Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Durch verbranntes Land
Häfler Radfahrerin Liane Lippert wird Zweite bei der Tour Down Under – und verpasst den Sieg nur um Sekunden
Von Martin Deck
FRIEDRICHSHAFEN - Dass es ein heißer Wettkampf werden würde, hat Liane Lippert von Anfang an gewusst. Bereits seit Anfang Januar befindet sich die Friedrichshafener Radrennfahrerin in Australien, um sich mit ihrem Team Sunweb auf die neue Saison vorzubereiten. Natürlich haben die Radprofis dabei auch die Hitze und Dürre gespürt, die seit Wochen auf dem Kontinent am anderen Ende der Welt herrscht – und natürlich haben auch sie die Buschbrände bemerkt. „Gerade beim Training hat man schon einige Gebiete gesehen, in denen die Feuer viel zerstört haben“, sagt Lippert – auch wenn die Region um Adelaide nicht so schwer betroffen war wie die Ostküste. „Im Rennen haben wir allerdings nicht viel davon mitbekommen. Dazu ist man viel zu fokussiert.“
Schließlich ging es auch beim ersten Wettkampf des Jahres heiß her – und endete mit einem hervorragenden Ergebnis für die Friedrichshafenerin. Bei der Tour Down Under der Frauen belegte Lippert einen starken zweiten Platz in der Gesamtwertung und ließ sogar Titelverteidigerin und Lokalmatadorin Amanda Spratt hinter sich. Einzig der US-Amerikanerin Ruth Winder musste sie sich nach vier Tagen geschlagen geben – und das wegen gerade einmal fünf Sekunden Rückstand. „Ich wusste, dass ich gut in Form bin“, sagt die 22-Jährige, aber dass sie um den Sieg bei der Tour mitfahren kann, war so nicht absehbar. Bereits nach Tag eins brachte sich Lippert in eine gute Postion. Bei den Etappen zwei und drei fuhr sie sogar aufs Podium, musste sich aber jeweils im Zielsprint der späteren Siegerin Winder geschlagen geben – und verlor dadurch wertvolle Sekunden in der Gesamtwertung.
Mit sieben Sekunden Rückstand ging es schließlich auf die Schlussetappe. Bis zum Ende kämpfte Liane Lippert um den Sieg, sprintete bei der ersten Sprintwertung sogar als Erste über die Zeitmessung und verkürzte den Abstand auf die Führende durch die Zeitbonifikation noch einmal auf fünf Sekunden. Mehr war am Ende aber nicht drin. „Leider haben wir es als Team nicht hinbekommen, dass ich noch mal angreifen kann“, sagt die Häflerin. „Natürlich ist es schon etwas ärgerlich, wenn man so nah dran ist. Aber die Freude über Platz zwei ist viel größer, als die Enttäuschung über den verpassten Sieg.“Zumal Lippert, die vor zehn Tagen ihren 22. Geburtstag gefeiert hat, zudem als erfolgreichste Nachwuchs- und beste Bergfahrerin ausgezeichnet wurde. Auch das Sprinttrikot (Leah Kirchmann) und die Mannschaftswertung ging an das Lipperts niederländisches Team Sunweb. „Wir haben alles gewonnen außer die Gesamtwertung. Das ist ein sehr guter Start ins neue Jahr.“Für das Team, aber vor allem für Lippert persönlich.
Durch ihre guten Leistungen bei der Australien-Rundfahrt hat sie sich früh in der Saison in eine gute Postion gebracht und gute Argumente für eine Nominierung für die Olympischen Spiele im Sommer in Tokio geliefert. Auch innerhalb der Mannschaftshierarchie bei Sunweb ist sie aufgestiegen. Bei den beiden weiteren Rennen, die das Team in den kommenden Wochen in Australien bestreiten wird, geht die Friedrichshafenerin als Mannschaftskapitänin an den Start. Besondere Hoffnungen setzt sie auf das „Cadel Evans Great Ocean Road Race“am 1. Februar rund um die Hafenstadt Geelong südlich von Melbourne. „Das ist von der Wertung her sogar noch höher anzusehen als die Tour Down Under. Das Streckenprofil kommt mir entgegen und mein großes Ziel ist ein Platz auf dem Podium.“
Anschließend wird Liane Lippert erst einmal an den Bodensee zurückkehren und etwas Tempo herausnehmen. „Die Saison ist viel zu lang, um immer Vollgas zu gehen“, sagt sie. Die Kräfte wollen gut eingeteilt sein, schließlich hat die 22-Jährige noch große Ziele: „Ich will bei den Ardennenklassikern im April angreifen. Und dann natürlich zu Olympia.“Der Saisonstart zumindest war schon einmal sehr vielversprechend.