Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Trump überrascht mit Zwei-Staaten-Lösung für Nahost
US-Plan sieht Anerkennung von Israels Siedlungen im Westjordanland vor – Palästinenser lehnen Vorschlag ab
WASHINGTON/GAZA (dpa/AFP) US-Präsident Donald Trump hat seinen umstrittenen Nahost-Plan vorgestellt, der nach seinen Worten eine „realistische Zwei-Staaten-Lösung“für Israelis und Palästinenser vorsieht. Jerusalem sei als „ungeteilte Hauptstadt“Israels vorgesehen, sagte Trump am Dienstag im Weißen Haus an der Seite des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu. Den Palästinensern stellte er zwar einen künftigen eigenen Staat mit einer Hauptstadt in Ost-Jerusalem sowie eine Verdoppelung ihres Territoriums in Aussicht. Er knüpfte dies aber an zahlreiche, für die Palästinenser harte Bedingungen.
So müssten sich die Palästinenser vom „Terrorismus“lossagen, sagte Trump. Laut Weißem Haus soll der künftige Palästinenserstaat zudem „entmilitarisiert“sein. Netanjahu fügte hinzu, durch den US-Plan würden die israelischen Siedlungen im Westjordanland anerkannt. Diese
Siedlungen in dem von Israel besetzten Palästinensergebiet gelten nach internationalem Recht derzeit als illegal. Zudem werde das Jordantal unter israelischer Kontrolle bleiben, sagte Netanjahu mit Blick auf das strategisch wichtige Gebiet im Westjordanland. Es sei eine „historische Gelegenheit“und die vielleicht „letzte Chance“der Palästinenser auf einen eigenen Staat, sagte Trump. Ziel sei ein zusammenhängendes Territorium für einen Palästinenserstaat. Wie Jerusalem ungeteilte Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem zeitgleich Hauptstadt eines Palästinenserstaates sein kann, führte er nicht aus.
Von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kam prompt eine Absage. Der Plan werde „nicht durchkommen“, sagte er am Dienstagabend in Ramallah nach einem Treffen der verschiedenen Palästinensergruppen, darunter auch die radikalislamische Hamas aus dem Gazastreifen.
Von Frank Herrmann
GWASHINGTON - Mit einer feierlichen Inszenierung im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump einen Nahostplan vorgestellt, den er selber zum „Deal des Jahrhunderts“erklärte – während Kritiker der Skizze kaum Erfolgschancen zubilligen.
Kronleuchterglanz im East Room, dem Prunksaal des Weißen Hauses. Gemeinsame Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu, dem Premier Israels. Es beginnt, wie so oft, wenn Trump im Scheinwerferlicht steht, mit Selbstlob. „Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkeiten abzugeben oder großen Problemen auszuweichen“, sagt er, bevor er von einem 80-Seiten-Plan spricht, der detaillierter sei als jeder frühere Vorschlag der USA. Als ein Mann, der etwas von Deals verstehe, biete er „faktenbasierte“Lösungen für komplexe Probleme an, an denen seine Vorgänger im Amt alle gescheitert seien. Ein „Win-win“mit beiden Seiten als Sieger, so charakterisiert er den – federführend von seinem Schwiegersohn Jared Kushner erarbeiteten – Vorschlag. Für die Palästinenser, sagt Trump noch, könnte es die letzte Chance sein, ihren eigenen Staat zu gründen.
Es ist das erste Mal, dass eine USRegierung auf Landkarten markiert, wo im Falle einer Friedensregelung die Grenze verlaufen soll. Demnach unterstützt das Weiße Haus Israels Anspruch auf Teile des besetzten Westjordanlands. De facto bekommt Israel grünes Licht, sowohl das gesamte Jordantal zu annektieren als auch andere Gebiete der West Bank, auf denen seit dem Sechstagekrieg von 1967 jüdische Siedlungen gebaut worden sind, vor allem die Region rund um Jerusalem. An die Palästinenser soll es dafür zwei Sektoren an der ägyptischen Grenze abtreten, beide südlich des Gazastreifens am Rande der Negev-Wüste gelegen. Trumps Amtsvorgänger hatten noch darauf beharrt, dass sich israelisches Staatsgebiet – im Zuge eines potenziellen Gebietsaustauschs hier und da mit Korrekturen – auf jene Grenzen beschränken muss, wie sie vor der Eroberung des Westjordanlands vor gut einem halben Jahrhundert bestanden.
Jerusalem soll weiterhin komplett unter israelischer Hoheit bleiben, den Palästinensern wird eine symbolische Präsenz im arabischen Ostteil der Stadt zugestanden. Die USA, stellt Trump in Aussicht, würden dort womöglich dereinst eine Botschaft ansiedeln. In Landstrichen, die dem eventuellen Staat Palästina vorbehalten sind, soll sich bis 2024 nichts am Status quo ändern. Das heißt, Israel darf dort vier Jahre lang keine neuen Siedlungen errichten. Die Palästinenser, bemerkt Trump lakonisch, hätten damit vier Jahre Zeit, über seinen Vorschlag nachzudenken. Auf dem Weg zu einer „realistischen Zweistaatenlösung“, wie er seinen Ansatz charakterisiert, müssten sie aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre es, den Terrorismus klar zu verurteilen und ohne Wenn und Aber das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
Anders als frühere US-Präsidenten strebt Trump keine Kompromisse an, die es zumindest einigen Palästinensern erlauben würden, in Städte oder Dörfer zurückzukehren, die sie oder ihre Vorfahren 1948 im Zuge der Gründung des Staates Israel verlassen mussten. Anders als sie verzichtet er offenbar auch darauf, sich für eine Entschädigung für die damals Geflohenen und Vertriebenen beziehungsweise deren Nachkommen einzusetzen.
Trump hatte sowohl Netanjahu als auch dessen Rivalen Benny Gantz eingeladen, um zu feiern, was er eine „historische Stunde“nannte. Dafür, dass er sich dann allein mit dem Regierungschef ins Prachtambiente des East Room stellte, erntete er aber auch im eigenen Land Widerspruch. Kritiker sprechen von kaum bemäntelter Wahlkampfhilfe für den LikudPolitiker, der am Dienstag der Korruption angeklagt wurde und der aus der Parlamentswahl am 2. März, der dritten innerhalb von elf Monaten, dennoch als Sieger hervorgehen will.
Trump wiederum muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er wolle nur von einem Impeachment-Prozess ablenken, der nicht unbedingt, wie noch vor wenigen Tagen angenommen, mit seiner baldigen Entlastung endet. Nach brisanten Enthüllungen seines ehemaligen Sicherheitsberaters John Bolton gewinnt die Forderung nach Vernehmung zusätzlicher Zeugen an Fahrt, was zumindest bedeutet, dass sich das Verfahren noch länger hinziehen kann.
Von einem Friedensplan im herkömmlichen Sinne könne keine Rede sein, kritisiert denn auch Jeremy Ben-Ami, Vorsitzender von J Street, einer linksliberalen pro-israelischen Lobbygruppe, die nach wie vor einer Zweistaatenlösung verpflichtet ist. Schon deshalb nicht, weil Trump nicht einmal den Versuch unternommen habe, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln.