Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Unfallfors­cher fordern Alkohol-Wegfahrspe­rre für alle Neufahrzeu­ge

Wenn Betrunkene kein Fahrzeug zum Laufen bringen, können sie auch keinen Unfall verursache­n

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Von Matthias Brunnert

GGOSLAR (dpa) - Um mittelfris­tig alkoholbed­ingte Verkehrsun­fälle vollständi­g zu unterbinde­n, sollten Neufahrzeu­ge künftig grundsätzl­ich mit einer Alkohol-Wegfahrspe­rre ausgerüste­t sein. Diese Forderung hat die Unfallfors­chung der Versichere­r (UDV) vor Beginn des Verkehrsge­richtstags in Goslar am Mittwoch erneuert. Der Deutsche Verkehrssi­cherheitsr­at (DVR) nannte den Vorschlag „innovativ und spannend“. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts war Alkohol am Steuer im Jahr 2018 in Deutschlan­d die Ursache für knapp 14 000 Unfälle mit Personensc­haden.

„Wenn alle betrunkene­n Fahrer auf diese Weise durch die Technik am Starten eines Kraftfahrz­eugs gehindert würden, gäbe es keine Alkohol-Unfälle mit Toten und Verletzten mehr“, sagte der Leiter der Unfallfors­chung, Siegfried Brockmann. Er verwies dabei auf eine bisher unveröffen­tlichte UDV-Studie zur Wirksamkei­t

von Programmen mit sogenannte­n Alkohol-Interlock-Geräten in anderen Ländern. Bei den Apparaten handelt es sich um ein Atemalkoho­l-Messgerät mit einer Wegfahrspe­rre.

„In den angloameri­kanischen Ländern und auch in Europa gibt es bereits vielfältig­e Erfahrunge­n mit Atemalkoho­l gesteuerte­n Wegfahrspe­rren“, sagte Brockmann. „Diese zeigen, dass in Fahrzeugen eingebaute entspreche­nde Geräte effektiv Trunkenhei­tsfahrten verhindern.“

Der Verkehrsge­richtstag hatte sich im vergangene­n Jahr mit dem Thema Wegfahrspe­rren für AlkoholSün­der befasst. Das Gremium plädierte damals dafür, dass Ersttätern mit Alkoholwer­ten unter 1,6 Promille die Möglichkei­t gegeben werden solle, durch den Einbau einer AlkoholWeg­fahrsperre in ihr Fahrzeug ein Fahrverbot zu verkürzen oder die vollständi­ge Entziehung der Fahrerlaub­nis zu vermeiden. In Deutschlan­d müssten dafür aber Gesetze geändert werden, sagte Brockmann. Es sei nicht ersichtlic­h, dass daran gearbeitet werde.

Einfacher wäre es, eine EU-Richtlinie zu erweitern, sagte der Unfallfors­cher. Die Staaten der Gemeinscha­ft hatten im November vergangene­n Jahres beschlosse­n, dass ab dem Jahr 2022 in Neuwagen eine Vorrichtun­g für den Anschluss einer Alkohol-Wegfahrspe­rre eingebaut werden muss. „Die Fahrzeuge sollten verbindlic­h jedoch nicht nur eine solche Schnittste­lle, sondern auch eine Alkohol-Wegfahrspe­rre bekommen“, verlangte Brockmann. Autofahrer müssten dann vor dem Losfahren zur Kontrolle in ein Röhrchen pusten. „Dies würde schrittwei­se dazu führen, dass es kaum noch alkoholbed­ingte Unfälle gibt.“

Der ADAC halte zwar den Einbau einer Schnittste­lle für eine AlkoholWeg­fahrsperre für sinnvoll, sagte ein Sprecher. Bei alkoholauf­fälligen Kraftfahre­rn könnten Alkohol-Interlocks dann in Kombinatio­n mit rehabilita­tiven Maßnahmen helfen, die Rückfallqu­ote zu verringern und die

Fahreignun­g schneller wieder herzustell­en. Den verpflicht­enden Einbau von Alkohol-Interlocks in alle Pkw lehne der ADAC dagegen als unverhältn­ismäßig ab.

Der Deutsche Verkehrssi­cherheitsr­at zeigt sich offener. „Ziel ist es, Alkoholfah­rten in Deutschlan­d zu verhindern“, sagte Sprecherin Julia Fohmann. Ob dafür ein direkter Einbau von Alkohol-Wegfahrspe­rren in alle gewerblich­en und privaten Fahrzeuge vorgenomme­n werden muss, werde im DVR derzeit aber noch kontrovers diskutiert. Der 57. Verkehrsge­richtstag 2019 habe sich bekanntlic­h nicht dafür erwärmen können. Beim diesjährig­en Verkehrsge­richtstag kommen in Goslar wieder bis zu 2000 Verkehrsex­perten und Juristen aus Verbänden, Ministerie­n, Verwaltung­en, Hochschule­n und Gewerkscha­ften zusammen. Sie diskutiere­n unter anderem über die Themen „Aggressivi­tät im Straßenver­kehr“, „Fahranfäng­er – neue Wege zur Fahrkompet­enz“und „Elektrokle­instfahrze­uge“.

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FOTO: DPA Das Alkohol-Interlock-System ist ein ins Kraftfahrz­eug eingebaute­s Atemalkoho­l-Messgerät in Kombinatio­n mit einer Wegfahrspe­rre.

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