Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auch Grüne wollen offene Ausschreibung
Erhalt des alten Gebäudes soll möglich sein – Tautkus (SPD) kritisiert Netzwerk scharf
Von Alexander Tutschner
FRIEDRICHSHAFEN - Die baulichen Erweiterungspläne der Kreisverwaltung haben am Dienstag nicht die einhellige Zustimmung vom Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt (PBU) des Gemeinderates bekommen. Auf Antrag der Fraktion der Grünen wurde nicht über den vorgelegten Auslobungstext abgestimmt, das Thema geht somit zurück zur Beratung in die Fraktionen.
Aufgrund des enormen Platzmangels im Landratsamt verfolgt die Kreisverwaltung ein bauliches Erweiterungskonzept in vier Abschnitten (die SZ berichtete mehrfach). Dafür soll jetzt die Entwicklung eines städtebaulichen Bebauungskonzeptes ausgeschrieben werden. Die Ausschreibung soll in einem „nichtoffenen Realisierungswettbewerb“in zwei Phasen erfolgen. Sollte der Auslobungstext so wie jetzt vorgelegt verabschiedet werden, wäre auch der Abriss des alten Landratsamtsgebäudes in der Glärnischstraße 1 bis 3 zementiert.
Zusätzlich sollen die Planer für die ersten beiden Bauabschnitte das Konzept vertiefen und Vorplanungen für die angedachten Neubauten machen. Beim ersten Abschnitt soll auf einem bisher unbebauten Grundstück östlich der Glärnischstraße ein Komplex mit Wohnungen und über 200 Tiefgaragenstellplätzen entstehen. In diesem Gebäude soll die neue Leitstelle des Kreises sowie eine Kindertagesstätte untergebracht werden. Im zweiten Abschnitt soll auf dem bisherigen Parkplatz an der Ecke Glärnischstraße/Albrechtstraße ein neues großes Verwaltungsgebäude gebaut werden.
Harald Betting, Leiter des Bauund Liegenschaftsamtes des Bodenseekreises, stellte die Pläne und das geplante Ausschreibungsverfahren im PBU vor. Die Zahl der Teilnehmer an dem Wettbewerb wird demnach in Phase eins auf 25 beschränkt, davon will der Kreis sieben Büros einladen, weitere 18 sollen durch ein Losverfahren bestimmt werden. Für die zweite Phase wird die Zahl der Planer nach einem ersten Preisgericht im Oktober/November 2020 reduziert.
Das Verfahren sei mit der Verwaltung, der Architektenkammer und dem Gestaltungsbeirat der Stadt abgestimmt, sagte Betting. Nach dem Zeitplan der Verwaltung soll der Kreistag am 30. März die Ausschreibung des Wettbewerbs beschließen. Für Ende Februar 2021 ist das zweite Preisgericht angesetzt, die Beiträge sollen dann ausgestellt und die Bürger informiert werden. Für März 2021 ist geplant, dass der Kreistag eine Empfehlung an die Stadt zur Schaffung von Baurecht gibt. „Das Konzept ist richtig und sinnvoll“, sagte Betting, es sei auf die Zukunft ausgerichtet und verursache keine Interimskosten.
Dennoch stieß Betting nicht auf einhellige Zustimmung im PBU. Regine Ankermann (Grüne) kritisierte, dass die Pläne als „alternativlos“dargestellt würden und die „Option einer Renovierung des alten Gebäudes nicht in Betracht gezogen“wird. „Warum soll das nicht möglich sein?“, fragte sie. Ankermann schlug vor, den ersten Bauabschnitt unabhängig von den anderen zu bauen. Damit wären auch die Parkplatzprobleme gelöst. Sie verwies darauf, dass ein Gutachten, auf das sich die Kreisverwaltung stützt, sieben Jahre alt ist und lange nicht öffentlich zugänglich war. „Das hätte man anders machen können.“Ankermann plädierte dafür, „einen offenen Wettbewerb zu gestalten“.
Gegenwind bekam Ankermann von Bürgermeister Stefan Köhler dahingehend, dass man die Entscheidung des Kreistags im PBU nicht revidieren könne. „Es liegen Beschlüsse vor“, sagte Köhler. Auch Philipp Fuhrmann (Netzwerk für Friedrichshafen) plädierte dafür, nur den ersten Bauabschnitt zu realisieren und das Gebäude Glärnischstraße 1 bis 3 zu belassen. Fuhrmann hatte bereits im Vorfeld der Sitzung die Abrisspläne der Kreisverwaltung kritisiert und behauptet, das Gutachten sei nur vorgeschoben, um eine politische Entscheidung für das Neubaukonzept zu begründen.
Ungewöhnlich scharf kritisierte Heinz Tautkus (SPD) die Aussagen von Fuhrmann. Sie hätten ihn „zornig und sehr wütend gemacht“, sagte er. Fuhrmann verstoße gegen Anstand und Moral. Er bezeichnete die Aussagen Fuhrmanns als „ausgesprochen skandalös“. Besonders echauffierte er sich über Fuhrmanns Vermutung, dass im Hintergrund womöglich schon eine Public-Private-Partnership eingefädelt worden sei. Solche Unterstellungen müssten gerügt werden. Tautkus machte der Kreisverwaltung ein Kompliment für die Planung, sie zeige Tiefe und Akribie, „das hat Qualität“, sagte er, die SPD stimme zu.
Ebenfalls Zustimmung gab es von der CDU: „Von uns kommt ein Go!“, sagte Mirjam Hornung, man teile die Bedenken bezüglich des alten Gebäudes nicht, „das ist nicht mehr zeitgemäß“. Daumen hoch auch von Jochen Measchenmoser für die Freien Wähler und von Peter Stojanoff für die FDP.
Fuhrmann beantragte, dass man den Beschluss zurückstellt, um ein Gespräch des Vorsitzenden der Architektenkammer Bodensee, Dietmar Kathan, mit der Verwaltungsspitze abzuwarten. Das soll nach SZInformationen noch diese Woche stattfinden. Auch Kathan hatte im Vorfeld für eine offene Ausschreibung plädiert, die den Erhalt des alten Gebäudes möglich machen soll. Mit dem Verweis auf steigende Kosten bei weiterer Verzögerung wies Heinz Tautkus den Vorschlag zurück. Auf Antrag von Felix Bohnacker (Grüne) wurde das Thema schließlich ohne Beschluss zurück an die Fraktionen verwiesen. Am kommenden Dienstag wird das Thema im Gemeinderat diskutiert.