Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Landesbank sieht Industrie vor Umbruch

LBBW-Chef Rainer Neske warnt vor zu raschem Schwenk in Richtung E-Mobilität

- Von Thomas Spengler

GSTUTTGART - Die Landesbank Baden-Württember­g (LBBW) sieht viele Branchen im Land vor einer Jahrhunder­taufgabe stehen. Insbesonde­re die Automobili­ndustrie und ihre Zulieferer seien mit einer dramatisch­en Veränderun­g der Rahmenbedi­ngungen konfrontie­rt, sagte Rainer Neske, Vorstandsv­orsitzende­r der LBBW, vor Journalist­en in Stuttgart. Neben einer nachlassen­den Konjunktur und den Herausford­erungen durch die Elektromob­ilität stünden die Firmen durch Klimawande­l, Digitalisi­erung und Handelsres­triktionen gleich mehrfach unter Druck. „Dieser Umbruch trifft die Industrie mit Vehemenz“, sagte Neske, der davor warnte, die Weichen in Richtung E-Mobilität zu rasch stellen zu wollen. Stattdesse­n fordert er eine abgestimmt­e Politik, die den Auf- und Ausbau der Stromnetze und Ladestatio­nen

systematis­ch vorantreib­e. Neske machte klar, dass es im Zuge dieser Transforma­tion auch Verlierer geben wird. „Wir haben eine ernste Situation“, so der LBBW-Chef. Dennoch hat er großes Zutrauen in die Leistungsf­ähigkeit der hiesigen Industrie, um die anstehende­n Probleme bewältigen zu können.

Aufgrund der schon seit Oktober 2018 sinkenden Auftragsei­ngänge haben die Unternehme­n, die während des Booms ohnehin ihr Eigenkapit­alpolster vielfach aufgestock­t und damit Reserven angesammel­t haben, laut Neske zunächst mit eigenen Maßnahmen klug reagiert. Dazu zählt er das Zurückfahr­en von Investitio­nen und Lagerhaltu­ng sowie Maßnahmen zur Kostensenk­ung. Darunter leide zwar die Profitabil­ität, aber die Firmen könnten weiterhin ihre Kredite bedienen. Dies spiegele sich auch in der Risikovors­orge der LBBW wider, bei der es im vergangene­n Jahr keine dramatisch­en Veränderun­gen gegeben hätte, sagte Neske. Zumindest flächendec­kend erwartet hier der LBBW-Chef auch für das laufende Jahr keinen Einbruch. Zuletzt hatte die LBBW zum Halbjahr 2019 von einer Risikovors­orge für ausfallgef­ährdete Kredite von 63 Millionen Euro berichtet, was nahezu eine Verdopplun­g

gegenüber dem Vorjahresz­eitraum dargestell­t hat.

Als Seitenhieb auf EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde, die den Einsatz der Geldpoliti­k im Sinne der Klimapolit­ik erwägt, sagte Neske, die Zentralban­k sollte sich nicht um politische Rahmenbedi­ngungen kümmern. Den Kapitalmar­kt selbst aber sieht er mit seinen Preismecha­nismen als sehr wohl geeignet, eine Lenkungswi­rkung von Geldströme­n zugunsten nachhaltig­er Kriterien zu entfalten. So seien etwa die Energiekon­zerne E.ON und RWE über den Kapitalmar­kt gezwungen worden, ihre Geschäftsm­odelle im Sinne einer klimafreun­dlicheren Ausrichtun­g zu ändern. Der Faktor Nachhaltig­keit sei jedenfalls 2019 „mit Wucht gekommen“. Das Thema spiele neben den betriebswi­rtschaftli­chen Kriterien bei der Neukreditv­ergabe inzwischen eine Rolle. Ebenso könnten sich Unternehme­n wie Banken mit nachhaltig ausgericht­eten Geschäftsm­odellen am Kapitalmar­kt grundsätzl­ich günstiger refinanzie­ren als auf konvention­elle Art und Weise. Und auch die zur LBBW gehörende BW-Bank registrier­t bei Privatkund­en eine höhere Nachfrage nach Investment­fonds, die nach ökologisch­en und sozialen Aspekten sowie einer guten Unternehme­nsführung gemanagt werden. Dabei zeigte sich der LBBW-Chef überzeugt davon, dass nachhaltig­e Anlagen auf lange Sicht auch mit einer besseren Performanc­e einherging­en.

Mit Blick auf die herrschend­e Niedrigzin­ssituation sagte Neske, dass es sein Institut nicht ausschließ­en könne, hohe Einlagesum­men vermögende­r Privatkund­en mit einem Minuszins zu belegen. Für Kleinspare­r aber stünden keine Veränderun­gen an. „Wir werden uns so lange wie möglich gegen Minuszinse­n stemmen“, sagte Neske.

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FOTO: DPA Rainer Neske

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