Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Durchlauferhitzer Bundesliga
Haaland, Sancho, Havertz: Jungstars begeistern, doch der Abschied ist programmiert
KÖLN (SID/sz) - Sie sind eher nicht gekommen um zu bleiben: Erling Haalandetwa hatte kaum einen Fuß auf Dortmunder Boden gesetzt, da wurden schon die Fragen laut, wann denn die neue Hauptattraktion die Bundesliga wieder verlässt. Und nach der Drei-Tore-Gala beim Debüt des 19-jährigen Norwegers wurden diese nicht leiser. Schließlich wurde es in den vergangenen Jahren fast schon zum ungeschriebenen Gesetz: Begeistert ein Jungstar in Deutschland, ist der Sprung in die Topligen nach England, Spanien und sogar Italien nicht fern.
Freilich sind Abschiedsgedanken im Falle Haalands nach nur einem Spiel übertrieben, der Trend zur Ausbildungsliga war zuletzt aber unverkennbar. Die Bundesliga zieht eigene Talente heran oder holt sie aus schwächeren Ligen im Ausland, um sie später für viel Geld weiterzuverkaufen – und die nächsten zukünftigen Topstars an Land zu ziehen.
Auch bei Haaland ist dieser Weg wahrscheinlich, schon ab 2022 soll er beim BVB eine Ausstiegsklausel besitzen. Ohnehin hat sich Borussia Dortmund in den vergangenen Jahren als Durchlauferhitzer für Jungstars einen Namen gemacht. Ousmane Dembélé (22) und Christian Pulisic (21) verabschiedeten sich nach herausragenden Leistungen schnell für astronomische Ablösesummen zum FC Barcelona respektive Chelsea. Bei Jadon Sancho (19) könnte es im Sommer ebenso kommen.
„Das ist der Lauf der Dinge“Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc grämt sich jedoch nicht – schließlich lebe der BVB auch von „Transfers von entwicklungsfähigen Talenten, von denen wir sportlich und auch wirtschaftlich profitieren können“, wie Zorc der „Sport Bild“sagte: „Nur so können wir im Konzert der ganz Großen mitspielen.“Dazu gehört eben auch, dass die Jungstars irgendwann zu eben diesen „ganz Großen“weiterziehen.
Eintracht Frankfurt kennt die Situation ebenfalls gut, verloren die Hessen im Sommer doch gleich das gesamte „magische Dreieck“aus Ante Rebic (26/AC Milan), Luka Jovic (22/Real Madrid) und Sébastien Haller (25/West Ham United). Doch auch Sportvorstand Fredi Bobic ärgert sich nicht. „Wir werden immer wieder unsere besten Spieler verlieren, das ist der Lauf der Dinge.“
Auch Bayer Leverkusen darf sich schon darauf einstellen, Toptalent Kai Havertz (20) steht bei diversen ausländischen Spitzenclubs auf dem Zettel. Zumindest scheint der Werkself dann eine Rekordablöse jenseits der 100 Millionen gewiss – jedoch kann Havertzu auch der Bundesliga erhalten bleiben, sollte er zum FC Bayern gehen.
Der Rekordmeister ist der einzige Club in Deutschland, der nicht nur finanziell mit den ganz Großen mithalten kann. Jedoch müssen auch die Münchner bei potenziellen Verpflichtungen teilweise schauen, was bei den Top-Rivalen hinten runterfällt (siehe Philippe Coutinho) oder sie müssen alles aufbieten, um durch die familiäre Struktur die Stars erst zu locken und dann zu binden.
Die Verpflichtung von Real-Madrid-Bankdrücker Álvaro Odriozola – ohne Kaufoption – zeigt aber auch: der FC Bayern bereitet sich im Sommer auf eine große Transfer-Offensive vor. Der deutsche Branchenprimus hofft auch darauf, dass nicht doch einige englische Clubs ebenfalls ein Auge auf die Wunschkandidaten (wie Kai Havertz) geworfen haben oder ihre Schützlinge nicht doch spontan noch halten wollen.
Neu ist das Szenario aber nicht War etwa in den 1990er-Jahren noch die italienische Serie A das Traumziel der talentiertesten Fußballer, erliegen heute viele Jungstars vor allem dem Ruf aus England mit irrsinnigen Gehältern und hohem sportlichen Niveau. Die Bundesliga ist für sie nur ein Zwischenschritt. Schon Kevin De Bruyne nutzte vor etwa fünf Jahren die Bundesliga gleich doppelt als Schaufenster für sein Können. Fans von Werder Bremen und dem VfL Wolfsburg durften sich zeitweise an den Qualitäten des Mittelfeldakteurs erfreuen, bevor er engültig zu Macnhester City abzog.
„Die Bundesliga ist auf einem Top-Level, aber die größte und beste Liga der Welt ist derzeit die Premier League“, sagte etwa der Ex-Stuttgarter und jetzige Schalke-Verteidiger Ozan Kabak der „Sport Bild“. Auch der 19-Jährige hofft, einmal „den Sprung nach England zu schaffen“.
Doch die Vergangenheit hat gezeigt: Auch dann werden die nächsten Talente schnell nachrücken.