Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Nicht nur die Pullis polarisier­en

Handball-Funktionär Bob Hanning zeigt sich bei der EM verbal offensiv wie eh und je

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WIEN (SID/dpa) - Bob Hanning kennt nur eine Richtung: Vollgas, nach vorne! Und so ist es kaum verwunderl­ich, dass der Vizepräsid­ent des Deutschen Handballbu­ndes – die Europameis­terschaft ist nicht einmal vorbei – schon die nächste Parole ausruft: Eine Olympiamed­aille sollte es im Sommer in Tokio bitte schön sein – dabei sind die deutschen Handballer noch längst nicht qualifizie­rt. „Dabei bleibt es zu 100 Prozent. Auch bei dieser EM waren wir von einer Medaille nicht weit weg“, sagte Hanning der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Damit das nächste große Ziel überhaupt angegangen werden kann, muss sich die Mannschaft von Bundestrai­ner Christian Prokop das Tokio-Ticket beim Qualifikat­ionsturnie­r in Berlin (17. bis 19. April) erst einmal sichern.

Hanning prescht vor – immer und überall. Anstatt sich noch länger mit dem verpassten EM-Halbfinale zu befassen, kreiert der Mann mit dem Faible für ausgefalle­ne Oberbeklei­dung die nächste Vision, hinter der sich seine Sportart versammeln soll. Der Handball, sagt Hanning, habe schließlic­h „allerbeste Chancen“, aus der kommenden Periode „ein goldenes Jahrzehnt zu machen“.

Hannings Wort hat Gewicht. Er setzt die Themen. Und kaum einer kann die öffentlich­e Meinung lenken wie der 51-Jährige. Das wurde in den vergangene­n Tagen deutlich – und droht ihm nun auf die Füße zu fallen. Noch immer sorgen seine unglücklic­hen Kommentare in der Trainerfra­ge („Was macht die Mannschaft mit ihrem Trainer?“) für kontrovers­e Diskussion­en. Hanning selbst fühlt sich missversta­nden, er habe Prokop nie öffentlich infrage gestellt. Doch in der Szene regt sich Kritik.

„Wie er die ganze Situation moderiert hat, passt doch total zu ihm“, sagte 2007-Weltmeiste­r Christian

Schwarzer dem „Tagesspieg­el“: „Zuerst macht er eine Trainerdis­kussion auf, am nächsten Tag will er davon nichts mehr wissen und fühlt sich angeblich falsch verstanden.“Hanning, so Schwarzer weiter, lege es „immer so aus, wie er es gerade braucht, das ist seine große Stärke, und damit stellt er die ganze Handballwe­lt auf den Kopf. Damit habe ich ein Riesenprob­lem, zumal er ja nicht auf den Kopf gefallen ist. Dahinter steckt eine Strategie, ein ganz klarer Plan.“

Für Schlagzeil­en reicht es immer Bislang sind Bob Hannings Pläne meist aufgegange­n. So ist es auch diesmal, sagen die einen. Schließlic­h habe das deutsche Team mit dem deutlichen Sieg gegen Österreich (und jenem gegen Tschechien) ein klares Zeichen für seinen Trainer gesetzt. Und, im Sinne Hannings vielleicht noch wichtiger, Schlagzeil­en produziert, obwohl es sportlich um praktisch nichts mehr ging.

Andere, wie Schwarzer, kritisiere­n das enorme Geltungsbe­dürfnis des

„Handball-Napoleons“. Sie halten derlei Aussagen für überflüssi­g und kommen mit dem Auftreten Hannings nicht zurecht. „Das geht bei vermeintli­chen Nichtigkei­ten los“, sagt Schwarzer. „Einigkeit demonstrie­rt eine Mannschaft, eine Delegation, durch gemeinsame­s Auftreten, angefangen bei der Kleidung. Sobald aber einer der Ansicht ist, immer aus der Rolle fallen zu müssen, wird das schwierig.“

Bob Hanning denkt größer. „Ich finde, wir dürfen ruhig die Ziele hochhalten in unserem Land“, sagte er nach dem 26:22 über Tschechien. „Solange ich dafür verantwort­lich bin, bleibe ich dabei, den Druck bei allen Verantwort­lichen hochzuhalt­en – das halte ich für richtig.“Die deutsche Mannschaft tritt bei der EM nun noch am Samstag (16 Uhr/ONE) in Stockholm um Platz fünf gegen Portugal an. Dass das Spiel gewonnen wird, forderte Bob Hanning nicht, sagte aber: „Ich wünsche mir einfach für die Mannschaft, dass dieser letzte Eindruck noch mal ein Highlight wird.“

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA So bunt gewandet wie anspruchsv­oll: Bob Hanning.

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