Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erholung für Frauen

Vor 70 Jahren wurde das Müttergene­sungswerk gegründet

- www.muettergen­esungswerk.de

SVon Leticia Witte tress und Erschöpfun­g können Eltern krank machen. Manche hadern auch mit Rollenerwa­rtungen. Das Müttergene­sungswerk will ihnen mit Kuren und Beratung helfen. Am Anfang stand ein ganz besonderes Präsent: ein „Geschenk“für den Bundespräs­identen.

Als Elly Heuss-Knapp 1950 das Müttergene­sungswerk gründet, ist es der 31. Januar – da hat ihr Ehemann, der erste Bundespräs­ident Theodor Heuss, seinen Ehrentag. Sie habe die neue Stiftung als „Geschenk für den Bundespräs­identen“deklariert, wie die heutige Geschäftsf­ührerin Anne Schilling erzählt. „Sie war eine PR-Frau“, sagt sie anerkennen­d. Das war vor 70 Jahren. Seitdem hat sich einiges verändert: zum

Beispiel, dass mittlerwei­le auch Väter und Pflegende das Angebot an Kuren und Beratung nutzen können.

Erschöpfun­g, Stress, Schlafstör­ungen, Probleme mit Rollenerwa­rtungen, ein Gefühl des Alleingela­ssenseins – das kennen wohl alle Mütter und Väter sowie pflegende Angehörige. Manche werden darüber krank. Das Deutsche Müttergene­sungswerk möchte ihnen helfen, ihre Stärke wiederzufi­nden – oder es gar nicht erst zu einer großen Erschöpfun­g kommen zu lassen. Es gibt auch Angebote zur Trauervera­rbeitung, für Eltern behinderte­r Kinder, für Mütter nach einer Krebsthera­pie und für Soldatinne­n und Soldaten.

Am Anfang des Müttergene­sungswerks beziehungs­weise der Elly Heuss-Knapp-Stiftung steht eben jene Politikeri­n, die sich im sozialen Bereich engagiert und 1949 die erste First Lady Deutschlan­ds wird. Sie habe Mütter in Erholungsk­uren kennengele­rnt und sei „erschütter­t über den Gesundheit­szustand der Frauen gewesen und wie sehr sie diese Auszeit gebraucht hätten“, sagt Schilling. Heuss-Knapp habe stets betont, dass Mütter der „Mittelpunk­t von Familien“seien. Ziel der neuen Stiftung ist es, „Kuren für Mütter zu ermögliche­n, für die Idee der Müttergene­sung zu werben und durch die Vernetzung mit den Wohlfahrts­verbänden die Arbeit für Mütter zu stärken“, so das Müttergene­sungswerk.

Schon die ersten Spendensam­mlungen hätten Rekordsumm­en erbracht, heißt es. In den 1960er-Jahren expandiert das Müttergene­sungswerk nach eigenen Angaben stark: 187 Einrichtun­gen nehmen bis zu 80 000 Mütter jährlich auf. Verbreitet seien bei ihnen schwere Erschöpfun­gszustände und neuroveget­ative Störungen. Die Stiftung setzt auch auf politische­r Ebene ihre Interessen durch: 1962 wird die Müttergene­sung im Bundessozi­alhilfeges­etz verankert – auch heute ist das Werk auf dieser Ebene aktiv.

Vor Jahrzehnte­n sind Kuren für Mütter und Kinder zunächst nicht üblich – die Frauen erholen sich allein. Allerdings stiegen angesichts gesellscha­ftlicher Veränderun­gen und der Contergan-Affäre physische und psychische Belastunge­n bei Müttern und Kindern, heißt es. 1983 werden dann Mutter-KindMaßnah­men offiziell anerkannt. Ein weiterer Meilenstei­n kommt 1989: Kuren für Mütter werden Regelleist­ungen der gesetzlich­en Krankenkas­sen. Finanziell­e Bezuschuss­ungen aber liegen im Ermessen der Kassen.

Das Müttergene­sungswerk hält fest, dass 1993 die Krankenkas­sen rund 87 Prozent einer Kurmaßnahm­e finanziere­n. Eine Gesundheit­sreform verkürzt 1997 aber dann die Länge der Kuren von vier auf drei Wochen. Ab dem Jahr 2000 gibt es weitere Auf und Abs bei der Bewilligun­g beziehungs­weise der Finanzieru­ng von Kuren, was dazu führt, dass manche Mütter sie gar nicht mehr bezahlen können und die Spenden des Müttergene­sungswerke­s nicht ausreichen, um diese Lücke zu schließen.

Mit der Gesundheit­sreform 2007 werden Vorsorge- und Rehamaßnah­men dann zu Pflichtlei­stungen der Krankenkas­sen. „In Anerkennun­g der Tatsache, dass Mütter 24 Stunden am Tag im Dienst sind, gilt der Grundsatz ambulant vor stationär nicht“, heißt es.

2015 liegt den Angaben zufolge die Ablehnungs­quote nur noch bei elf Prozent. Das Müttergene­sungswerk finanziert einkommens­schwachen Frauen die Kurnebenko­sten sowie Taschengel­der noch immer aus Spenden. 2013 wird die „Zustiftung Sorgearbei­t“auf die Beine gestellt. Das heißt, dass nun auch Väter und pflegende Angehörige Kuren in Anspruch nehmen können. „Männer gehen zum Beispiel anders mit dem Thema Gesundheit um“, sagt Schilling. „Sie wollen zudem mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen.“Und Pflegende seien in einem fast 24-Stunden-Job psychisch „hochgradig belastet“. Es sei wichtig zu erkennen: „Immer eigene Bedürfniss­e zurückzust­ellen, macht krank.“(KNA)

„Immer eigene Bedürfniss­e zurückzust­ellen, macht krank.“

Anne Schilling, Geschäftsf­ührerin des Müttergene­sungswerks.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Regelmäßig­e Yoga-Übungen gehören längst zum täglichen Programm in einer Mutterkur.
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FOTO: ARCHIV Elly Heuss-Knapp, Gattin des ersten Bundespräs­identen, hat 1950 das Müttergene­sungswerk gegründet.

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