, Daimler und Volkswagen beteiligt werden.
Die Lösung könnte darin bestehen, den Steuer-Kuchen etwas anders aufzuteilen. Das Sitzland, in dem die Konzernzentrale steht, bekäme etwas weniger, das sogenannte Marktland, wo die Umsätze anfallen, dagegen etwas mehr. Welcher Staat davon profitierte, ist schwierig zu errechnen. Es könnte aber sein, dass Deutschland als starke Exportnation mit viel Auslandsgeschäft gewisse Einbußen zu verzeichnen hätte.
Ende 2019 äußerte US-Finanzminister Mnuchin „große Bedenken“und forderte Ausnahmen für die amerikanischen Internetkonzerne. OECD-Experte Pross fand das nicht erstaunlich: „Wenn es ernst wird, sind Turbulenzen nicht überraschend.“Die US-Regierung „unterstützt den Prozess, muss aber prüfen, was sie durch den Kongress bekommt.“
In der Säule Zwei des OECD-Prozesses geht es um einen weltweit akzeptierte internationale Mindeststeuersatz für Unternehmen. Er soll verhindern, dass Banken und Investoren ihre Einnahmen in Länder mit besonders niedrigen Steuersätzen schieben.