Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Krise in der Windkraft gefährdet Klimaziele der Koalition

Ausbau im Jahr 2019 so gering wie nie zuvor seit der Energiewen­de – Wie die Bundesregi­erung reagieren will

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Von Andreas Hoenig und Teresa Dapp

GBERLIN (dpa) - Der Tiefstand beim Bau neuer Windräder in Deutschlan­d setzt die Politik unter Druck. Im vergangene­n Jahr kamen nach Angaben der Windkraft-Branche vom Dienstag so wenige Windkrafta­nlagen an Land hinzu wie noch nie, seit die Energiewen­de mit dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz im Jahr 2000 auf den Weg gebracht wurde. Die Branchenve­rbände warnen: Arbeitsplä­tze und die deutschen Klimaziele seien in Gefahr.

Am Ökostrom-Ausbau hängt die gesamte Energiepol­itik der Bundesregi­erung. Ende 2022 soll das letzte Atomkraftw­erk vom Netz gehen, derzeit wird zudem der Kohleausst­ieg bis spätestens 2038 organisier­t. Der Strombedar­f steigt, wenn in den kommenden Jahren zum Beispiel mehr Elektroaut­os unterwegs sind, zugleich soll der Anteil von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse bis 2030 von derzeit mehr als 40 auf 65 Prozent steigen.

Wie die Branchenve­rbände Bundesverb­and Windenergi­e (BWE) und VDMA Power Systems mitteilten, wurden 2019 aber nur noch 325 neue Windkrafta­nlagen mit 1078 Megawatt neu gebaut. Das waren 55 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Weil auch Anlagen abgebaut wurden, stieg die Zahl insgesamt um 243 Windräder auf deutschlan­dweit rund 29 500.

BWE-Präsident Hermann Albers sprach am Dienstag in Berlin von einem „dramatisch­en Einbruch“. Wenn der Strombedar­f wachse, sei ein Zubau von rund 5000 Megawatt pro Jahr nötig, um auf 65 Prozent Ökostrom bis 2030 zu kommen. Für das Jahr 2020 erwarten die Verbände ein Plus von 1400 bis 1800 Megawatt – mehr als im vergangene­n Jahr, aber aus ihrer Sicht weiterhin zu wenig.

Die Koalition plant einen bundesweit­en Mindestabs­tand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnhäuser­n, damit es weniger Klagen

und Proteste von Anwohnern gibt. Länder und Kommunen sollen davon abweichen können. Um Details streiten CDU/CSU und SPD aber. Ein neuer Vorschlag dazu aus der Union wurde in der Branche zunächst als konstrukti­ver Schritt bewertet. Er sieht vor, dass 1000 Meter Abstand künftig zu Wohnhäuser­n eingehalte­n werden muss, die in einem Gebiet mit Bebauungsp­länen gebaut wurden oder gebaut werden können. In einem älteren Vorschlag von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sollte der Abstand ab „mehr als fünf“Wohnhäuser­n gelten – egal wo. Die SPD will den neuen Unionsvors­chlag nun prüfen.

Es geht nicht nur um Klimaschut­z und Stromverso­rgung, sondern auch um Arbeitsplä­tze. Albers sagte, in den vergangene­n drei Jahren seien in der Branche schon 40 000 Jobs weggefalle­n.

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FOTO: DPA Umstritten: der Ausbau der Windkraft in Deutschlan­d.

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