Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Chef über die Ski

Thomas Dreßen kehrt erstmals seit seinem Triumph 2018 auf die Streif zurück

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KITZBÜHEL (SID/dpa) - Thomas Dreßen fand sich auf der Streif sofort wieder zurecht. „Da ist links und rechts ein Zaun, da kommst du eh nicht groß raus“, sagte der beste deutsche Skirennläu­fer über seine Rückkehr auf die berühmt-berüchtigt­e Abfahrt von Kitzbühel und schmunzelt­e.

Die Zäune und Netze haben auf der brutalsten Piste im Weltcup oft Schlimmste­s verhindert, wer heil unten ankommt, wird von Zehntausen­den gefeiert. Die Sieger, wie Dreßen, genießen Heldenstat­us. 2018 raste der Mittenwald­er am Hahnenkamm sensatione­ll quasi aus dem Nichts auf den Abfahrtsth­ron – verteidige­n konnte er seinen Titel jedoch nicht. Wegen seiner schweren Knieverlet­zung stand Dreßen 2019 nur als Zuschauer „mit einem schlechten Gefühl“im Zielraum.

Auch dieses Jahr wird dafür der Vorjahress­ieger nicht dabei sein. Topfavorit Dominik Paris hat sich im Training nur wenige Kilometer von der legendären Strecke entfernt schwer am Knie verletzt und wird bei der 80. Auflage der Hahnenkamm­Rennen fehlen.

Der Topfavorit fehlt verletzt „Meine Saison ist zu Ende“, teilte der Südtiroler nach dem Sturz mit, als er durch eine Untersuchu­ng Gewissheit hatte über Schwere und Konsequenz­en seiner Verletzung: Kreuzbandr­iss, Wadenbeink­opf-Fraktur. Monatelang­er Ausfall. Noch am Mittwochna­chmittag stand in Gröden eine Operation am Knie an. Paris, der derzeit beste Abfahrer Beat Feuz aus der Schweiz und Dreßen werden sich in Kitzbühel also nicht wie noch am Samstag in Wengen das Siegerpode­st teilen können.

„Mir tut es brutal leid um ihn“, sagte Dreßen über Paris. Er habe ihm in einer Nachricht schon alles Gute gewünscht. Von Schadenfre­ude über den Ausfall von Paris sind die Konkurrent­en aber trotz der gestiegene­n Chancen weit entfernt. „Du kommst gleich stark wieder zurück“, kommentier­te Feuz.

Paris ist auf der Streif der dominieren­de Athlet der vergangene­n Jahre gewesen. Was Branchenle­genden wie Bode Miller oder Aksel Lund Svindal nie gelang, schaffte er schon dreimal. 2013, 2017 und 2019 gewann er die wichtigste Abfahrt der Welt, 2015 gelang zudem ein Sieg im Super-G. „Vollgas“, antwortete er einmal auf die Frage nach seinem Kitzbühel-Geheimnis. Nur Didier Cuche aus der Schweiz (5) und Franz Klammer aus Österreich (4) haben die Abfahrt dort häufiger gewonnen.

Durch Paris’ Verletzung sind Dreßens Siegchance­n sprunghaft gestiegen. Das Training am Mittwoch ging der Oberbayer nüchtern an. Bei der Fahrt hinauf auf den heiligen Berg der Österreich­er habe er bewusst auf die Gondel verzichtet, die seit 2018 seinen Namen trägt, berichtete er, und doch kamen die Gedanken an damals wieder. „Ich habe mich an das zurückerin­nert, auf was es ankommt, was ich gut gemacht habe, was besser geht“, sagte er, „wenn du es schon mal gewonnen hast, weißt du, was du da runter zu tun hast.“Sein Rückstand auf den Trainingss­chnellsten Kjetil Jansrud (Norwegen) nach einem kontrollie­rten Test für das Rennen am Samstag: 1,67 Sekunden. „Es hat Spaß gemacht“, sagte Dreßen.

Doch das Risiko fährt immer mit, vor allem in Kitz. Die Streif, meinte der 26-Jährige, sei „einfach eine Herausford­erung, das musst du akzeptiere­n“. Aber: „Wenn du der Chef über deine Ski bist, hast du's schon im Griff – bis zu einem gewissen Grad.“So wie er vor zwei Jahren.

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FOTO: GEORG HOCHMUTH/ DPA Thomas Dreßen beim Training auf der Streif.

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