Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Für den Wintereinsatz fehlt sogar die Unterwäsche
An den Standorten Stetten und Laupheim kämpft die Truppe gegen Zentralisierung und Bürokratie
Von Ludger Möllers
GULM - „Es ist ernüchternd, dass sich im Bericht des Wehrbeauftragten im Vergleich zu den Vorjahren weder beim Personal noch beim Material und auch nicht in Fragen der Infrastruktur etwas zum Besseren geändert hat.“Oberstleutnant Josef Rauch, stellvertretender Vorsitzender Süddeutschland des Bundeswehrverbandes und Mitglied des Personalrats am Standort Stetten am kalten Markt (Landkreis Sigmaringen), kann die Defizite, die der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht 2020 aufführt, nur bestätigen: „Dass immer noch Splitterschutzwesten fehlen, dass es an Nachtsichtgeräten mangelt und für Soldatinnen und Soldaten, die in den Wintereinsatz nach Litauen geschickt werden, warme Unterwäsche nicht gestellt werden kann, bedeutet doch, dass die Trendwende Material in der Truppe nicht angekommen ist.“
Rauch fordert, dass Verantwortliche vor Ort das Material beschaffen können: „In den 80er-Jahren war jeder Kommandeur für sein Material verantwortlich und konnte bestellen, was er brauchte.“Zentralisierung und Bürokratie haben nach Rauchs Erfahrungen zum derzeitigen schlechten Zustand der Truppe geführt: „Verantwortung muss dort gelebt werden, wo die Arbeit getan wird.“
Nicht viel besser sieht es bei der Trendwende Infrastruktur aus. Ein Beispiel: Bereits im Jahr 2012 war beschlossen worden, dass das Artilleriebataillon 295 und die Panzerpionierkompanie 550 den Standort Immendingen (Landkreis Tuttlingen) verlassen und in Stetten am kalten Markt eine neue Heimat finden. 2015 und 2016 zogen die Einheiten um. Rauch: „Es ist in diesen acht Jahren nicht gelungen, genügend Unterkünfte, Kfz-Hallen oder Schleppdächer zu bauen.“Zunächst habe Geld gefehlt: „Und jetzt fehlen in den Bauämtern und Baufirmen die personellen Kapazitäten.“
Auch am Standort Laupheim (Landkreis Biberach) mit dem Hubschraubergeschwader
64 gibt es Probleme. Der Transporthubschrauber CH-53, eine Konstruktion der 1960er-Jahre, ist in die Jahre gekommen, von den 71 Maschinen dieses Typs in der Bundeswehr bleiben bis zu 55 am Boden. Denn: Ersatzteile sind kaum zu bekommen. Dadurch fehlen den Piloten Flugstunden und Erfahrung. Der Kommodore, Oberstleutnant Christian Mayer, sagt: „Unser
Problem seit Jahren ist, dass wir die in der Heimat verfügbaren Flugstunden auf der wegen ihres Alters ungemein wartungsintensiven CH-53 schwerpunktmäßig in das Training von Besatzungen stecken müssen, die in den Afghanistan-Einsatz gehen, und junge Besatzungen deshalb nicht in der notwendigen Tiefe dafür qualifizieren können.“
Mayer beschreibt den Teufelskreis: Immer werden wieder die gleichen Piloten, Bordtechniker und Bordsicherungssoldaten nach Afghanistan geschickt: „Weil die jungen Kameradinnen und Kameraden, die sie entlasten könnten, nicht genügend Flugstunden bekommen.“
Dass die Anregung des Wehrbeauftragten, Material „von der Stange“zu kaufen, erfolgreich ist, beweist sich ebenfalls in Laupheim: Die 15 leichten Mehrzweckhubschrauber H 145 M des Geschwaders gleichen den zivil genutzten Modellen. Oberstleutnant Mayer: „Sie sind neu und sehr zuverlässig, der Einsatzklarstand beträgt deutlich über 80 Prozent.“