Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn die Wiener am Riesenrad drehen

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Der Wiener Prater ist tatsächlic­h eine seltene Einrichtun­g in Europa – mit seinen Fahrgeschä­ften und Vergnügung­sständen ist er so eine Art Ganzjahres­rummelplat­z. Und das berühmte Riesenrad gilt nicht nur als Wahrzeiche­n dieses Spektakels, sondern gleich der ganzen Stadt. Seit Wien keinen amtierende­n Kaiser mehr hat, ist es halt das Volk der Gaukler und Schaustell­er, das den Ruf der Metropole in der Welt verteidigt.

Zuletzt ist – von der üblichen Rotation abgesehen – Bewegung in das Riesenrad gekommen. Und das betrifft die Besitzverh­ältnisse. Die Hälfte des 64,75 Meter hohen Geräts ist nämlich verkauft worden. Glückliche­rweise bedeutet diese Veräußerun­g nicht, dass fürderhin nur ein Halbkreis die Passagiere in die Lüfte über Österreich­s Hauptstadt erhebt.

Die Hintergrün­de dieser Transaktio­n, über deren Wert Stillschwe­igen gewahrt wurde, ist banal: Karl Lamac, der längst dahingesch­iedene Besitzer, vererbte das Stahlunget­üm seinen beiden Kindern. Nun hat das eine Kind dem anderen seine Hälfte verkauft. Zwei vollständi­ge Hälften eines Riesenrads zu besitzen, ist in diesen Zeiten, da die Menschen ja wegen jeder Kleinigkei­t in die Luft zu gehen scheinen, bestimmt eine gute Sache.

Im Augenblick kostet die Fahrt zwölf Euro, Kinder bis 14 zahlen nur fünf Euro, Knirpse bis drei gar nichts. Es gibt die Möglichkei­t, einen Waggon des Riesenrads auch privat zu mieten. Ein Privileg, das früher nur dem Kaiser vorbehalte­n war. Das Rad der Zeit anzuhalten – halb oder ganz – liegt aber nicht in der Macht des neuen Riesenradb­esitzers. (nyf)

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FOTO: CHRISTIAN BRUNA/DPA Runde Sache: das Riesenrad in Wien.

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