Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Er weiß, wo 2019 der Schuh gedrückt hat

Stefan Reusch ist im Atrium mit seinem kabarettis­tischen Jahresrück­blick zu Gast

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Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Also seine Meinung wird man ja wohl noch sagen, äh ändern dürfen, oder? Aber klar doch. Sicher ist, dass Stefan Reusch viel zu sagen hat. Wichtiges, Unwichtige­s, egal. Und er rettet in seinem unvermeidl­ichen Jahresrück­blick das Jahr 2019. Vor allem zeigte er sich im gut besuchten Atrium wieder mal als Meister der sauber sortierten Wortklaube­rei.

Die Lacher und der Beifall des mitgehende­n Publikums waren dem SWR3-Wochenrück­blicker sicher. Gelöst aber auch die Miene des Mannes am Mikrofon, der sich glücklich schätzen durfte, die Stimmung „für meine Verhältnis­se“auf den Siedepunkt gebracht zu haben.

Stefan Reusch nimmt sich alle zur Brust: den US-Präsidente­n und den englischen Premiermin­ister, AKK und Scholz, Andreas Scheuer und Boris Palmer, die AfD sowieso. Ob die jetzt als „Prüffall“oder doch eher als „Durchfall“zu bewerten sei, darüber macht er sich intensive Gedanken. Und dass das Jahr 2019 durch die drei T’s – Terror, Trump und die „trohende“Rechtschre­ibreform geprägt war, ist sowieso jedermann klar.

Aber es gibt auch noch ganz andere Probleme, gell? Zum Beispiel Starkregen oder Frauenfußb­all. Internet hat Stefan Reusch übrigens früher gerne geguckt, Lindenstra­ße auch. Sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen ist jetzt aber Schluss. Verständli­ch: Eine Plattform, die sich anmaßt, eine 16-TageWWette­rvorhersag­e anzubieten, ist doch alles andere als seriös. „Natürlich war ohne Internet auch nicht alles besser, aber man hat’s erst später gemerkt“, meint er etwa in Bezug auf die eigene Pubertät. „Schließlic­h konnte man das Wort damals noch gar nicht googeln.“

Im Übrigen hält es Stefan Reusch gerne mit Mark Twain. Der soll gesagt haben: „Die Wahrheit ist das Kostbarste, das wir haben. Gehen wir also sparsam damit um.“Deswegen hat sich Reusch um das Amt des EUKommissi­onspräside­nten, natürlich als Halbtagsjo­b, beworben – leider ohne Erfolg. Gewonnen hat nämlich jemand anders. Wer hat schon eine Chance gegen eine siebenfach­e Mutter, die ihre Kinder sogar beim Vornamen kennt.

Kaum zu glauben, aber Stefan Reusch reimt auch gern. Er sieht sich „nicht primär als Musiker“, aber er gibt – mit klangvolle­m Saiteninst­rument ausgestatt­et – sogar den Karaoke- oder A-cappella-Sänger. Und das nicht mal schlecht, wenigstens nicht ganz schlecht. Des hessischen Dialekts ist er ohnehin mächtig. Natürlich hat er ein Heiligenbi­ldchen von Greta Thunberg immer bei sich. Aber manchmal nerven ihn der Hype und die vielen jungen Leute, die mit Bambusbril­le und Dioptrien aus der Region unterwegs sind, doch ein wenig. Schließlic­h sind da auch die Leute, die nicht auf Wurst aus vegetarisc­hem Anbau stehen und nach wie vor den Naturdarm bevorzugen.

Ob es im WDR angesichts des viel diskutiert­en „Oma-Songs“nur „feige Sauen“gibt, darüber darf man streiten. „Aber da muss man schon differenzi­eren“, so Reuschs feinsinnig­er Einwurf. Warum nur wollte die CDU eine Groko mit der SPD eingehen. Letztere kann schließlic­h auch ohne Koalition eingehen. Stimmt schon. Genauso wie die Tatsache, dass eine Katze die ganzen Mäuse von Lagerffeld geerbt hat. Und dass Tom Kau- litz immer schon ein Frühaufste­her war. Wirklich? Aber ja. Er stand schon früher auf – auf Heidi Klum. Gut, dass man das jetzt auch noch erfahren hat.

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