Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bürgermeister bringt Landwirte in Rage
Nach Video-Kommentar zu Demonstration wird eine Entschuldigung erwartet
Von Jennifer Kuhlmann
MENGEN - Der harmlose Scherz einer Privatperson oder eine respektlose Diffamierung von Landwirten durch einen Amtsträger? Für Aufregung und Diskussionsstoff sorgt derzeit ein Video, das in der Region kursiert. Aufgenommen bei einer Demonstration von Landwirten ist die Stimme von Bürgermeister Stefan Bubeck (CDU) aus Mengen (Landkreis Sigmaringen) zu hören. Er kommentiert die teuren Zugmaschinen, die an ihm vorbeirollen. Während er selbst die Aufnahme als Satire bezeichnet, die nicht zur Weiterverbreitung bestimmt war, fühlen sich die der noch jungen Bewegung „Land schafft Verbindung“angehörenden Landwirte diskreditiert und fordern eine öffentliche Entschuldigung des Bürgermeisters.
„Scheinbar kriegen die Landwirte noch viel zu viel für ihre Lebensmittel, wenn sie sich solche MillionenKarren leisten können“, sagt die Stimme im Video. Armut sei bei den Landwirten ausgebrochen. „Das kann sich kein Arbeiter leisten.“Zustimmendes Feixen und Gelächter ist zu hören. „Ein Hoch auf unsere Bauern!“Zu sehen sind Stefan Bubeck und seine Gesprächspartner, zu denen Krauchenwies’ Bürgermeister Jochen Spieß (CDU) gehörte, nicht.
Dass es sich aber um Mengens Bürgermeister handelt, räumt er selbst auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“ein. Auch, dass er das Video selbst bei der Demonstration der Landwirte auf der Grünen Woche am 17. Januar in Berlin aufgenommen hat. Als „Fake“, wie er beteuert. Das höre man ja schon an der übertriebenen Redeweise und der zugespitzten Formulierung. „Ich habe das als Satire aufgenommen und als privaten Scherz per WhatsApp an den Mengener Landwirt Martin Neher geschickt“, sagt er. Neher sitzt im Gemeinderat und vertritt dort auch die
Interessen der Landwirtschaft. „Wir haben einen lockeren Umgang und foppen uns bei solchen Themen gern gegenseitig“, so Bubeck. In diesem Licht sollte auch das Video betrachtet werden.
Als witzige Satire ist das Video bei Martin Neher aber nicht angekommen. „Das war ein richtiger Schlag ins Gesicht“, sagt er. „Und zwar für meinen gesamten Berufsstand.“Weil er mit diesen Äußerungen nicht habe allein umgehen wollen, stellte der das Video in die WhatsApp-Gruppe der Bewegung „Land schafft Verbindung“(LSV). Auf einen Schlag bekamen es so Hunderte Landwirte zu sehen. Die Reaktionen waren entsprechend. „Die Landwirte sind stinksauer“, sagt Thomas Frenk, Pressesprecher der LSV BadenWürttemberg. „Sich so über Landwirte lustig zu machen, die aus Sorge um ihre Existenz auf die Straße gehen, hat mit Witz nichts mehr zu tun.“Als Ort für künftige Demonstrationen werde von allen Seiten das Mengener Rathaus vorgeschlagen.
„Das Video war nur für Martin Neher persönlich und nicht für die Verbreitung oder die Öffentlichkeit bestimmt“, versucht sich der Bürgermeister zu erklären. Darauf habe er Neher auch bei einem Treffen wenige Stunden nachdem Versenden des Videos persönlich hingewiesen. „Da hatte ich es aber schon längst weitergeleitet und konnte es nicht mehr zurückholen“, sagt Neher. Bereuen würde er es aber nicht. „Den Pfeil hat der Bürgermeister selbst abgeschossen, jetzt muss er zu den Konsequenzen stehen.“Er persönlich lege Wert darauf, sachlich mit dem Bürgermeister über seine Aussagen zu diskutieren und die gute Zusammenarbeit im Gemeinderat fortzusetzen. „Aber die verärgerten Landwirte wünschen sich von Bubeck schon eine Stellungnahme“, sagt er.
Per Mail hat die LSV Bubeck zu einer Entschuldigung und Richtigstellung aufgefordert. „Aber ich stelle doch nicht etwas richtig, was in keinen Medien auftauchen sollte und das ich als Privatperson aufgenommen habe“, entgegnet Bubeck. Er habe prüfen lassen, Neher rechtlich wegen der Verletzung des Urheberund des Persönlichkeitsrechts zu belangen. „Aber eigentlich habe ich kein Interesse daran, den Fall noch weiter aufzubauschen“, sagt auch Bubeck. Natürlich habe er vollstes Verständnis dafür, wenn sich ein Berufsstand für seine Interessen einsetzt und sich in ihrem Protest an die Verantwortlichen beim Land und im Bund wenden. Andererseits sei es auch so, dass in der Bevölkerung viele Menschen so denken würden, wie er es auf dem Video formuliert hätte.
„Ein Bürgermeister ist kein Comedian“, sagt Thomas Frenk. „Er ist auch von den Landwirten gewählt worden und hat einen Eid geleistet, alle Bürger zu vertreten.“Deshalb könne man von ihm ein entsprechendes Verhalten erwarten, auch im Umgang mit sozialen Medien. „Für uns zeugen die Aussagen von großer Respektlosigkeit, Zynismus, aber auch Unwissenheit.“Deshalb habe der LSV Bubeck zum Gespräch eingeladen, gern unter Mitwirkung eines Mediators. Dann könne gern auch erklärt werden, warum Landwirte mit modernen Maschinen arbeiten und nicht mehr mit Ochsengespannen unterwegs seien. Bislang habe es keine Rückmeldung gegeben.
Dem CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Burger wäre es recht, Bubeck und Neher würden die Sache unter sich ausmachen. „Ich habe beiden gesagt, dass sie miteinander reden müssen“, sagt er. Persönlich sei er der Meinung, dass alle, die den Bürgermeister gut kennen würden, wüssten, dass es sich nur um einen Scherz handeln könne. „Alle anderen bekommen das Video aber in den falschen Hals.“Weshalb er natürlich auch Verständnis für den Unmut der Landwirte habe.
Die zweite Stimme auf dem Video gehört Jochen Spieß, dem Bürgermeister von Krauchenwies. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“möchte er das Video nur insofern kommentieren, dass nichts dagegen spräche, dass Bürgermeister auch ihre private Meinung äußern. Sein Kommentar bei der Demonstration lautete: „Und günstiger Diesel kriegen sie auch.“