Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kino Terrence Malick erzählt die Geschichte von NaziGegner Franz Jägerstätter
Terrence Malick erzählt in „Ein verborgenes Leben“vom Nazi-Gegner Franz Jägerstätter
Wenn einG US-Starregisseur wie Terrence Malick die Geschichte eines frommen Bauern und Nazi-Gegners aus Österreich verfilmt, darf man gespannt sein. Das bildgewaltige Epos über Gewissensqualen hat aber auch Schwächen.
Ein frommer Landwirt aus Österreich, der 1942 den Eid auf Hitler verweigerte, 1943 enthauptet und 2007 seliggesprochen wurde. So weit im Schnelldurchlauf das Leben von Franz Jägerstätter, das die Vorlage für „Ein verborgenes Leben“(A Hidden Life) liefert. Beim Filmfestival in Cannes erhielt das Werk von US-Starregisseur Terrence Malick den Preis der Ökumenischen Jury.
Das knapp dreistündige Epos ist mehrheitlich mit deutschen Schauspielern besetzt – allen voran August Diehl und Valerie Pachner, die sehr überzeugend die Eheleute spielen. Außerdem ist Bruno Ganz in seiner letzten Rolle als Militärrichter zu sehen, der Jägerstätter zum Tod verurteilt.
Der wegen „Wehrkraftzersetzung“am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtete Jägerstätter ist eine in der Öffentlichkeit bislang nur wenig bekannte Gestalt. Während die Biografien vieler Widerstandskämpfer ausführlich erforscht und gewürdigt wurden, blieb die Figur des aus der oberösterreichischen Gemeinde Sankt Radegund stammenden Bergbauern weitgehend unbeleuchtet.
Das hat wohl auch damit zu tun, dass seine Weigerung, den Eid auf Hitler abzulegen, nicht auf politischen Widerstand abzielte, sondern aus christlichen Überzeugungen erwuchs, die auch innerhalb der katholischen Kirche lange als Ärgernis galten. So dauerte es mehr als ein halbes Jahrhundert, bis er 2007 schließlich doch als ein um seines Glaubens willen verfolgter Märtyrer seliggesprochen wurde.
Malick hat mit seinem Film dieses „verborgene Leben“dem Vergessen entrissen und widmet ihm ein bildgewaltiges Epos, das Glück und Tragik, aber auch die heroische Größe und die exemplarische Dimension Jägerstätters mit großer filmischer Kraft auslotet und von den ersten Bildern an das universale Ringen zwischen Gut und Böse inszeniert.
Schon die mit einem Choral aus Bachs Matthäus-Passion unterlegte Eingangssequenz einer paradiesischen Bergwelt wird abrupt mit Ausschnitten aus Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm „Triumph des Willens“und Wochenschauaufnahmen vom Überfall auf Polen kontrastiert, die das Glück der trunkenen Idylle in den Kontext des zerstörerischen Nationalsozialismus zwingt. Die zelebrierte Dorfidylle der Friedenszeit bewegt sich dabei zwar nahe am Bergkitsch, unterstreicht aber letztlich stimmig die Darstellung eines vom Bösen zerstörten Paradieses.
Der Ungeist der neuen Zeit breitet sich auch in der bäuerlichen Bergwelt aus, wo Jägerstätter und seine Frau Fani mit drei kleinen Kindern ein zwar arbeitsames, aber glücklich-frommes Leben führen. Mit seinem wachsenden inneren Widerstand gegen die braunen Machthaber eckt er bald an.
Einer ersten Einberufung zum Militärdienst leistet er zwar Folge, doch ein zweites Mal will er nicht mitmachen, allen Ratschlägen des Dorfpfarrers und auch des Bischofs zum Trotz. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen; diese Überzeugung kann er nicht relativieren, selbst wenn dies darauf hinausläuft, dass er hingerichtet würde und Frau und Kinder einem ungewissen Schicksal entgegengingen.
Der epische Film gibt den äußeren und inneren Anfeindungen Jägerstätters durch die Dorfgemeinschaft, aber auch den Torturen im Gefängnis viel Raum, emotional mitunter extrem zugespitzt. Die Ökumenische Jury lobte in ihrer Preisbegründung nicht nur die differenzierte Darstellung des menschlichen Dramas von Franz und Fani Jägerstätter, sondern hob auch den Umgang mit dem Gewissensthema hervor. Der Film vermittle eine Ahnung davon, dass die innere Richtschnur im Extremfall keine Rücksicht auf konkrete materielle oder gesellschaftliche Bedingungen nehme.
Auch Hauptdarsteller Diehl unterstrich in Interviews, wie sehr ihn der Gewissensaspekt an der Figur von Franz Jägerstätter fasziniert, der aus einem tiefen inneren Impuls heraus gehandelt habe, einem „Nein“, das in der Gegenwart allzu oft rationalisierend relativiert und verwässert werde. Jägerstätter hingegen sei einer gewesen, der die Überzeugung „Das ist falsch“nicht beiseiteschieben wollte oder konnte.