Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ravensburger beim Umsatz erstmals über 500 Millionen
Der Spielehersteller Ravensburger feiert mit den traditionellen Geduldsspielen große Erfolge
RAVENSBURG/NÜRNBERG (hego) Dank des hervorragenden Absatzes bei den traditionsreichen Puzzles hat der Spielehersteller Ravensburger 2019 erstmals die 500-Millionen-Euro-Marke durchbrochen. Die Umsätze stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 6,7 Prozent auf gut 524 Millionen Euro. Die größten Zuwächse verzeichnet das Unternehmen im Ausland, der größte Markt für Ravensburger ist Nordamerika. Im Vergleich zu 2018 seien fast 20 Prozent mehr Puzzles umgesetzt worden, erklärte Vorstandschef Clemens Maier am Dienstag. Der Absatz lag bei 21 Millionen Stück. Maier erklärte den Erfolg des Klassikers mit dem Wunsch, „etwas Haptisches, Persönliches, Zwischenmenschliches“zu machen. Viele Menschen würden Puzzles als Ausgleich zum immer digitaleren Alltag begreifen. Trotz der schwächelnden Konjunktur sieht Maier „grundsätzlich erst mal positiv“in die Zukunft.
„Trotz aller Digitalisierung spielen die Menschen haptisch.“
Clemens Maier, Vorstandschef von Ravensburger
„Wir haben im Zuge der Umstrukturierung keine Stelle gestrichen.“
Hanspeter Mürle, Finanzchef von Ravensburger
Von Helena Golz
NÜRNBERG - Wer ein 1000-TeilePuzzle zusammensetzen will, muss schon einiges an Zeit und Geduld mitbringen. Wie muss das erst bei der 42 000-Teile-Variante sein? Oder bei einem Puzzle ganz ohne Motiv, bei dem es darum geht, eine große schwarze Fläche korrekt zusammenzufügen? Der oberschwäbische Spielehersteller Ravensburger verkauft solche Puzzle-Varianten – und eine Geduldsprobe dazu gleich mit. Bei den Kunden kommt das gut an.
21 Millionen Puzzles hat das oberschwäbische Familienunternehmen nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr verkauft. Das ist ein Umsatzplus von 20 Prozent. „Offensichtlich treffen wir mit unseren Angeboten den Zeitgeist“, sagt Unternehmenschef Clemens Maier zum Auftakt der Nürnberger Spielwarenmesse. Als Ausgleich zum eng getakteten Alltag würden die Menschen immer mehr Entspannung und Entschleunigung beim Spielen suchen, sich in der Geduldsprobe üben. „Trotz aller Digitalisierung
spielen die Menschen haptisch“, sagt Maier, „das ist ein richtiger Trend geworden.“Das 42 000-Teile-Puzzle für die Profis, das übrigens zwei mal sechs Meter misst, ist natürlich die Extremform, aber insgesamt zeigt sich der Trend: lieber Puzzle statt Smartphone.
Ein bisschen Tempo war bei Ravensburger trotzdem noch angesagt. Die Kugelbahn Gravitrax war auch 2019 bei den Kunden beliebt. Hier schickt der Spieler bunte Kugeln rasend schnell durch eine selbst gebaute Bahn mit Weichen, Rutschen oder engen Kurven. 3,8 Millionen Produkte habe das Unternehmen im vergangenen Jahr verkauft.
Unter die Top 10 der verkauften deutschen Spielwarenprodukte, die jedes Jahr vom Branchendienst NPD erhoben werden, schaffte es Ravensburger 2019 zwar nicht. Insgesamt verzeichnete die Unternehmensgruppe aber dank Altbewährtem ein Umsatzplus von 6,7 Prozent auf 524 Millionen Euro. Weitere Zahlen – auch zum Gewinn – nennt das Unternehmen traditionell im Sommer. Doch zumindest ist jetzt schon klar, dass Ravensburger stärker gewachsen ist, als der deutsche Spielwarenmarkt insgesamt, der laut NPD nur auf ein Plus von drei Prozent kam. „In dem Kontext sind wir mit unseren Zahlen zufrieden“, sagt Maier.
Einen großen Teil der Umsätze machte Ravensburger im Ausland. Besonders in Amerika, wo das Unternehmen mit den Marken Wonder Forge und Thinkfun vertreten ist, wurden Marktanteile dazugewonnen. Auch die schwedische Marke Brio habe 2019 zugelegt.
Das ist kein Zufall. Denn das Unternehmen hat sich mit großer Anstrengung
im vergangenen Jahr neu aufgestellt, um internationaler agieren zu können. Als „großen kulturellen Wandel“bezeichnete Unternehmenschef Clemens Maier die komplette Reorganisation der einzelnen Ravensburger-Geschäftseinheiten im Sommer.
Die bisherigen eigenständigen Divisionen Spiele- und Buchverlag, die Marke Brio, die Sektion Nordamerika und die Einheit Freizeit und Promotion wurden ausgelöst und in eine neue funktionale Struktur überführt. Es gibt die fünf neuen Bereiche Brettspiele, Puzzles, Bücher, Spielsysteme und Freizeit, die nun unter einem einzigen übergeordneten Vertrieb agieren. Das heißt, die Teams bei Ravensburger wurden neu zusammengestellt, internationaler ausgerichtet. Obwohl der Umbruch noch nicht im Detail abgeschlossen ist: In der neuen Struktur arbeitet das Unternehmen bereits seit Sommer. „Man spürt schon deutlich erste Verbesserungen“, sagt Ravensburger Finanzchef Hanspeter Mürle. Der Vertrieb habe durch das neue System deutlich an
Schlagkraft gewonnen. Man habe beispielsweise die Vertriebslizenz für den berühmten Rubiks Cube ab 2020 gewinnen können. Kunden, die sowohl Spiele als auch Bücher bestellen möchten, seien schneller am Ziel als früher.
Der Konzern hatte immer betont, dass es im Zuge der Umstrukturierung zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen werde. Bei diesem Versprechen ist es geblieben. „Wir haben keine Stelle gestrichen“, sagt Mürle. „Schließlich haben wir das gemacht, um uns zu stärken und nicht um Stellen abzubauen.“Wie viel der Umbau genau gekostet hat, sagt Mürle nicht. Nur so viel: „Das war überschaubar. Im einstelligen Millionenbereich.“Der größere Teil dieser Summe sei nun dafür vorgesehen, die Räumlichkeiten an die neuen Teams anzupassen.
Im kommenden Jahr sollen dann nicht nur die strukturellen, sondern auch die räumlichen Umbauarbeiten abgeschlossen werden. Spieletechnisch setzt Ravensburger 2020 vor allem auf seine schwedische Marke Brio, die Holzeisenbahnen – mittlerweile mit allerlei technischem Zubehör – herstellt. Neu auf dem Markt ist das Spiel Minecraft, eine Brettspielvariante des vor allem bei Jungen beliebten Videospiels. Und natürlich setzt Ravensburger auch weiter auf das Puzzle. So soll eine neue PuzzleSerie mit 99 Teilen für Einsteiger erscheinen. Die werden die 42 000-Teile-Profis allerdings nur belächeln.